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656 L. Die letzten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. daß in Zukunft auch Geistlichkeit und dritter Stand eine Stimme im Reichsrath haben würden. Aber war denn eine durchgreifende Verfassungsrcform möglich, so lange die Capitulation, das Palladium des Rcichsraths und Adels zu Rechte bestand? Dem ersten Schritt mußte nothwcndig der zweite folgen. lichk°Dirta- Ein gemischter Ständeausschnß von zwanzig Personen sollte am folgenden »>r. Tag in einem Saale des Schlosses die künftige Staatsordnung in Ucbcrlcgung nehmen: es war eine heiße stürmische Sitzung und herbe Worte wurden ausge stoßen. Die Meinungen und Ansprüche gingen so weit auseinander, daß aus dem Schooße der Versammlung keine Vereinbarung zu erwarten stand. Wen» auch der Fundamentalsatz nicht mehr bestritten ward: „daß das Wahlkönigthui» saimnt der darauf beruhenden Capitulation in Dänemark aufgehoben sein und die Krone Friedrichs III. Nachkommen männlichen wie weiblichen erblich zustchcii solle", wenn man auch den König von dem auf die Verfassung geleistete» Eide zu entbinden für nothwcndig hielt; so verzweifelte man doch bald a» der Mög lichkeit, sich über ein neues Staatsgrundgesetz zu vereinigen, das an die Stelle der bisherigen Handfeste treten möchte. Die Einen wollten möglichst viel von ihren Vorrechten behalten, die Andern die Gleichberechtigung Aller durchgeführt wissen. Bei diesem Zwiespalt der Meinungen gelang cs der sanften einschmei chelnden Beredsamkeit Svaues die Versammlung zu überreden, daß man die ganze Sache vertrauensvoll in die Hände des Königs legen, ihm eine dictatorische Gewalt übertragen sollte, damit er eine neue Ordnung schaffe. Von dem ge rechten, weisen und frommen Sinne des Fürsten sei zu erwarten, daß er Alles aufs Beste einrichten werde; er habe von seine» Vorfahren ein reiches Maß von Tugenden und edlen Eigenschaften ererbt, er habe im letzten Krieg seine Vater landsliebe und seinen königlichen Geist in so glänzender Weise bcthätigt, daß man zu dem Glauben berechtigt sei, er werde das Glück und die Wohlfahrt des Reiches aufs Gewissenhafteste wahrnehmen; man solle dem Wort der Schrift Nachkommen: „wer da hat, dem wird gegeben, auf daß er die Fülle habe". Die treffliche Rede des Bischofs zündet ein den Herzen der Anwesenden, sie zeigte einen Ausweg aus den Irrgänger, der politischen Zwietracht. Reichsrath und Adel hatten erkannt, daß die bestehenden Rechte und Formen nicht inehr in ihrer ganzen Integrität erhalten werden könnten: mußten sie aber Opfer bringen, so durften sie von dem König mehr Billigkeit und Rücksicht erwarten, als von dein Bürgerstand, der die Losung „Freiheit und Gleichheit" ausgegcben; und auch dir Führer der andern Factionen wollten lieber einen Fürsten, der ihnen zu Dank verpflichtet war, zum Ordner des künftigen Staatswesens annehmen, als einen Verfassungskampf heraufbeschwöreu, der leicht Elemente in die Höhe bringen möchte, die ihnen nicht minder gefährlich werden konnten als dem Herrenstand, ir. Ou. So wurde denn noch an demselben Abend eine Urkunde ausgestellt und unter zeichnet, kraft deren Friedrich III. als erblicher König regieren und statt der nun hinfällig gewordenen Capitulationsverfassung eine neue Staatscinrichtung doch