426 L. Die letzten Jahrzehnte des t7. Jahrhunderts. den Bedingungen eine weitere Ausdehnung zu geben? Wer sollte ihm entgegen- tretcn? Spanien lag kraftlos zu Boden, mit Mühe wurden die aufrührerischen Elemente in den Provinzen nicdcrgehalten. Das deutsche Reich war uneinig und die Fürstenhöfe käuflich. Konnte man doch in Versailles ernstlich den Gedanken fassen, durch Ludwigs Einfluß auf die deutschen Fürsten sei cs möglich dem Dauphin die Würde eines römischen Königs zu verschaffen. Die unzufriedenen Magnaten in Ungarn hatten in ihrem Kampfe gegen Oesterreich ihre Blicke auf Paris gerichtet; in Constantinopel war der französische Einfluß mächtig genug, um die Pforte unter die Waffen zu rufen, sei es zur Unterstützung der auf ständischen Magyaren, sei es zum Kampfe wider Rußland, wenn dasselbe einen Angriff auf Schweden unternehmen wollte. In Polen regierte Johann Sobiesky, der seine Bildung in Frankreich empfangen hatte und durch seine französische Ge mahlin wie durch die eigene Neigung mit dem Hof von Versailles in Verbindung gehalten wurde. In Lissabon, in Turin, in so manchen andern Residenzen herrschten französische Sympathien; die Stuarts in England waren durch per sönliche und religiöse Interessen an Ludwig XIV. gefesselt. Die Schweizer Eid- genoffen hatten an dem Eroberungskriege mitgcwirkt und buhlten um die fernere Gunst und um die Jahrgelder des reichen Monarchen. Tic Reumo- Ermuthigt durch die auf dem Friedcnscongrcß erlangten Erfolge setzte nun- issi.' mehr der französische König durch die sogenannten „Reunionen" dem System eigen mächtiger Gcwaltthätigkeiten die Krone auf. Hatte er schon, wie erwähnt, während deS Krieges die zehn elsässischen Landvogteistädte unterworfen und befestigen lassen, und Ritterschaft und Bürger durch einen Huldigungseid zu unmittelbaren Uuter- thanen des französischen Selbstherrschers gemacht; so wurde jetzt die Behauptung aufgestellt, eine Anzahl Herrschaften, Gebietstheile, Territorien und Ortschaften seien als ehemalige Pertinenz- und Dependenzstücke der durch die Friedensschlüsse von Münster und Nymwegen an Frankreich gefallenen Landschaften, Städte, bi schöflichen Diöcesen in der Abtretung inbegriffen, da in den Friedensverträgcn ausgesprochen sei, daß diese Gebiete mit ihren Distrikten der französischen Sou- veränetät unterstellt sein sollten. Die unbestimmte vieldeutige Fassung mancher Artikel und Ausdrücke bot der Anmaßung und Herrschsucht eine geeignete Hand habe. Um dem Gewaltstreich einen Schein von Recht zu geben, ließ nunmehr Ludwig in Metz, Besancon, Doornik und Breisach „Reunionskammern" zur Er mittelung dieser Pertincnzstiicke errichten und ward somit Kläger. Richter und Vollstrecker in Einer Person. Die Bischöfe von Metz, Toul und Verdun, „ohne hin Geschöpfe von Ludwigs Hand" wurden zunächst aufgefordcrt, ein Verzeich niß von den Gütern und Lehen aufzustellen, die einst zu ihren Kirchen gehört, sich aber im Laufe der Zeit der bischöflichen Oberhoheit entzogen hätten. Sie brachten eine namhafte Liste zusammen. In ähnlicher Weise wurde auch an andern Orten verfahren. Und nun machte der König den Grundsatz geltend, daß die Rechte des Reichs sämmtlich an die souveräne Krone Frankreichs übergegangeu