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IV. Englische Wissenschaft und Dichtkunst. 279 glücklicher läuft der Versuch ab, den Sohn der Maria, der schon als zwölfjähriger Knabe im Tempel Zeichen von großer Einsicht und Wißbcgicrde gegeben, durch den Hinweis auf Aihen, auf griechische Weisheit und Kunst zu verlocken. Jesus weist die Kehrseite nach ^ die Hohl heit der vermeintlichen Erkcnntniß, die Dünkelhaftigkeit und Selbstvergöttcrung der Philo sophen, neben der großen Unwissenheit mit Allem was zu Gott und zur Seligkeit führt. Wie leer, eitel, weltlich sei doch die griechische Poesie uud Beredsamkeit gegenüber den heiligen Ge sängen Davids und den Verkündigungen der Propheten! Eben so fruchtlos ist der Versuch, Jcsum durch die empörten Naturkräftc zu schrecken und die letzte Versuchung auf der Zinne des Tempels. Zurückgcwiesen in allen seinen Listen und Tücken, überwunden von dem Messias, wie Antäus von Jovi« Sohn, stürmte Satan der Hölle zu, wie sich die Sphin; von Theben, nachdem ihr Räthsel gelöst war, in den Abgrund stürzte. Engelschaaren erscheinen, tragen auf ihren Schwingen den Gottessohn in ein blumiges Thal und dienen ihm; sie feiern seinen Triumph mit einem SiegeSlied und rufen ihm zu: „Beginne nun dein großes Werk, deS Menschengeschlechts Erlösung"; er aber kehrt heim in seiner Mutter Hau«. Damit endigt das karsckiss vkAnineä; daß cs in seiner dcrmaligen Gestalt nur e>n Bruchstück sei, dessen Vollendung der Dichter beabsichtigte aber nicht ausführte, ist behauptet worden, kann jedoch nicht bewiesen werden. In dein rednerischen Wettkampfe w>t gelehrtem Apparate, wie er hier dargcbotcn wird, ist die Erfüllung des im Ver ismen Paradiese in Aussicht gestellten Gedankens der Erlösung nimmermehr zu erkennen. ^nlton hat die eigentliche Aufgabe des wicdergewonncnen Paradieses, den Sieg des ^erstandenen Heilandes und die Gründung des Reiches Gottes nicht gelöst. Dies blieb hinein deutschen Dichter Vorbehalten. Zn einem milder gestimmten, für Humanität und ^ltbürgcrthum begeisterten Zeitalter hat Klopstock die Versöhnung Gottes durch den Mertod des Messias besungen. An die Stelle des zürnenden Jehova war mittlerweile °>e Vorstellung eines Gottes der Gnade getreten. Auch die letzte poetische Arbeit Miltons „Samson Agonistcs", mehr ein Hymnus «amw» dialogischer Form als ein dramatisches Gedicht, hat einen biblischen Stoff mit Be- ^Hungen auf das eigene Schicksal des Dichters zur Grundlage. Wehrlos und seiner beraubt beklagt Simson vor den Landsleuten sein unglückliches Dasein. Von Philistern zu ihrem Opferfest gezogen, führt er die Katastrophe herbei, die ihm ^bst den götzendienerischen Feinden den Untergang bereitet. Wer kann sich der Ansicht schließen, daß Milton bei dem auserwähltcn Gottesstreitcr und seinem tragischen . schick an sich selbst gedacht habe? Im bittern Gefühl über das entartete Geschlecht, das erloschene Augenlicht, über die Falschheit der Weiber, sieht der Dichter nur einen Abgang in dem allgemeinen Einsturz und in der Rache Gottes. Die Tragödie, in SNlikcr Form mit Chorgcsängcn, wurde in der Folge von dem deutschen Tonkünstlcr mndcl zu seinem unsterblichen Oratorium verwendet. — Bis an sein Lebensende bewahrte "itvn die geistige Kraft und Thätigkeit. Daß er für sein Verlornes Paradies nur swkiiiial ft,ns Pfund von dem Buchhändler erhielt, daß die reaktionäre Censur dem chublikanischen Dichter scharf zu Leibe ging, hat ihn vom Schaffen nicht zurückzuhalten kriiwcht. In seinem Lehnstuhle sitzend ließ er lesen und schreiben; das Orgelspiel, das ? Son jeher geliebt, ward auch jetzt noch fortgesetzt; am Abend empfing er den Besuch wenigen Freunde, die ihm treu geblieben, bei der Pfeife und einem Glase Wasser, von dem schönen, zarten Antlitz, das ihm einst bei den Jugendfreunden den Bei- "'"m „Lady" eingetragen, waren noch nicht alle Spuren verschwunden und die hohe "lrechft Gestalt mit dem langen Hellen Lockcnhaar trotzte lange den Wirkungen des tts. Schmerzlos und ruhig ist ec am 8. November 1674 entschlafen. „Was ' l°n im dreiundzwanzigstcn Jahre gelobt, in den Augen seines „großen Werkmeisters"