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I. Spanien und Portugal im 17. Jahrhundert. 313 Stadt mit dem Ruf: „Es lebe König Affonso! Tod den Juden und Berräthern!" Anonyme Schmähschriften mehrten die Aufregung, bis das Toleranzedikt widerrufen und durch ein päpstliches Breve die Wirksamkeit der Znquisitionsgerichte hergestellt ward. In der bewegten Zeit der sicbenzigcr Jahre, als durch den Herrscherstolz Ludwigs XIV. ganz Europa unter die Waffen gerufen wurde, war Lissabon g-gcnüber ein Hauptheerd politischer Jntriguen und diplomatischer Thätigkeit. Spanien, u! Frankreich, England bemühten sich um die Wette, die portugiesische Regierung zu Bündnissen zu bewegen. Ludwig XIV. hatte einflußreiche Alliirte an den Jesuiten und an den zahlreichen französischen Damen, welche in die Fainilien des höchsten Adels verheiratet waren; und auch die Königin Marie Francisca und ihr Gemahl Pedro neigten zu Frankreich; aber die Furcht vor den Jntriguen des spanischen Hofes, der sich auf die klerikalen und populären Sympathien stützen und leicht eine Gegenrevolution zu Gunsten Affonso's Hervorrufen konnte, »öthigtc ihn, mit seinen Neigungen zurückzuhalten und vor Allem die Wünsche der Nation und der Cortes zu beachten. Diese waren aber auf Neutralität und Frieden gerichtet: Nur durch eine parteilose Haltung in dem Weltkampfe könne Portugal Zeit und Muße gewinnen, sein Staatsleben zu ordnen und auszubauen, die Wunden, die der Krieg geschlagen, zu heilen, die Autorität der Krone und die Herrschaft der Gesetze zu kräftigen. Der Königin, die mit ihrem Herzen stets an Frankreich hing und auf ihren Gemahl und die Regierung immer einen ent scheidenden Einfluß übte, war diese zurückhaltende Politik keineswegs nach dem Sinne; allein durch ein gewagtes Eingreifen gegen die Stimme des Landes hätte sie leicht die portugiesische Krone ihrer Dynastie aufs Neue gefährden können. Sie begnügte sich daher, in Briefen ihre Ehrfurcht und Neigung für Ludwig XIV. auszusprcchen und dem französischen Gesandten Saint-Romain bei jeder Gelegen heit ihre Gunst zu erweisen. Erst bei ihrem Tode, der drei Monate nach dem des gefangenen Affonso eintrat, verschwand das Uebergewicht Frankreichs in Lissabon. Der neue König Pedro II., nicht länger durch die Furcht vor dein königlichen Bruder beunruhigt, näherte sich wieder dem spanisch-österreichischen Herrscherhause. Er zerriß die Bande, die man ihm durch einen neuen französischen Ehebund anlegen wollte, und vermählte sich, nachdem er über drei Jahre die heim- ßegcmgene Gattin betrauert hatte, mit der Prinzessin Maria Sophie von Psalz- Aeuburg, aus einem der habsburgischen Dynastie befreundeten Hause. Als der Panische Crbfolgckrieg ausbrach, war die Allianz von Portugal von großer Be deutung, daher war die Residenz in Lissabon der Schauplatz eifriger Bewerbungen- und heftiger Jntriguen. König Pedro suchte lange seine neutrale Stellung zu behaupten; erst nach vielen diplomatischen Gängen trat er auf die Seite der Gegner Frankreichs. Seit dem Tode Affonso's konnte Pedro II. mit inehr Muth und Erfolg an die Kräftigung des Thrones Hand anlegen. Die Zeit neigte dein Absolutismus zu; sollte das monarchische Prinzip nicht auch in Portugal schärfer ausgeprägt werden? Die Cortes, die während der Revolution und der darauf