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664 L. Die letzten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. Zaum halten. Ein verunglückter Versuch, das Werk zu zerstören, bot die willkommene Gelegenheit, mit Strenge vorzugehcn. Der Anführer wurde wider gegebenes Versprechen hingerichtet und die Ausnahmsstcllung durch Reichstagsbcschluß aufgehoben. Die freie Wahl ihres Hctman so wie alle Sonderrechte seien durch die Rebellion verwirkt worden. Fortan sollte der Kronfcldherr alle Obersten und Hanptleutc d. h. alle Behörden in dem militärisch gegliederten, in Regimenter gcthciltcn Gemeinwesen der Kosaken ernen nen und zwar aus dem Adel, kein Unterschied sollte mehr bestehen zwischen einem Ko saken und einem polnischen Bauer, der demokratische Soldatenstaat mit brüderlicher Gleich heit in aristokratischer Weise umgestaltct werden. Nun wurde von den königlichen Rcgic- rungsbcamten und von der katholischen Priestcrschaft um die Wette an der Unterdrückung und Bekehrung der Kosaken gearbeitet und dabei keine Gewaltthat gescheut. Nicht mehr der Metropolite von Kiew, sondern der Papst in Rom sollte als Oberhaupt der Kirche verehrt werden. Der Bogdan Chmelnicki, ein tapferer Kosakenführcr von polni scher Abkunft wurde von einem Starosten seines Gutes beraubt und als er in War schau Klage führte, überfiel der Beamte sein Haus, nahm ihn« sein Weib und heirathele i«i7. fix selbst, nachdem er sie zur katholischen Kirche gebracht. Da rief Chmelnicki die Ko saken zu den Waffen und eröffnetc mit Hülfe der Tataren, jenes mächtigen Bruchtheils der einst so gewaltigen „Goldenen Horde", der in der Krim im alten Taurien unter tür kischer Hoheit ein kriegerisches Nomadenleben führte, einen Kamps auf Leben und Tod gegen die Polen. Der Feldherr Potocki erlitt eine schmähliche Niederlage um dieselbe Mai i«r8. Zejt da Wladislaw aus der Welt ging. Ihm wäre es vielleicht möglich gewesen, den Abfall zu verhüten: denn er war dem tapfern Kosakenführer bisher gewogen gewest» und hatte die Härte und Ungerechtigkeit der polnischen Magnaten verdammt. I» einem Krieg wider die Türken, den er kurz vor seinem Ende iin Schilde geführt, konnte ihm das streitbare Volk wesentliche Dienste leisten. Aber unter dem neuen König, der ganz in der Gewalt des Adels stand, war für das ketzerische und rebellische Volk keine Aug. isio. Gnade zu hoffen. Und wenn auch durch den Zborowschen Vertrag der Versuch einer Ausgleichung gemacht ward, sollte der kluge Chmelnicki gegen die unsichere Zusage einer Amnestie und die Ernennung zum Hctman die Vortheile aus der Hand geben, die ih>» das Waffcnglück und das factiöse Treiben der Adelshäuptcr gerade jetzt eingcbracht? Zudem wollten die Kosaken nicht wieder zur Feldarbeit zurückkehren, nicht wieder der Gewalt der polnischen Magnaten und den Bersührungskünstcn der Jesuiten ausge- setzt sein. So war der Vertrag von kurzer Dauer und die Zukunft auf die Spitze bei Schwertes gestellt. irosak-"von Der Krieg war blutig und wechselvoll; aber wohin sich auch der Sieg Rußland" mochte, die Nation und die Republik trug in allen Fällen Schaden u»d ' Schwäche davon. Und welche Gräuel mußte ein Kampf zu Tage bringen, der zugleich ein Bürger-, ein Racen- und ein Religionskrieg war, und in welche»' wilde mohammedanische Tatareuhaufen und entlaufene polnische und lithauische Bauern unter der Fahne der Kosaken stritten? Der Hctman Chmelnicki selbst gerieth in Sorge über die verwilderten Banden, die nur noch ihren rohen Triebe» und Leidenschaften folgten. Namentlich wünschte er die Tataren los zu werde»- Dies konnte er aber nur bewerkstelligen, wenn er sich entweder mit Polen vcr- söhnte oder eine andere Hülfe anrief. Der erstere Ausweg war für ihn so gut wie verschlossen. Denn in Polen nahm während dieses Krieges die Adclsoligarchie einen solchen Charakter an, daß nicht Verfassung und Gesetz, sondern Anarchie