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VV2 L. Die letzten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. auszuschließen, sie an jedem freien selbständigen Handeln zu hindern. Nicht nur, daß die Gutsherren die eigenen Bauern in harter Leibeigenschaft hielten, sie wallten auch nicht zugeben, daß die Untcrthane» in den Kronländercien bester gestellt wurden. Denn da die Domanialgütcr durch Pacht oder Pfandschafr meistens in adeligen Händen waren, so konnten den Herren aus einer solchen Verschiedenheit Nachtheile erwachsen. Die bäuerliche Bevölkerung sollte die gleiche Knechtschaft ertragen; eine Ungleichheit würde unter den Hörigen der Adelsgüter ein Ver langen nach Freizügigkeit, ein bedenkliches Trachten »ach Veränderung und Be wegung erzeugen. Und sollte die Adelsgenieinde gar das Bürgerthum begünstige», die städtische Bevölkerung, ohnedies so neucrungssnchtig und für Dcmocratic und Gleichberechtigung so empfänglich, durch Beizichung zum politischen Leben mit Begierden und Bestrebungen erfüllen, die sich leicht zu einer gefährlichen Oppo sition gegen den Adel selbst steigern könnten? War es doch eine durch die Geschichte hinlänglich bewährte Erfahrung, daß das Stadtbürgerthum, wo es am öffent lichen Leben einen berechtigten Antheil hatte, mit der Krone gegen die Privilegirtc» gemeinsame Sache machte! So nahm denn das polnische Staatswesen mehr und mehr die feste krystallisirte Form eines Organismus an, in dem alle Lebens kraft in einer Adelskaste concentrirt war, welche der Krone die Bahn ihrer Be wegung abmaß und durch enggezogene Schranken regelte, jedes fremdartige Element mit despotischer Hand niederhielt. Mit Argusaugen wachte die Aristo- cratie, daß die bestehenden Zustände und Einrichtungen keine Veränderung er fuhren, daß die Verfassung der „Republik" Polen rein erhalten, die Freiheiten und Rechte der herrschenden Klasse durch keinerlei Reformen beeinträchtigt oder durchbrochen würden, alle Regierungshandlungen in den engen Formen der Eapitulationsrechte unter strenger Contrvle des Reichstages sich bewegten. Cs wurde dem König nicht gestattet, nach dem Beispiele anderer Potentaten, durch Einführung von Orden oder Titeln, durch gräfliche oder fürstliche Rangerhöhungen die Gleichheit der Adclsgemeinschaft zu stören; die Glieder der polnischen Aristo kratie dünkten sich weit erhaben über alle ständischen Würden und Auszeichnungen des Auslandes, sie hielten sich für Kurfürsten, denn das Staatsoberhaupt war ja nur ein Geschöpf ihrer Wahl, das ihren Willen vollzog. Allein so einträchtig die Magnaten in dein Bestreben waren, die Königsmacht zu schwächen und aste fremden und nichtadeligen Elemente fern zu halten, so parteisüchtig waren sie unter einander, so sehr lähmten sie durch leidenschaftliches Factionswescn, durch Um triebe und Complotte jede nationale Kraftentfaltung, jede obrigkeitliche Autorität, snnu'und^die Wenn unter der Regierung des Königs Wladislaw die äußere und innere Kasak-N. Ruhe wenig gestört ward, so lag die Ursache darin, daß im Westen alle Nationen auf dem großen deutschen Kriegsschauplatz beschäftigt waren, im Osten die Russen ihre Kräfte sammeln mußten, um die durch die langen bürgerlichen Kümpfe und Zerrüttungen empfangenen Wunden zu heilen, und im Innern kein Zündstoff z" politischen Parteikämpfen vorlag. Aber noch ehe dieser König aus der Weit