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IV. Frankreich und die neue europäische Coalition. 593 behauptete, weil sie in frühere Abtretungen einbegriffen wären, die Erwerbungen in Catalonien aber und die Festung Luxemburg herauszugeben sich bereit erklärte. Um so fester glaubten die Verbündeten, insbesondere der Kaiser, die deutschen Reichsfürsten und König Wilhelm III. auf der Einhaltung des westfälischen und »Ymwcgcr Friedens bestehen zu müssen. Allein auch dieser Standpunkt konnte nicht eingehalten werden: da England kein besonderes Interesse für das Gleich gewichtsprinzip zeigte, überhaupt sich mit Widerstreben in die continentale Kriegs- Politik einmischte, die Generalstaaten aber mehr Werth auf den vorthcilhaften Handelsvertrag legten, den ihnen der französische Monarch in Aussicht stellte, als auf die Rückgabe der Reunionen; so mußten der Kaiser und seine Verbün deten von dem Gedanken einer Restitution Straßburgs und der übrigen Städte im Elsaß an das Reich abstehen, wollten sie nicht erleben, daß die Seemächte sich durch Separatvertrüge von ihnen trennten, wie einst die Holländer in Nymwegen. Und als es, wie wir gesehen haben, der französische König über sich gewann, den Oranier, wenn gleich in einer Form, welche die widerstrebende Zurückhaltung verrieth, als König von England anznerkennen, was blieb da für den Kaiser und die deutschen Fürsten anders übrig als den Elsaß mit der wichtigen Rheinstadt in den Händen Ludwigs XIV. zu lassen, den Cardinal von Fürstenberg wie der in seine Güter und Rechte einzusetzen und ihm und seinen Verwandten und Anhängern volle Amnestie zu crtheilen? Man mußte zufrieden sein, daß Ludwig als Ersatz die Städte Freiburg und Breisach an das Haus Oesterreich, Philippsburg und alles, was die Franzosen außerhalb des Elsaß eingenommen, an das Reich zurückerstattete, die Territorien des Herzogthums Zweibrücken den früheren Besitzern einräumte und in die Wiedereinsetzung des Herzogs Leopold, des Sohnes von Karl IV. in Lothringen willigte. Der neue Fürst vermählte sich Mit einer Nichte Ludwigs, der Tochter Philipps von Orleans und der Pfälzer »Liselotte" und wußte sich mit Klugheit und Vorsicht unter schwierigen Verhältnissen gegen die französische Ländergier bis zu seinem Tod (1- 1729) zu behaupten. Unter welchen Bedingungen Leopolds Sohn und Nachfolger Franz Stephan das Land seiner Väter abtrat, werden wir später erfahren. Und noch in der letzten Stunde mußte Deutschland sich in Ryswick eine weitere Demüthigung gefallen laßen. Zn das Friedensinstrument wurde eine Klausel einge- Klausel, fchaltet, wonach in allen protestantischen Ortschaften, welche die Franzosen während des Krieges vorübergehend oder dauernd besessen, der katholische Cultus geduldet werden fällte. Vergebens widersetzten sich die evangelischen Stände dieser „dem Reiche obtru- dirten Ryswicker Clausel"; von den Verbündeten verlassen, von dem Hause Oesterreich dmathen und zurückgestoßen, mußten sie, wie einst der Brandenburger in Nymwegen, von ihren gerechten Ansprüchen abstehen. Wie hätten sie allein dem waffenstarken Frankreich, das mit der Erneuerung des Krieges drohte, widerstehen können? So wurde denn das Friedensinstrumcnt mit der verhängnißvollen Clausel unterzeichnet und damit eine Leidensgeschichte für die Protestanten der Pfalz geschaffen. Wo nur irgend einmal ein Feldprediger Messe gelesen, da sollte fortan der KatholicismuS zu Recht bestehen. Als von protestantischer Seite lebhaft die Herstellung der früheren Rechtszustände in W-b«i, W-Ug-schichlt. LII. 38