Volltext Seite (XML)
286 6. Die pyrenäische und die apenninische Halbinsel. Richelieu's, der seinen König fast wider dessen Willen zu absoluter Macht cmpor- hob; wir wissen, daß der Graf-Herzog von der guten Absicht durchdrungen war, die Mißbräuche und Schäden, die durch Lerma und seine Crcaturen in das Staats- und Hofleben eingedrungen, durch zweckmäßige Reformen und durch Entfernung ungetreuer und gewissenloser Beamten und Rathgeber zu beseitigen; allein zur gründlichen Heilung der tiefwurzelnden Uebel gebrach es ihm an höheren' politischen Verstand, au Willenskraft und Charakterstärke und vor Allem a» Ausdauer und folgerichtigem Handeln. Ei» harter, hcrrschsüchtiger, eigenwilliger Mann, regellos in seinem ganzen Wesen und von eitler Verblendung befangen, hat Olivarez bei all seiner Thätigkeit und Arbeitskraft das spanische Reich au! der abschüssigen Bahn des Verfalls wcitergeführt. Anstatt daß er bedacht gewesen wäre, die an so vielen Wunden leidende spanische Nation und Monarchie durch wirthschaftliche und administrative Reformen aus dem Zustande der Schwäche, des Sinkens und Verfalles emporzuheben, stellte er bei seiner auswärtigen Politik die Interessen der habsburgischen Dynastie, bei seiner inneren die Erhaltung u»d Befestigung des monarchischen Ansehens und Glanzes des Madrider Hofes i» die erste Linie. Wir haben in den früheren Blättern gesehen, welche Anstrengung^ dem spanischen Volke zugemuthet wurden, um durch Betheiligung an dem drei' ßigjährigen Kriege, durch die Feldzüge in Italien und in den Niederlanden, d>r Präponderanz und Machtstellung des Habsburger Herrscherhauses beider Linie" zu begründen oder zu bewahren. Wie in den Tagen Philipps II. sollte die europäische Welt sich eine spanisch-österreichische Hegemonie gefallen lassen, vor den katholischen Majestäten in Madrid und Wien beugen. Um solche Zwecke willen, um dem monarchischen Herrscherbau den äußeren Schein zu ct' halten, um die Welt glauben zu machen, der Flitter und das Schaumgold womit der spanisch-habsburgische Thron überdeckt war, sei echtes, solides Meto^ wurden Verwaltungskünste und Experimente in Anwendung gebracht, welche ^ letzten Lebenskräfte des Staats aufzehrcn und verbrauchen mußten. Wir früher erfahren, wie sehr das blutsaugende System drückender Abgaben Besteuerung den Wohlstand, die Arbeitskraft, die Erwcrblust der spanischen Vö>^ knickte und lähmte; nun wurden, um die Kosten der endlosen Kriege wider d" akatholische Welt zu bestreiten, die meistens statt Lorbern oder fruchtbarer Cri^" nur verdorrte Kränze oder dürftige Stoppeln cinbrachtcn, um den täuschen^ Schimmer und die Schein-Autorität einer monarchischen Großmacht zu rette"' für die Prachtliebe und Verschwendung des Hofes, für die Ballette, Sch"^ spiele und Festlichkeiten die nöthigcn Geldmittel zu schaffen, neue Zölle Auflagen eingesührt und Monopole erfunden, welche Handel und Jndusl^ noch mehr belasteten und gefährdeten, wurden Anleihen zu übermäßigen Verpflichtungen abgeschlossen, wurden Krongüter veräußert, hohe Acmtcr an so^ vergeben, die dafür reiche Geschenke boten, wurden die Colonicn ausgcbeutct ^ das Recht der Pfründenverleihung und der Vergebung geistlicher Würden