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V. Der Norden und Nordosten Europas. 625 französischem und schwedischem Interesse zuni Krieg gegen den Kurfürsten. Es kam nun ein Bündniß zwischen Polen und Schweden zu Stande, worin die Anzahl der beiderseitigen A»g. Truppen und die Thcilung der Eroberungen festgesetzt war; allein als die Expedition sich mehr und mehr verzögerte, verlor König Johann die Lust, sich mit dem Unternehmen zu befassen. Einstweilen gestattete er, daß im königlichen Preußm durch den Marquis von Bethnne Truppen geworben wurden, um die Schweden bei dem beabsichtigten Einsall zu unterstützen und den Brandenburgern den Ucbergang über die Weichsel zu wehren. Der Kurfürst mar in einer schwierigen Lage: Mit Schweden im offenen Kampf, mit Polen in langjähriger Spannung, von den Franzosen in seinen Clevischcn Besitzungen bedroht und verlassen von allen Bundesgenossen, die um jene Zeit ihren Frieden mit Frankreich schloffen. Allein der tapfere Kurfürst verzagte nicht. Im Spätherbst rückte der schwedische General N°v. >678. Heinrich Horn, gegen die preußische Grenze vor und gelangte bald bis Tilsit, Inster burg und Wchlau, ohne daß die schlcchtbcwaffncte und ungeübte Landmiliz Widerstand geleistet hätte; cs fehlte sogar nicht an landesverrätherischen Verbindungen mit den Feinden. Der Kurfürst schickte alsbald die verfügbaren Truppen unter dein General Görzkc voraus, um Königsberg zu decken, und zog dann in der grimmigen Winter kälte selbst an die Ostgrenze seines Reichs, mit ihm die alten bewährten Heerführer, Jan. isrv. Dcrfflingcr, Schöning u. A. Im königlichen Preußen ließ er die strengste MannSzucht halten, um die Polen nicht zum Krieg zu reizen. Auf die Kunde von seiner Ankunft wichen die Schweden, von Kälte und Mangel schwer mitgenommen und der erwarteten polnischen Hülfe beraubt, schon wieder zurück. Die brandenburgische Reiterei folgte ihnen auf der Ferse nach, mit ihr die erlesensten Fußtruppcn, der Schnelligkeit halber auf Schlitten sortgcschafft. Das war die berühmte „bewaffnete Schlittenfahrt", ein Feldzug voll unerhörter Drangsale, in einein unwegsamen, dürftig bevölkerten und wenig Nahrung bietenden Lande, in eisiger Wintcrkälte. Quer über das gefrorene frische und kurische Haff ging die wilde Jagd nach Königsberg und Tilsit, die Generale Gvrzke und Henning von Treffenfcld immer voran; der Rückzug der Schweden, die abermals durch die brandenburgische Schnelligkeit in Bestürzung gerathcn, wurde immer flucht- ähnlicher und zuchtloser. Eine eigentliche Schlacht gab es nicht aus diesem Feldzug, aber zahlreiche kleine Gefechte und unerhörte Strapazen aller Art, die mehr Menschen weg- rafftcn als das Schwerdt. Leichen, zurückgelassene Geschütze, wcggcworfene Waffen be- zeichneten den Weg. Mit kaum 1500 Mann gelangte Horn endlich nach Riga, bis unter Sebr. leig, die Mauern dieser Stadt von den brandcnburgischcn Reitern verfolgt. So waren die Schweden in zwei großen Feldzügen niedergeworfen. AberI^^,"» die herrlichen Waffcnthaten brachten keine Frucht. Als Kaiser und Reich den ">->>». schimpflichen Frieden zu Nymwegcn mit Frankreich abschlossen und der aus dein Höhepunkt seiner Macht stehende Ludwig XIV. gebieterisch die Beendigung des Kriegs verlangte, mußte auch der Kurfürst nachgeben (S. 398). Die Pariser Staatsmänner beharrten dabei, das verbündete Schweden in seinem vollen Besitz herzustellen, die französischen Heere bedrängten die rheinischen Besitzungen des Kurfürsten aufs Acußcrste und drohten, wenn nicht alsbald Friede geschlossen kerbe, mit aller Macht die brandenburgischen Kernlande anzugreifen. Schritt für Schritt und schweren Herzens mußte der geheime Rath Meinders, der bran denburgische Unterhändler, von seinen Ansprüchen zurückwcichen. Selbst Stettin, dessen Besitz der Lieblingswunsch des Kurfürsten gewesen, war nicht zu halten, auch nicht für das Angebot, Cleve an Frankreich abzutretcn. Webrr, Weltgeschichu, XII. 40