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III. Deutsche Wissenschaft und Dichtung. 757 hincingclcgtc Persönlichkeit lebendig und charakteristisch, somit ins Poetisch-Schöpferische hineingczogcn". Er war ein Mann von Witz. Mcnschenkenntniß und Verstand und jeder Pedanterie Feind, munter ohne Geschwätzigkeit, deutlich ohne Breite, körnig und derb doch immer bescheiden. „Ein hitziger Kopf, ein deutsches Maul, aber ein ehr lich Hcrz". Neben Hamburg erhielt sich auch in Sachsen, in den Städten Leipzig und A^r'n Dresden eine Dichtung, die nicht ganz in die Opitzsche Manier cinging, sondern wie sanr-ni bei dem Rcchtsgclehrtcn Zoh. G. Schoch und bei David Schirmer aus Frciberg, Bibliothekar und Hofpoct in Dresden, eine selbständigere Stellung zu behaupten suchte, bald nach Hamburg, bald nach Nürnberg ihre Blicke wendend. Zn Schirmers ..Poeti schem Rvscngebüsch" finden sich Anklünge anakrcontischcr Lieder und in Schochs drasti scher „Komödie vom Studentcnleben" muß die gespreizte Sittcnlchrc der Zeit einem derben Naturalismus weichen. Den sächsischen Dichtern kann auch der schon erwähnte Georg Reumark beigezählt werden. Denn obwohl er längere Zeit in Norddeutschland, in^sum"/^,, Königsberg, Danzig, Hamburg gelebt, ist er doch in Thüringen geboren (in Mühl hausen) und gestorben (in Weimar). Wir kennen ihn als den Verfasser des schönen Kirchenlieds „Wer nur den lieben Gott läßt walten", das noch jetzt eine Zierde der evangelischen Gesangbücher bildet. Nach einer alten Sage war der musiklicbcnde Dichter einst in Hamburg in solche Noth gerathcn, daß er sein Licblingsinstrument, die Viola di Gamba verkaufen mußte; als er dann in Folge einer Anstellung in die Lage kam, dm verkauften Schatz wieder zu erwerben, soll er in seiner Herzcnssrcudigkeit das Lied gedichtet haben. Mit diesem können aber Neumarks übrige Schriften keinen Vergleich aushaltcn. Sein „Poetischer Lustwald" und sein „poetisch-historischer Lustgarten" ent halten Gelegenheitsgedichte, Schäferliedcr und Erzählungen aus der alten Geschichte mit Versen untermischt, in derber Niederländer Genremalerei, gemein in der Sprache und trivial im Inhalt. Sein „betrübt verliebter doch endlich hocherfreuter Hirt Filcmon" ist eine abgeschmackte Liebesbeschreibung zweier hochedlcn Personen in Gestalt einer Schäfergeschichte in gereimter und ungereimter Prosa. Bei Ncumark und noch mehr bei seinein Geistesverwandten Zoh. Gg. Albinus aus Naumburg, dem Verfasser dcs AAj^ Kirchenlieds „Alle Menschen müssen sterben" und mehrerer erbaulichen Schriften, ist eine starke Annäherung an die schwülstige Schäferpoesie der Nürnberger und an die niorali- sirmdcn Gedichte der Niederländer, insbesondere des „Vater Cats" (XI., 688) nicht zu verkennen. Auch Johann Franckc, Nathshcrr und Bürgermeister in Guben, dessen Kirchenlieder an Innigkeit mit den Gerhardschen verglichen werden können, ist in seinen weltlichen Gedichten („Irdischer Helicon") matt und trivial. Seine „Vaterunser-Harfe", eine Sammlung von 333 kurzen, meist cinstrophigcn Gedichtchen über das Gebet des Herrn, erinnert stark an die Nürnberger Spielereien. Die eifrigsten und ergebensten Anhänger zählte Opitz in seiner Heimath und im^uord- nordöstlichen Deutschland. Zn Schlesien wurde die ganze Jugend durch das Beispiel Drius-lUand. und die Erfolge des Landsmannes angeregt, sich poetisch zu versuchen, und gründete eine Echlcsien. wahre Pflanzschule von Dichtern der neuen Art. Allein im Lande der Oder galt zu allen Zeiten der Spruch: „Gehet hin in alle Lande und lehret alle Völker", die Diener der Musen verließen die Stätte ihrer Geburt und trugen ihre dichterischen Gaben und Lehren nach anderen Orten, nach Königsberg, Danzig, Rostock, wo sich bald Dichter kreise bildeten, die in die Fußstapfen des Meisters traten, sodaß Simon Dach ihn an- reden konnte, wer seiner süßen Hand solchen Nachdruck gegeben, „daß das ganze Norden- Land, wenn ihr schlagt, sich muß erheben". Schlesien selbst hat nur wenige Dichter- namen auszmveiscn, wie den von Lcssing gerühmten Andr. Scultetus, wie Wenzel Scherfser, Poet und Toukünstler, wie Dan. vonCzepko. Erst einige Zeit nach Opitz