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73? kV Literatur und Geistesleben. Böhmens Stellung in der »hilo- so»h. Wis senschaft. Leibniz 1646—171«. ..waren Figuren, die aufgingen und wieder vergingen". Auch als Gott die Engel schul „härter und derber zusainmcncorporirt", auf daß das Licht der himmlischen Natur,, in ihrer Härtigkeit Heller scheinen sollte und daß der Ton des Körpers hell tönctc und schaltete, damit das Freudenreich in Gott größer würde", war die Welt noch sehlloS, ohne Mängel und Sünde. Himmel und Erde und die ganze sichtbare Welt, die als „Gegcnmurf" aus dem göttlichen ..Ungrund" hervorgegangen, wurden durch dieselben Kräfte regiert, durch die sie entstanden waren. Selbst das Böse hatte eine göttliche Wurzel. Sollte die Offen' barung Gottes sich vollenden, so mußte nach Böhme „das Mysterium magnum ilt eine zeitliche Schöpfung cingeführt und in den Elementen sichtbar gemacht werden, auf daß der Geist Gottes mit etwas zu wirken und zu spielen habe". So entsteht die wirkliche Welt, die auch das Böse in ihrem Schooße trägt, zunächst nur als finsteren Grund, weicher nothwcndig ist, um dem göttlichen Licht und Leben Schürfe zu geben, der aber mit der Ausdehnung wachsend auch an Orte gelangt, wohin er nicht kommen sollte. Um dieses Ucbergreifen und Wuchern der Wurzeln und Keime des Bösen, diese Störung der gött lichen Wcltordnung zu erklären, nimmt Böhme zu den mythischen Vorstellungen eines doppelten Sündenfallcs in Lucifec und Adam seine Zuflucht. Auch Lucifer war ur sprünglich ein in Gott gualirender gutgeschaffenec Engel; erst durch seine Schiedlichkcit, durch seinen vom Ganzen sich loslöscndcn Willen „soll sich ein Thcil der himmlischen Welt zur Härte und Herbigkeit zusannnengezogen, die Natur in Gott sich zum Zorneifer entzündet, der grobmateriellc Stoff dieser Welt sich gebildet haben". Das Universum ging damit dem Chaos entgegen, wodurch die zweite Schöpfung nöthig ward, wie sie die Genesis vorführt. Durch den Fall Adams ging der Mensch, welcher die gefallenen Engel ersehen sollte, seiner ursprünglichen hohen Würde und Vollkommenheit verlustig. „Doch erlosch das göttliche Licht in ihm nicht gänzlich, und in Christus erschien es persönlich, um dem Menschen zunächst die innere Befreiung vom Bösen möglich zu ! machen, der am Weitende auch seine äußere Ausscheidung und die Verklärung der Materie zu der ihrem inneren Wesen entsprechenden Gestalt folgen wird". Darum wählte Jacob Böhme das Johanncische Wort: „Unser Heil im Leben Jesu Christi in uns" zu seinem Wahlspruch. Man hat den Görlitzer Theosophcn in der Folge wegen der Fülle tiefsinniger Ge danken, kühner und großartiger Anschauungen allgemein bewundert, ihn den „deutschen Philosophen", den Vorläufer christlicher Wissenschaft genannt. Von dieser Bewunderung ist man in neuerer Zeit zurückgckommen. „Eine nachhaltige Einwirkung auf die wissen schaftlichen Zustände", bemerkt Zeller, „ließ sich von einer Speculation nicht erwarten, welche ohne methodische Uebung des Denkens an die schwierigsten Aufgaben herantrat, die vcrwickcltstcn und umfassendsten Fragen mit unklaren Anschauungen und ungeprüften dogmatischen Voraussetzungen zu lösen unternahm, welche statt scharfer Begriffe eine ver wirrende Maste von schwankenden Bildern, statt wissenschaftlicher Untersuchung phanta- sicvollcDichtungen, statt verständiger Gcdankcncntwickclung apokryphischc Rüthsel darbot". Diesen Ehrenplatz eines Begründers der neueren deutschen Philosophie verdient ein anderer Mann, der mit schöpferischem Geiste universelle Bildung und einen Rcich- thum des Wissens verband, wie kein anderer Gelehrter seiner Zeit, verdient der geniale . Denker und Schriftsteller Gottfr. Wilh. Leibniz, Sohn eines Leipziger Professors. Den Grund zu seiner Bildung legte er in Leipzig, seiner Gcburtsstadt; aber Selbststudium, Reisen, längeres Verweilen zu London und Paris und Verkehr mit den größten Geistern des Auslandes hoben ihn bald über alle seine Zeitgenossen empor. Als junger Mann von einundzwanzig Jahren wurde er von dem früheren kurmainzischen Minister Joh. Christ, von Boincburg, der auch nach dem Austritt aus seinem Amte einer der einfluß reichsten deutschen Staatsmänner geblieben war, in die Dienste des Kurfürsten Joh.