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602 L. Die letzten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. Gregorio Lcti hatte sich für seine schmcichclndc und oberflächliche Geschichte des Hauses Brandenburg der kurfürstlichen Gunst zu erfreuen. — Kirchlich-«. Eine wohlthucndc Erscheinung in jener Zeit des engherzigsten Konfessionshasses und der widerwärtigsten dogmatischen Streitigkeiten ist auch der aufgeklärte und duldsame Sinn des Kurfürsten in religiöser Hinsicht. Waren ja doch die brandenburgischen Fürsten als reformirte Herren lutherischer Länder von selbst auf eine weitherzige Auffassung con- fessioncllcr Dinge angewiesen. Für viele um des Glaubens willen Verfolgte waren die brandenburgisch-prcußischcn Lande eine Zufluchtsstätte und der Kurfürst schützte sic trotz des Eiferns der rechtgläubigen Priester. Selbst die vielverketzerten aus Polen vertrie benen Socinianer wurden thatsächlich in Preußen geduldet, und wegen ihres stillen, ehrbaren, fleißigen Wandels geschätzt, wenn gleich der Kurfürst dem Verlangen der Stände nachzugeben und offiziell ein Verbot gegen sie zu erlaffen gerathcn fand. DaS Lästern und Schmähen der resormirten und lutherischen Geistlichen gegen einander, das Verfluchen und Verleumden des entgegengesetzten Bekenntnisses von den Kanzeln herab war ihm ein Gräuel und er ließ cs sich nach Kräften angelegen sein, die Ausbrüche des geistlichen Fanatismus zu verbieten und zu bestrafen; den Besuch der Universität Wittenberg, wo damals eine maßlose lutherische Orthodoxie gelehrt wurde, verbot er allen seinen Unterthanen. Als ein schönes Ziel erschien ihm stets die gänzliche oder doch möglichst weitgehende Bereinigung der beiden protestantischen Bekenntnisse; aber die Zeloten jener Zeit brandmarkten alle Versuche zur Friedensstiftung als „Synkretismus" und gottlose Religionsmengcrci. Die Religionsgespräche, die er anordncte, führten zu keiner innerlichen Einigung, doch hielt des Kurfürsten strenges Wort die geistlichen wo«.'Eiferer einigermaßen in Schranken. Eine kurfürstliche Verordnung, welche das gegen seitige Schmähen und Verlästern von den Kanzeln verbot, vor absurden und boshaften Conscquenzen aus den Lehren der Gegner warnte, den Streit über die Gnadenwahl insbesondere untersagte, die Taufe ohne Exorcismus gestattete, wurde allen Pfarrern der Mark zur Unterschrift vorgclegt, erregte aber unter der lutherischen Geistlichkeit laute Klagen über Gewissenszwang und Glaubensdruck. Gleichwohl Unterzeichneten die meisten den Revers aus Furcht ihr Amt zu verlieren. Einzelne, die es aus Gewisiensbedenkc» weigerten, wie der geistliche Liederdichter Paul Gerhard und der fanatische Archidiaco- nus Reinhardt in Berlin, wurden wirklich ihres Amtes entsetzt, ein Schritt, der den» Kurfürsten, trotzdem er sich alle Mühe gab den berühmten Kirchendichtcr zu halten, und bald auch den Zwang der Reverse aufhob, sehr verdacht wurde. — In die Zeit der katho lischen Conversionen während der letzten Regierungsjahre des großen Kurfürsten fällt auch die Abfassung der „Lehnin'scheu Weissagung" über das Haus Hohenzollern und die Mark Brandenburg, Wünsche eines ultramontanen Gcmüthcs als Prophezeiungen ausgesprochen, aus der Vergangenheit die Zukunft deutend. Die neueste Forschung glaubt in dem bisher unbekannten Verfasser nicht einen Mönch des dreizehnten Jahr hunderts, sondern den im Jahr 1668 zum Katholicismus übergetretenen und nach Prag auSgewanderten Berliner Consistorialrath Andreas Fromm zu finden. 2 Die nordischen Rriege der fünfziger Jahre, a. Der polnische Krieg sckwed"-p°^ Mit Karl ^ von Pfalz-Zwcibrücken, der mit Leib und Seele bei» Kriegs.' Waffenhandwerk ergeben war, schlug Schweden die einige Jahre unterbrochene kriegerische Bahn wieder ein und erfüllte bald aufs Neue den Norden