620 L. Die letzten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. rühm und Ländergewinn zu erwerben; dort war ein ehrenhafter Krieg zu führen, während am Rhein im Bunde mit Oesterreich nur Demüthigung und Schmach zu holen war. Gleichwohl übereilte sich der klug berechnende Fürst nicht mit der Rückkehr in seine Lande; hätte er alsbald vom Krieg gegen Frankreich abge- lassen, so hätten ohne Zweifel die Schweden sein Gebiet ohne weitere Feindselig« keiten wieder geräumt. Die Diversion war ja ursprünglich nur das Ziel des Einfalls. Der Kurfürst aber wollte den alten Streit diesmal aussechten; ein ehrenvollerer Anlaß, mit Schweden gründlich abzurechncn, konnte sich nicht bieten. Zunächst ließ er wieder alle diplomatischen Fäden spielen; an den Kaiser, an die Reichsfürsten, an Holland, Dänemark, England wandte er sich um Unterstützung; allein er fand überall kühle Abweisung oder doch wenig Ernst und Aufrichtigkeit. Mai IV75. Der Kurfürst ging selbst nach dem Haag und erhielt dort auch die Zusicherung von Hülfe zur See, wie auch einige benachbarte deutsche Fürsten in Bremen cin- zufallen bereit waren. Allein im Wesentlichen mußte der Brandenburger doch auf seine eigene Kraft vertrauen. In aller Stille wurden min die Vorbereitungen getroffen; das Heer hatte sich in den fränkischen Quartieren erholt und durch neue Werbungen verstärkt. Ende Mai wurde der Marsch über den Thüringer 21. Juni. Wald angetretcn; bald war Magdeburg erreicht, und unaufhaltsam ging cs weiter, die Reiterei und ein auserlesenes Fußvolk auf Wagen voran, auf grund losen Straßen, durch strömenden Regen. Es galt die schwedische Linie an der Havel durch einen plötzlichen Ueberfall zu durchbrechen, die getrennten Hecrab- thcilungen an der Vereinigung zu hindern und sie einzeln zu schlagen. Die ^Rathenow' Schweden hatten nicht die mindeste Kunde von dem Heranrücken der Branden burger; das rasche Vorgehen der schneidigen Kriegsmänner war vom beste» Erfolge gekrönt. In aller Stille gelangten sie vor Rathenow, den Mittelpunkt schwedischen Aufstellung, und ein kühner Handstreich lieferte den wichtigen Havelpaß in die Gewalt des Kurfürsten. Der Marschall Derfflinger, damals ein Mann von fast siebzig Jahren, gewann, indem er sich für einen flüchtige» schwedischen Offizier ausgab, die Havelbrücke; gleichzeitig drangen andere Trup- penabthcilungen unter dem Kurfürsten selbst und seinen besten Generalen vo» verschiedenen Seiten in die Stadt; es entbrannte ein wilder Straßenkampf und nach andcrthalbstündigem Gefechte war die finnische Besatzung vollständig nieder gehauen und zersprengt. Das war der in der preußischen Kriegsgeschichte vielge feierte Ueberfall von Rathenow, der die beiden Flügel des schwedischen Heeres in Havelbcrg und Brandenburg aus einanderriß. Cs galt nun, ihre Vereinigung zu hindern, ihre Trennung zu benutzen. SckNacht^bci Während die beiden schwedischen Hauptcorps den Rückzug antraten, I»n hinter dem Flüßchen Rhin ihre Bereinigung zu vollziehen, schickte der Kurfürst kleine Streifschaaren voraus, welchen es gelang, die Pässe bei Fehrbelli», Kremmen und Oranienburg zu zerstören oder zu besetzen. Ohne die Ankunft seines Fußvolkes abzuwarten, das zum größten Theil noch von Magdeburg