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730 ll?. Literatur und Geistesleben. der katholischen und protestantischen Theologie und den unbedingten Aristotclikcrn haben auch namhafte Forscher, wie der uns bekannte Hobbes (S. 268 f.) und der um die Förderung der mathematischen und astronomischen Wissenschaft hochverdiente Gasscndi von naturalistischem Standpunkte aus Einwürfe gegen den Cartcsianischcn Dogmatismus erhoben. Und selbst Blaise Pascal ist, abweichend von Arnauld und anderen Janscnistcn des Pvrt-Noyal, gegen die Grundgedanken seines Zeitgenossen in die Schranken getreten- Die meiste Anfechtung fanden Descartcs' mathematische und physikalische Ansichten-'2n jener Zeit des Schaffens und Werdens, der revolutionären Auflehnung gegen alles Tra ditionelle waren Streitigkeiten unter den Fachgcnossen an der Tagesordnung; aber nicht immer war es der reine Trieb nach Wahrheit, sondern hänfig persönliche Eifersucht und Neid, was die Gemüther erhitzte; weit öfter war die Priorität einer Entdeckung mehr als die wissenschaftliche Behauptung selbst Gegenstand des Streits und der An- seindung- »ndMMe- Weit größer war indessen die Zahl derjenigen Gelehrten, welche sich zu dem br-mcke- Cartesianischen System bekannten oder auf dessen Grund weiter bauten. Der scharfe Dualismus zwischen Geist und Körper, wodurch die thatsächliche» Be ziehungen zwischen psychischen und somatischen Vorgängen selbst unter Annahme göttlicher Beihülfe unerklärlich blieben, konnte nicht verfehlen Bedenken und Widerspruch zu erregen. Diesen zu heben und auszugleichen verschärften die Cartesianer Geulinx und Malebranche die Mitwirkung Gottes bei dem Lebensprozeß; jener indem er lehrte: „Gott habe die menschliche Natur so ein gerichtet, daß Seele und Leib zwar in gar keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen, daß aber in jedem der beiden Theile in jedem Augenblick ganz dieselben Veränderungen vor sich gehen, welche darin Vorgehen würden, wenn sie wirklich auf einander einwirkten", und damit den sogenannten „Occasioualismus" begrün dete, welcher einen continuirlichen Akt Gottes, ein „Wunder" statuirte: „bei Gelegenheit des leiblichen Vorganges rufe Gott in der Seele die Vorstellung hervor; bei Gelegenheit des Wollens bewege Gott den Leib"; Malebranche dagegen, Priester des Oratoriums suchte das dualistische System des Descartcs dadurch auszugleichcn, daß er die körperlichen und geistigen Substanzen, die dieser getrennt und selbständig neben einander bestehen ließ, durch eine thätigcre Einwirkung Gottes, welche die Einheit der Dinge und des Denkens sei, in Wechselbeziehung setzte; „nur Gott könne der Spiegel sein, in dem wir die Kör perwelt sehen, nur von ihm könne unser Körper in Bewegung gesetzt werden". Er kam zu dem Resultate: „daß wir alle Dinge in Gott schauen, der der Ort der Geister sei, indem wir Theil nehmen an seinem Wissen". Gottescrkenutniß sei daher die höchste Weisheit und ein sittlicher Lebenswandel die Folge davon. So führte denn der fromme mystisch angelegte geistliche Philosoph Nie. Uale- ' brauche in mehreren durch Eleganz der Sprache und Darstellung ausgezeichneten Werken „über Erforschung der Wahrheit", „Abhandlung über Natur und Gnade"; „metaphysische und christliche Betrachtungen" u. a. die Cartcsianische Lehre einen Schritt weiter, indem er Geist und Materie, Subjekt und Objekt in einer höheren Substanz zu versöhnen suchte, die Gottheit aus der Stellung eines Causalprinzips, das nur gelegentlich das Leben des