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438 L, Die letzten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. des Linzer Friedensvertrags wieder auszulöschen. Die Beschwerden der Pro testanten häuften sich dergestalt, daß sic den Reichstag ganz in Anspruch nahmen und der Befehl erlassen werden mußte, die religiösen Dinge nicht mehr vor die allgemeinen Stände zu bringen, sondern in den Comitats-Versammlungcn zu erledigen. Ein zweiter Gegenstand ewiger Klagen war die Cinquartierungslast. Die Ungarn wollten nicht zugeben, daß das einheimische Militär zu Kriegs diensten außer Landes gebraucht werde, und verlangten doch, daß die österreichischen Erblande zum Unterhalt der stehenden Truppen beitragen sollten. Da zog man cs denn in Wien vor, deutsche Regimenter in die ungarischen Garnisonsstädte zu verlegen und dem Lande die Verpflegung aufzubürden. Die Besatzungs truppen waren aber in Oberungarn und Siebenbürgen sehr verhaßt zum Theil aus nationalen Antipathien, besonders aber auch, weil unter ihrem Schutze Priester und Jesuiten für ihr unduldsames und fanatisches Treiben ein weites Feld fanden. So herrschte in den Städten wie unter den Magnaten eine ver bitterte Stimmung gegen Oesterreich, welche künftige Stürme vornussehcn ließ. ^R-ko-jy m Denn es wehte im ganzen Osten eine unheimliche kriegerische Luft. Georg Rakoczy II. wurde von seinem unruhigen Ehrgeiz zu Unternehmungen fortgerissen, die weit über seine Macht und Befähigung gingen. Im Vertrauen auf seine Reichthümer, die es ihm möglich machten, Heerhaufen von verwegenen Gesellen, von Abenteurern und verlaufenen Leuten in seinen Dienst zu nehmen, und ver lockt durch die Zerfahrenheit und Unsicherheit der öffentlichen Dinge in, der öst lichen Welt, suchte der bewegliche Fürst die politische Lage zur Ausdehnung seiner Herrschaft, zur Erwerbung einer Königskrone für sich und sein Haus zu benutzen. Durch die Einmischung in die zwieträchtigen Nachbarländer erwarb er sich die Oberherrlichkeit über die Moldau und Walachei und nahm dann Theil an dem schwedisch-polnischen Krieg zwischen Karl Gustav und Johann Casimir. Wir werden diese Vorgänge später kennen lernen. Von beiden kriegführenden Königen um Hülse angegangen, ergriff Rakoczy nach einigem Schwanken und Erwägen Partei für Schweden und wurde dadurch in Feindseligkeiten mit den Polen und Tataren verwickelt, die für ihn verhäugnißvoll werden sollten und ihn zugleich mit der Pforte entzweiten, welche dieses eigenmächtige Vorgehen ihres Vasallen mißbilligte. Der Feldzug gegen Polen fiel unglücklich aus. Während der Fürst selbst so sehr ins Gedränge kam, daß er sich die sichere Heimkehr durch einen Juli >«s7. schimpflichen Frieden erkaufen mußte, ward sein Feldherr Johann Kcmeny, welcher mit einer andern Heerabtheilung in Podolieu eingefallen war, von den Tataren, den Verbündeten des Polenkönigs, umringt und konnte nicht verhindern, daß seine Soldaten sämmtlich nach der Krim in Knechtschaft geführt wurden. Nur durch ein großes Lösegeld, welches Rakoczy aus eigenen Mitteln aufbringen mußte, konnte ihre Befreiung und Rückkehr erlangt werden. Damit begann für Siebenbürgen und das Fürstenhaus eine schwere Zeit, ein „Schrecken ohne Ende." Während Kaiser Leopold, der mit Johann. Kasimir von Polen einen Kriegsbund