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734 I'. Literatur und Geistesleben. allein und unerreicht, Meister in seiner Kunst, aber erhaben über die profane Zunft, ohne Jünger und ohne Bürgerrecht". III. Deutsche Wissenschaft und Dichtung. l Allgemeines. haben am Ausgang des vorigen Bandes die Zustände kennen gelernt, daskach^-dic nach der Beendigung des dreißigjährigen Krieges und nach dem Abschluß des Deutschlond. westfälischen Friedens im deutschen Reich und in der deutschen Nation obwalteten. Wenn unter so traurigen Verhältnissen das geistige Leben nicht gänzlich er losch, wenn das deutsche Volk nicht hoffnungslos auf das Grab seines ver gangenen Glückstandes hinschautc, vielmehr alle Kräfte anstrcngtc, um ans dem allgemeine» Schiffbruch noch einige Güter zu retten, auf den Ruinen ein neues Dasein zu schaffe», mit dem wirthschaftlichcn Aufbau auch die Culturclenicnte wieder zu sammeln und zu einem neue» Palladium zu gestalten, so darf man in diesem Bestreben einen Beweis erblicken von der kräftigen Natur und dem unge brochenen Lcbensmuthc der deutschen Nation. Freilich haben wir keine so glän zenden Trophäen aufznwciscn, wie das große Nachbarvolk, das in den Tage», da rechts vom Rheine die nationalen Güter zerschlagen und zerstreut wurden, die scinigen sammelte, wahrte und mehrte; dennoch hat auch die deutsche Kunst und Wissenschaft nicht gefeiert, und neben den entlehnten Schätzen auch manches eigene Kleinod zu Tage gefördert und auf den Markt geliefert. Daß das geistige Suchen und Schaffen sich fast ausschließlich in den Ländern zeigte wo die Refor mation Wurzel gefaßt hatte, erklärt sich aus der natürlichen Nachwirkung jenes mächtigen Ereignisses auf das gcsammte Geistesleben, aus den Anregungen, welche die Gedankcnthätigkeit durch dasselbe empfangen, aus de» neuerwecklcn Gefühls- und Empfindnngskräften, zu denen cs die Impulse gegeben. Im Ge gensatz zu dem poetischen Schaffen des Mittelalters, das seine Hauptsitzc iin südlichen Deutschland, am Rhein und an der Donau gehabt hatte, nimmt die neuere Poesie, sowohl die selbständige religiöse als die entlehnte und nachgeahnite weltliche Dichtung, ja auch die philosophische Wissenschaft in den nördlichen Staate», in Schlesien, Sachsen, Brandenburg ihre Wohnstätte; wo im Süden literarische Versuche gemacht werden, habe» sie ihren Ausgang in protestantischen Ländern, in der calvinischcn Pfalz und in dem lutherischen Würtcmbcrg, ein »euer Beweis, daß die Reformation eine That des germanischen Geistes war, daß der Herzschlag ^ der katholischen Welt einer andern Richtung folgte. Zwar hat auch die pro testantische Kirche dem freien Geiste häufig genug Schranken gezogen, jede Regung mit mißtrauischem Auge im Spiegel der dogmatischen Rechtgläubigkeit betrachtet, jede Toleranz und religiöse Wcitherzigkeit beharrlich zurückgewiescn; doch aber hat durch die Verwerfung des päpstlichen Supremats und der kirchlichen Autorität die