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III. Deutsche Wissenschaft und Dichtung. 753 Phantasien hincinzicht, das alte Bild von der Gemahlschaft der Seele und dem himm lischen Bräutigam in unendlichen Variationen vorführt, von der klaren nüchternen Verständigkeit des Schlesiers! Nur wo Spce in die geschichtlich-realistische Welt sich wagt wie in denn balladenartigen Gedicht von dein Gottesmann Franz Lavier, „in Ja pan weitcntlegen" trifft er den rechten natürlichen Volkston, und wo er die Liebe Gottes in dm Werken der Natur schildert, werden seine Verse kräftiger und schwungreicher. Ueberall tritt jedoch die mönchische Lebcnsanschauung hervor, die in der Verachtung des Irdischen, in dem Schmachten der Seele nach dem Himmel, in schmerzlicher Reue und Buße den Ausdruck wahrer Frömmigkeit sicht. — Ganz in den Vorstcllungskreiscn und in der Bilderphantasie Spee's bewegt sich auch ein schlesischer Dichter, der im Ge gensatz zu den Opitzianern der mystisch-schwärmerischen Richtung folgte, die gleichfalls, wie wir bei Schwenckfeld und Jacob Böhme gesehen haben, in dein Oderlande eine Stätte hatte — Johann Schcffler aus Breslau, gewöhnlich Angelus Silesius^A^A genannt. Innerer Hang und äußere Beweggründe machten ihn dem Katholicismus ge neigt, daher fiel es den Jesuiten, die das Modcgcschäft der Bekehrungen unter öster reichischem Einfluß und Beistand in Schlesien mit Eifer und Erfolg betrieben, nicht gar schwer, ihn zum Ucbertritt zu bewegen. Er entsagte dem lutherischen Glauben und vertauschte den ärztlichen Beruf, den er bisher geübt, mit dem Priestcrstand. Seine erste Hauptschrift „heilige Scelcnlust oder geistliche Lieder der in ihren Jesum verliebten Psyche" vcrräth schon durch den Titel die neukatholische sinnlich-mystische Richtung eines Mannes, der „die Bereinigung mit der Gottheit zum Kern seiner Lehre gemacht". Da staden wir wieder jenes Schwelgen in dunkeln Gefühlen und symbolischen Bildern, hier und da untermischt mit warmen Herzensergicßungen und innigen Gciuüthsregungen, Me wir sie bei Spee bemerkt haben. Berühmter als die Psyche, bei welcher das Spielen und Tändeln mit sinnlich-religiösen Bildern und Ausdrücken allzusehr vorherrscht, ist der „Cherubinische Wandersmann. Geistreiche Sinn- und Schlußreime zur göttlichen Beschaulichkeit anleitend", eine Sammlung religiöser Sprüche und Sinngedichte, zum Theil aus ültern mystischen Schriftstellern entlehnt, Manches erhaben und tiefsinnig, Manches in unklaren Begriffen einer „geheimen Gottesweisheit" eines Versenken und Aufgehen in Gott sich bewegend. In seinen späteren Jahren führte Schcffler eine leiden schaftliche Polemik gegen die Lutheraner und veröffentlichte eine Sammlung von ncun- unddrcißig Streitschriften unter dem Titel „Ecclcsiologia", die einen solchen Fanatismus und Confessionshaß athmen,daß man darin den Mann des „Einsscins mit Gott" nicht Meder erkennt, daher neuere Forscher zu der Ansicht neigten, jener zelotischc Gegner des Protestantismus sei nicht der Verfasser des „Cherubinischen Wandersmann". Als eine Nachwirkung dieser antilutherischen Polemik kann Schefflcrs letztes Werk betrachtet wer den: „die sinnliche Beschreibung der vier letzten Dinge", geschrieben in der finstern Ab sicht, „die Menschen mit der Vorbildung der ewigen Qualen der Hölle zur Tugend zu schrecken, mit der sinnlichen Ausmalung der himmlischen Freuden zu locken". Auch in den alten Sitzen der Bolkspoesie, in Straßburg, wo die „aufrichtige Die Pegnitzer Tannengescllschaft" die überlieferte Dichterweise sestzuhaltcn suchte, und in Nürnberg, wo^M"' drr „Pegnitzer Blumenorden" und seine Stifter, der gelehrte und weitgereiste Patrizier lNorg Philipp Harsdörfer und der philosophisch und theologisch gebildete Klaj H^sdörfcr s^lajusj aus Meißen der fruchtbringenden Gesellschaft und dem schlesischen Sängersürsten "ts Rivalen gegenübcrtraten, sträubte man sich gegen die unbedingte Unterwerfung unter ue neue metrische Kunstschule. Harsdörfer suchte, auf einen Ausspruch des hollän- vischcn Dichters Vondcl gestützt nachzuweisen, daß Opitz kein echter Dichter sei, weil es ^ an Erfindung fehle und seine meisten Arbeiten nur Um- und Nachdichtungen seien, klein was er selbst und die andern Mitbegründer des „gekrönten Blumenordens" an W-bkr. Weltgeschichte. XII.