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718 )ff. Literatur und Geistesleben. literarisches wie durch sein praktisch-kirchliches Wirken Gunst und Einfluß bei Hofezu erlangen suchte. „Er verfocht die religiöse Idee, wie sie sich niit dem Staat gleichsam verschmolzen hat. und die einmal festgesetzte Doctrin, mit der Sicherheit, welche wohl' begründete Ucbeczcugung und tieferes Vcrständniß gewähren, in dem majestätische" Ausdruck der Kirchensprache des siebenzchnten Jahrhunderts." Seine „Darstellung (Lxxosition) der katholischen Glaubenslehre" kann als das Programm der gallicani- s scheu Kirche über alle streitigen Doctrinen gelten. Außer seinen geistlichen Trauerreden und polemischen Schriften wider die Protestanten (..die Geschichte der religiösen Ber- ändcrung (Variation«) in der protestantischen Kirche") ist unter Bosiucts didaktisch' rhetorischen Schriften besonders hcrvorzuheben: sein mit Kraft und Beredsamkeit geschriebenes, zunächst für den Dauphin Ludwig bestimmtes Werk über die Weltge schichte (äiseours sur I'llistoirs universelle), der erste Versuch, die Geschichte als ein Ganzes und mit christlich-theologischer Beziehung aufzufasscn, die Wege zu zeigen, auf welchen die göttliche Vorsehung die Menschen geleitet, an der Hand einer kosmo politischen Ucbcrsicht aller großen Weltbegebenhciten die Erziehung dcS Menschenge schlechts nach dem Rathschluß Gottes zu erkennen. Zu dem Ende suchte er einerseits die Vergänglichkeit aller irdischen Größe, anderseits die Anstalten der Vorsehung zur Entwickelung und Erhaltung eines ewig unwandelbaren Glaubens anschaulich zu machen, eine kunstvoll geordnete rhetorisch durchgcführte theologische Tcndcnzschrift, die aber weder dem Historiker noch dem Philosophen Genüge zu thun vermochte. Zn seinem, gleichfalls dem Dauphin bestimmten „Abriß der Geschichte von Frankreich", und in seiner Abhandlung: „Die Politik nach der Heil. Schrift", worin er die Uebereinstimuiung der Formen der französischen Monarchie mit den Aussprüchen der Bibel nachzuweise" suchte, huldigt er einer absolutistischen Staatslehre, welche dem Fürsten unumschränkte Gewalt und Autorität, den Unterthancn als Mittel gegen Willkür und Tyrannei demüthige Vorstellungen und Gebete gestattet. Bossuet trug, wie auch seine gefeierten Mitbewerber um die Palme der Kanzelbcredsamkcit, Flcchicr, Bourdalou u. A. kein Bedenken, die Ausrottung der calvinischcn Ketzerei als eine der prciswürdigsten Thate" des großen Königs zu rühmen. 5. Wissenschaft und Runll. Nicht blos auf den Gebieten der schönen Literatur war das Zeitalter Ludwigs XIV' Gesckichis- ein goldenes, in allen Zweigen menschlichen Wissens und Könnens wurden Anstrcngun- forschung. ^ gemacht, die zu den erfreulichsten Resultaten führten. Es ist bereits erwähnt, weiche Impulse der Minister Colbcrt, ein Staatsmann von weitem Blick und hohem Geiste, i>" Sinne und zum Ruhme seines Monarchen allen Wissenschaften zu geben bemüht war, sei cs durch Slaatsuntcrstützungcn , sei cs durch Gründung gelehrter Gesellschaften und Vereine oder durch Förderung der höheren Bildungsanstalten. Die Naturwissenschaften, die Mathematik, die Astronomie und Geographie nahmen einen erfreulichen Aufschwung, und wenn auch die Alterthumskunde sich nicht mehr auf der früheren Höhe hielt (X, 687 ff.), wenn der größte Kenner und Erklärer der antiken Sprachen und Schrif ten, Claude Saumaise (Salmasius) um der Religion willen das schöne Frankreich mit Holland und Schweden vertauschte und wie schon ein Menschcnalter vor ihm der Genfer Casaubonus in der Fremde sein Grab fand; so wurden doch auch unter Lud wig XIV. die klassischen Werke der griechischen und römischen Welt durch Ausgaben, Commentare und Ucbersctzungcn zugänglicher gemacht. Neben La Bruyere, Fante-- nelle u. a. war die Ucbcrsctzung des Homer durch Frau Dacier ein weitverbreitetes Buch, und der Jesuit Peiresque, der mit den ersten Gelehrten seiner Zeit in brics-