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450 L. Die letzten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. sammen, uni an ihren Drängern Rache zu nehmen. Die Gegner belegten sie mit dem alten Spottnamen „Kuruczen" (IX, 225). Die von den kaiserlichen Richtern und Beamten bedrohten Cdelleute flüchteten massenweise nach Siebenbür gen, wo sie an Franz Rakoczy, Emerich Tököly und Michael Teleky unterneh mende Führer fanden und durch den Fürsten des Landes, Apafy mit den Türken aufs neue in Verbindung traten. In seinem Gartenhause empfing der Groß- wesir die Abgesandten und gab ihnen heimlich günstige Zusagen. Mittlerweile war der große französische Krieg ausgebrochen. Wir wissen, wie treulos der erkaufte Lobkowitz die Sache des Kaisers und Reichs verrieth. Die Strafe er reichte ihn endlich. Von Leopolds Ungnade betroffen und von dem Fluche des Volkes begleitet, verließ er in einer finstern Oktobernacht die Donaustadt, um auf seinem Gut Radnitz in Böhmen wie ein Verbannter zu leben. Für Ungarn war jedoch dieser Wechsel von wenig Einfluß; hier hatte das Bedrücknngssystem nach wie vor seinen Fortgang; daher nahm auch von den Zeitverhältniffcn begünstigt der Widerstand eine drohendere Gestalt an. Noch ehe der Weltkampf im Westen zu Ende war, entfaltete Emerich Tököly die Fahne der Empörung in Sieben bürgen und Oberungarn. In Kurzem stand ihm eine beträchtliche Streitmacht von Emigranten, Aufständischen und Söldnern zur Seite. Kühn, unterneh mend, von gewandter Rede und gewinnendem Wesen, war der junge Graf zum Jnsurgentenführer geboren. In Constantinopel, wo mittlerweile Ahmed Köprili gestorben war und sein Schwager Kam Mustafa, ein ehrgeiziger Mann, der im Geiste seiner beiden Vorgänger nach Waffenruhm dürstete, das Amt eines Groß wesirs erlangt hatte, lieh man jetzt den Vorstellungen der Insurgenten ein geneig teres Ohr. Ludwig XIV., der es gern sah, wenn die kaiserlichen Waffen im Osten beschäftigt waren, damit er am Rhein desto freier schalten könnte, ließ den ungarischen Patrioten Unterstützung an Geld und Truppen versprechen, wobei der Marquis von Bethune, der Schwager des neuen Polenkönigs Johann So- bicsky, dermalen französischer Gesandter in Warschau als Vermittler diente. Aus den Bergstädten Oberungarns wurden die österreichischen Besatzungstruppen vertrieben; im Verein mit dem Marquis von Boham, der mit französischem Geld polnische Söldner in Dienst genommen, eroberte Tököly Kremnitz und Schemnitz und richtete bereits seine Blicke gen Pceßburg. Neue Dukaten ans dem erbeuteten Golde geprägt, trugen Tököly's Brustbild mit der Aufschrift „für Religion und Freiheit", andere bezeichnet Ludwig XIV. als „Beschützer der Ungarn". D-r Oed-I>. In Wien gerieth man in Unruhe. Man berief Abgeordnete des königlich R-ichsia" gesinnten Herrenstandes zu einer Berathung nach Preßburg. Als diese vor allen Dingen auf Beseitigung der rechtsverletzenden Neuerungen und Herstellung der verbrieften Verfassung drangen, fuhr sie der Kanzler Hocher mit so heftigen Worten in- und kränkenden Vorwürfen an, daß sie beleidigt nach Hause zurückkchrtcn. Nach dem Abschluß des Nymwegcr Friedens gestalteten sich die Dinge günstiger für