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754 kV Literatur und Geistesleben. poetischen Produkten zu Tage förderten, stand trotzdem daß sie die metrischen Formen und die Rcimkunst bereicherten und durch Dactylcnund Anapästen die leidenschaftliche Er regtheit andeutcn zu können wähnten, doch weit hinter den Arbeiten der Schlesier zurück Wie sehr die Pegnitzdichtcr, die sich Hirtennamen aus Sidncys übersetztem Schäsir- roman „Areadia" beilegten und auch Frauen in die Genossenschaft aufnahmcn, dm Ruhm der Originalität anstrcbtcn, so daß Harsdörfcr im Gegensatz zu Opitz cinc eigene Poetik verfaßte unter dem geschmacklosen Titel: „Poetischer Trichter, dic^tcuW Dicht- und Rcimkunst in sechs Stunden einzugicßen", ein Werk das sich als „Nürn berger Trichter" fortan im Sprichwort erhalten hat, so nahmen sic doch bei ilM Schäferpoesie thcils Opitz selbst, besonders seine Hercynia, thcils die Hirtengedichte da romanischen Völker zum Vürbild, ja die Poetik Harsdvrfcrs war wie die ganze Pcg' nitzcr Schäferpoesie nichts als eine ins Schwülstige und Breite gezogene Umarbeitung dcö älteren Buches. Nur darin waren ihre Dichtungen originell, daß sic in geschmacklose Bildern und Gleichnissen, in Ueberladenhcit und Bombast, in künstlicher Spielerei >»>t Klingreimen und Naturlautcn über alles Maß hinausgingen. Wie den Löwen aus de» Klauen, so erkennt man nach ihrer Meinung den echten Poeten aus schönen Beiwörter» und daran ließen cs denn die redseligen und schreibfertigen Triumvirn von Nürnberg, der pedantisch-gelehrte Harsdörfcr in seinen „Gcsprächspielen", „geistlichen Geschieht' reden", „Andachtsgcmälden" und zahllosen andern Werken, der „weltberühmte Urheber Klaj^s>« dn daktylischen Lieder" Johann Klaj, in seiner „Höllen- und Himmelfahrt Ä» Birken Christi" und der geschichts- und sprachkundige Sigmund Betulius oder von Birken, is2»-8>. ^riannt Floridan in seiner pompösen, goldflittcrigcn Fest- und Gclcgenhcitsdichtung, in seinen „Geschicht-Gedichtcn" oder „Gedicht-Geschichten", wie er den Roman verdenk schend nannte, in seinen „geistlichen Weihrauchkörncrn" und in den dramatisirten Sing- u»b Schäferstücken nicht fehlen. Die Nürnberger Dichter, unter denen sich noch außer dc» genannten Mich. Dilherr und M. Dan. Omeis durch geistliche und weltliche Gedichts und Frau Cath. Reg. von Grciffenberg durch ihre „Siegessäule" und „geistliche Sonett hervorthaten, suchten durch gezierte Künstelei ihre dichterischeFormgcwandtheit zu zeige»! sie bildeten in ihrer Wortuialerci das Rauschen der Wälder, das Rieseln der Bäche, dü Töne des Geschützes und der Trompete nach, sie machten den Versuch, ihre Poesie in die Form eines Reichsapfels oder eines zwcigipfcligcn Parnaß zu kleiden; ihre ganze Dich' tung tritt in vcckünstcltem Schäferstil auf; Hirtcnlicder und Winzcrgcsänge galten ihm» als die höchste und ursprünglichste DichtungSart, die sie denn auch in allen mögliche» Gestaltungen als Schäscrromanc, Allegorien, Sinngedichte, Parabeln, Fabeln P" Anwendung brachten. In geistlichen Eklogcn wurde Christus als Hirte gefeiert, schon Balde und Spee gethan. Aus den Gräueln und der Barbarei der Kriegsjah^- die dem Westfälischen Fricdensschluß vorangingen, flüchteten sich die Nürnberger Dichte in das Phantasiegesilde einer extremen Idealität, „wo nur die Liebe grausame Wunde» schlägt, wo Alles friedlich unter Rosen und an stillen schönen Bächen und in sinnE geschnörkelten Hütten gezierter Gärten beim Klang der Pansflötcn und Schalmeien lel»- und nur verschmähte Liebe oder der Schmerz um ein Lamm das Leben trübt". ^ sind idyllische Landschaftsbildcc im Zopfstil, die nur selten an die Innigkeit eines Cla»^ Lorrain erinnern. Und dennoch hat sich der Pegnitzcr Blumcuordcn bis auf den heu tigen Tag als literarische Gesellschaft in der alten Hcimath des Meistergesanges erhalte»- Es lag unter der schwächlichen Hülle doch ein gesunder Kern verborgen: ein froim»^ christlicher Sinn, deutsche Treue und bürgerliche Tugend, und der Zweck des blumig» Vereins, sittliche Reinhaltung der Dichtung und Förderung der deutschen Sprache leucht^ unter aller Manierirtheit hervor. Von Nürnberg aus verbreitete sich der Geschmack l» die Schäferpoesie auch nach andern Gauen der deutschen Erde, nach Wolfenbüttcl, >"