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666 L. Die letzten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. tödtlich beleidigt, zuerst heimlich mit den Kosaken conspirirt hatte, dann mit rache- glühender Seele an den Hof von Stockholm geflohen war, diente dem Schwedcnkomg als Führer und feindlicher Aufstister gegen das eigene Vaterland. Und nun brach die Kriegsfälle von allen Seiten in das polnische Land ein: Russen und Kosaken, Schweden und Deutsche, der Sicbenbürgcr Rakoczy trachteten gleichzeitig die Republik zu ver schlingen. Schon damals tauchte der Gedanke einer Theilung Polens auf. Aber Dank der durch die Geistlichkeit bewirkten Erhebung der Polen selbst und der Eifersucht und Zwietracht der Feinde unter einander ging die Nation, wenn auch mti zerschlagenem Körper doch, lebendig aus dem Todeskampf hervor. Der Zar, der sein Schwert gegen die schwedischen Ostsccprovinzen kehren wollte, schloß mit Polen auf Grund des Bc- Ott. i«56. stehenden in Wilna einen Waffenstillstand. Aus einem Gegner wurde nunmehr Alezci ein Helfer, da er den gemeinschaftlichen Feind Karl X. bekämpfte. Zu diesem freund schaftlichen Verhältniß trug nicht wenig der Umstand bei, daß die polnischen Magnaten dem Zaren mit der Aussicht schmeichelten, nach dem Tode Johann Casimirs würde er zum Nachfolger gewählt werden. Denn der letzte kinderlose Wasa war ein schwaches Reis auf dein rauhen Polenstamm. Als der Schwcdcnkönig wider Dänemark zog, wurde der Krieg gegen Polen und Rußland mit geringerem Eifer fortgesetzt, ohne daß jedoch die Waffen gänzlich geruht hättenaber der Tod des unternehmenden croberungslusti- gcn Fürsten vor Kopenhagen führte zu einer Reihe von Friedensschlüssen, deren Ergeb nisse uns bereits bekannt sind. Durch den Wehlauer Vertrag entsagte der König Johann Casimir der Lehnsherrlichkeit über das Herzogthum Preußen und drei Jahre später in> Frieden von Oliva seinen Ansprüchen aus Esthland und Livland, die nun wieder a» die Krone Schweden fielen, eine Bestimmung, in welche auch der Moskowiten-Zar in dem „ewigen Frieden" von Kardis seinem Gut zwischen Dorpat und Reval) cinging- Ko- Als dieser Friede mit Schweden zum Abschluß kam, war der Krieg zwischen Polen und powiscste und Rußland wieder in vollem Gang. In Warschau erkannte man, welche Schwächung ^ Republik durch den Verlust der Ukrainischen Kosaken erlitten. Rach war die russische Macht nicht so furchtbar, daß man in Polen sich vor einer Erneuerung des Kriegs ge scheut hätte. Es wurden Versuche gemacht, die Kosaken wieder zu gewinnen. Ein Abfall und Rcvolutionsakt hinterläßt nach der Durchführung leicht eine Mißstimmung, die durch persönliche Motive und Aufreizungen gesteigert und zu Parteizwecken benutzt werden kann. Namentlich werden rohe Naturvölker, bei denen Vernunft und poli tische Berechnung hinter den Leidenschaften zurückstchcn, rasch durch momentane Im pulse dahin oder dorthin gelenkt. Bogan Chmelnicki, der während des Krieges aus A»g. 1657. der Welt ging, hatte vor seinein Tode bewirkt, daß die Volksgemeinde seinen sechzehn jährigen Sohn Georg zum Nachfolger wählte; aber dessen Vormund, der ehrgeizige Jo hann Wigowski strebte selbst nach dieser Würde, die er am ersten mit Hülfe des Polcnkünigs erlangen zu können hoffte. In Warschau kam man seinen Anträgen gern entgegen, man war bereit, die Rückkehr des verlornen Sohnes mit einem Vcrsöhmmgs- und Freudenfest zu feiern: in dem mit Wigowski und seinen Parteigängern abgcschlosse- 1658. mm Vertrag von Hadiatsch wurde ausgemacht, daß die Kosaken gegen Zusicherung reli giöser Freiheit und politischer Autonomie wieder unter die Lchnshcrrlichkeit Polens zu- rückkchcen sollten; dafür sollte Wigowski als Hctman anerkannt werden und die Bc- fugniß erhalten aus der Mitte des Volkes einen Ritterstand zu bilden, dem die Rechte des polnischen Adels zukommcn würden. Aber gerade diese letztere Bestimmung, die Wiederholung des früheren Versuchs , in die demokratische Gemeinschaft einen Keil z» treiben, machte den Vertrag unausführbar und erzeugte neue Spaltungen. Sollten die Kosaken, denen die Gleichheit tief im Blut lag. zugcbcn, daß das hohe Vorrecht ihrer Geburt und ihres Stammes durchbrochen und abgeschwächt, daß Einzelne aus ihrer