Volltext Seite (XML)
720 kV Literatur und Geistesleben. JuriSpru- de»; u»d Slaate- wiffcnschafr. Bodin 1SS0—1SSS. die ganze Nation für das Königthum schwärmte, da mit der absoluten Monarchie ein Cultus getrieben ward, eine würdige, frcimüthige und charaktervolle Historiographie auskommen? Wie viele Anerkennung man immer dem gründlichen Fleiß eines Jean Mabillon, des Begründers der diplomatischen Wissenschaft zollen mag; so viel Be lehrung die ausführliche Geschichte Frankreichs von dem Jesuitenpater Daniel oder die Kirchcngeschichte des Abbe de Fleury darbictcn mag; von dem Ziele der wahren Ge schichtschreibung sind sie nach Form und Inhalt weit entfernt. Fast sämmtlichc Histo riker gehörten dem geistlichen Stande, meistens dem OrdenscleruS an, und ihr HaUpt- strebcn war dahin gerichtet, die Begebenheiten im Interesse der Kirche und des König- thums darzustellen. Den Charakter und den Genius eines Thukydides oder Tacitus durfte inan in den Tagen eines Louis XIV. bei geistlichen Schriftstellern nicht suchen. Der einzige Mann, der nach Mezcray noch ein Vcrständniß für die Aufgabe und die Tugenden eines echten Geschichtschreibers zeigte, der mit Wahrheitsliebe und unpar teiischem objectiven Sinn an seinen Gegenstand herantrat, war der Hugenotte Rap in de Thoyras, der dem Jnscllandc, das dem Flüchtigen nach der Aufhebung des Nanter Edikts ein Asyl gewährte, seinen Dank durch die charaktervolle Darstellung der Geschichte Englands abtrug. Auch in dem Gang der Rcchtsstudien bemerkt man ein ähnliches Bestreben, die Errungenschaften des Alterthums mit den Zcitbedürfnissen und Zcitidcen in Ucbcrein- stimmung zu sehen, wie bei der Alterthumskunde. Wenn im Zeitalter der Renaissance der uns bereits bekannte Cujacius sX., 691. XI., 432) seine erstaunliche Arbeits kraft dazu verwendet hat, den Zeitgenossen die Pandekten verständlicher und zugänglicher zu machen, indem er den Text durch Vergleichung vieler Handschriften verbesserte, dcn Sinn und die wahre Bedeutung der Rechtsbestimmungen zu erforschen, durch Noten und Commentare zu erklären und festzusetzen sich bemühte, wenn er durch seine Studien und Arbeiten wesentlich zu der systematischen Ausbildung des römischen Rechts und der ge summten Rechtswissenschaft beitrug, unterstützt durch die gleichzeitigen Leistungen ähnlicher Art in andern Ländern (X, 901); so waren die späteren Generationen mehr beflissen, den gehobenen Schatz zu hegen und zu pflegen, die Rechtsinstitute des Alterthums für die Gegenwart nutzbringend zu machen, die Landesrechte an der Hand der römischen Juris prudenz auszubilden, zu ordnen und wissenschaftlich zu gestalten. So wurde in Frank reich eine Verbindung und Durchdringung des römischen Rechts und der Landesrechte angestrebt durch Dumo ulin, der eben so kundig der alten wie der neuen Rechte „die Pariser Cvutumes praktisch commentirte und sich den Namen des französischen Papi- nian erwarb. Von den Begriffen des römischen und des altfranzösischen Rechts aus setzte sich Dumoulin auch dem Vordringen der päpstlichen Autorität entgegen". —' Auch auf die Entwickelung der staatsrechtlichen Ideen übten die römischen Rcchtsan- schauungen ihre Gewalt, um so mehr als sie der Ausbildung des monarchischen Abso lutismus fördersam schienen. Die Ansichten von einem durch Verträge und Volksrechte beschränkten Königthum, wie sie unter den» Einfluß calvinischcr Doctrinen bei einem Languet und Boetie hcrvorgetrctcn (X, 710), wurden durch die revolutionären und anarchischen Bewegungen in den letzten Dccennien des sechzehnten und den ersten dcs ) siebzehnten Jahrhunderts mächtig erschüttert und das absolute Erbkönigthum wie in dcr Wirklichkeit so auch in der Theorie als göttliche Institution, als Fels in dem wogendc» Staatsleben ausgestellt. War doch schon, wie erwähnt, Jean Bodin, ein mit de» letzten Gliedern des Hauses Valois vielfach verbundener Rechtsgelehrter, angesichts dcr Unsicherheit der öffentlichen Zustände zu Ansichten gelangt, die der unbedingten Mon archie sehr nahe kamen. In dem berühmten Werk „vom Staat" untersuchte BodM das Wesen und die Vorzüge und Nachtheile der verschiedenen Staatsformen und rede e