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V. Der Norden und Nordosten Europas. 655 abgeschafft werden; cs gelang dem beredten Bischof, die Besorgnisse seiner College» zu zerstreuen und das einträchtige Zusammengehen beider Stände zu erhalten. Erbreich mit Aufhebung der Capitulation war die Losung. Die Einführung einer Stempelsteuer, zu welcher der Reichsrath den König nöthigte, vermehrte die verbitterte Stimmung unter dem Bürgcrstande. Soll damit der Finanznoth abgcholfcn werden? fragte man ironisch. Wie erstaunte der Rcichs- hosmcistcr Joach. von Gersdors, als ihm am 8. Oktober zwei mit den Unter schriften sämmtlicher Abgeordneten der Geistlichkeit und des Bürgcrstandes versehene Gesuche überbracht wurden, daß man dem König die Krone des Reichs als Erb- kronc anbicten solle. Auch seine herbeigerufencn College» vernahmen das unerhörte Verlangen mit Entsetzen. Es vergingen mehrere Tage in der größten Aufregung. Die hohen Herren bestritten den Abgeordneten das Recht, einen solchen Antrag, der in den zur Verhandlung bestimmten Punkten gar nicht inbegriffen sei, in den Reichstag zu bringen; beide Theile wandten sich an den König, die Einen, daß er den Convent auflöse, die Andern, daß er ihre Bitte gewähre. Auf der Schloßbrücke begegnete der Reichsrath Otto Krag der städtischen Deputation. „Kennt ihr diesen?" fragte er den Führer Nansen, indem er mit drohender Geberdc auf dm blauen Thurm, das Gefäng nis für Staatsverbrecher hinwies. „Was hängt dort oben?" entgegnete der Angeredete auf den Kirchthurm mit der Sturmglocke zeigend. Wie milde und salbungsvoll und doch wie nachdrucksam stoffen die Worte von den Lippen des Bischofs, bald um dem König in feierlicher Audienz die Erbkrone als Dank der Nation für die muthige Hin gabe an das Vaterland anzubicten, bald um die Herzen des Reichsraths und Adels zu rühren, daß sie bei dem großen Werke gemeinsame Sache mit ihnen machen möchten. Seine Worte brachten auf die steinharten Seelen der Magnaten keinen Eindruck hervor, wohl aber die einmüthige Haltung und das feste Auftreten der beiden Stände, von denen keiner wich und wankte. Der Reichsrath hatte seine Weigerung auch damit gerechtfer tigt , daß das Collegium unvollständig sei; da wurde von der Kopenhagcner Bürger schaft ein Gesuch an den König gerichtet, er möge die erledigten Stellen besetzen aber nicht mit Adeligen, sondern mit Gliedern aus dem Bürgerstand und der Geistlichkeit, und mit Richtern und Beamten. Bei der Audienz im Schlosse sahen die Anwesenden mit Erstaunen, daß Hannibal Sehestedt vertraulich mit dem Hofe verkehre und sich freundlich mit Svane unterhalte, ein Beweis, daß dieser Edelmann ersten Ranges sich von seinen Standesgcnoffen wie einst von Corfiz Uhiefeld abgcwandt habe und des Königs Sache zu führen bereit sei. Friedrich hatte nun alle Bedenken überwunden, freudig und entschlossen erklärte er, wenn Rcichsrath und Adel sich nicht mit dem Klerus und Bürgcrstand vereinigten, würde er von den letzteren allein sich zum Erbkönig er heben lassen. Es wehte eine unheimliche Lust in Kopenhagen: „die ganze Landesregie rung stand still, cs war eine Pause des neuen Werdens". Man hörte wohl hie und da herzhafte Aeußcrungcn, daß man eher Gut und Blut hingcbcn als in das Erbreich wil ligen würde; aber man glaubte nicht an solche großsprecherische Bethcuerungcn; denn gleichzeitig suchte mancher in mitternächtiger Stille sich aus der Stadt zu stehlen; die Wache ließ jedoch Niemand zum Thor hinaus, der nicht einen Paß von Bürgermeister Nansen hatte. Zu allem Unglück lag auch der Präsident Gersdors während der Zeit auf dem Krankenbette. Rcichsrath und Adel erkannten endlich die Nothwendigkeit, in die Erb lichkeit der Krone zu willigen; um aber ihre Privilegien durch ein Bollwerk zu schützen, sollte der Wahlcapitulation keine Erwähnung geschehen. In dieser Form wurde am 13. Oktober in einer feierlichen Reichstagssitzung dem anwesenden König die Gabe von dm Wortführern der drei Stände dargcbracht, wobei Nansen die Hoffnung aussprach.