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II. Oesterreich, Ungarn, die Türkei. 435 konnte gar nicht einporkoiiiiiien. So blieb denn Ungarn-Siebenbürgen im gan zen siebcnzehntcn Jahrhundert ei» Ländcrconiplex ohne weltgeschichtliche Lebens- Norgänge. Denn die fortwährenden Kämpfe zwischen deutsch-österreichischen und türkischen Heeren, von Zeit zu Zeit durch mehrjährige Slillstandsverträge unter brochen, bieten in ihren einförmigen ländcrverwüstenden Gräueln weder ein mili tärisches noch ein historisches Interesse. Die rege Theilnahmc, die das Waffen leben mit seinen Thaten und Gefahren, seinen Anstrengungen und Wcchselfällcn sonst der Menschheit cinflößt, konnte nur in seltenen Fällen geweckt werden. Die Habsburger Kaiser nannten sich Könige von Ungarn und sandten von Zeit zu Zeit Stellvertreter in das Land, die als „Palatine" von Prcßburg aus das hohe Herrscheramt verwalten sollten; aber im Osten der Theiß und Donau, in Nieder- ungarn und Siebenbürgen galt das Wort des Pascha von Ofen und der türki schen Clientclfürsten im Berglande „jcnscit des Waldes" mehr als das des fernen Königs und seines Statthalters. Wir sind im Laufe dieses Werks schon mehreren Namen begegnet, die von dem Meben- vstlichen Lande aus eine weltgeschichtliche Stellung sich errungen haben: Baton, Bocs- kai, Gabor, denen sich die Rakoczy anreihen. Zwischen der österreichischen und tür kischen Oberherrschaft sich mit Klugheit und Kraft durchwindend und bald an die eine bald an die andere Macht sich anlehnend, haben die Fürsten von Siebenbürgen und Ostungarn die einzige Autorität besessen, die in dem Lande der Zerfahrenheit, der Par teiung, der Anarchie und Selbsthülfe noch einige Anerkennung sich zu verschaffen ver mochte. B o cskai strebte nach einem engeren Bunde mit Oesterreich: Wir wissen, daßBocskoi. er mit Kaiser Rudolf den Wiener Frieden schloß, der den Adeligen und Städten freie Rcligionsübung zugestand und daß er auch die Türken zum Abschluß des zwanzig jährigen Fricdensvcrtrags von Zsitwa-Torok brachte. (XI, 808 f.) Allein wie konnte bei dem Hader im kaiserlichen Hause von einer Befestigung oder Ausdehnung der öster reichischen Macht im fernen Osten die Rede sein? Der gute Wille der Pforte mußte durch Jahrgeldcr theuer erkauft werden; die Magnaten leisteten nur Dienste, wenn es ihrem Vortheile oder Parteistandpunkte dienlich war; der Wiener Friede sicherte die Augsburgischcn und helvetischenConfesstonsverwandtcn so wenig gegen Rechtsverletzungen als der böhmische Majcstätsbrief ihre Glaubensgenossen in Böhmen. Ferdinand II. erlangte die ungarische Krone nur nach Unterzeichnung einer Capitulation, welche seine Königsrcchte stark beschränkte (XI, 8l9, 823) ; der unternehmende, aber wandelbare Fürst Bethlen Gabor vermochte mehr als der ferne, vielbeschäftigte Habsburger. Bedien Während dieser nach der Capitulation keine fremden Truppen in Ungarn halten durfte, konnte Bethlen Gabor die einheimischen Strcitkräfte in seine Dienste ziehen. Hätte der an Ränken und Projekten reiche Mann seine Stellung in den ersten Jahren des langen deutschen Krieges mit staatsmännischer Umsicht und planmäßiger Energie benutzen wollen, er hätte auf das Schicksal Europas einen entscheidenden Einfluß üben können (XI, 838, 912). Als er den Schweden die Hand reichen wollte, starb er (XI, 928). 102». Bethlen Gabor liebte Bildung und Kunst. Er rief den Dichter Opitz nach Siebenbürgen und wußte sich in lateinischer Sprache mit Leichtigkeit und Zierlichkeit auszudrücken; er spielte die Laute und Violine. Bon seiner Hochzeitsfeier mit Katharina von Branden burg (1626) hat sich ein ausführliches Tagebuch erhalten mit genauer Beschreibung aller Festlichkeiten. Aber die Prinzessin machte im fernen Osten dem deutschen Namen so wenig Ehre, wie einst im Westen die sächsische Gemahlin des Prinzen von Oranicn, 28*