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274 L. Das brit. Reich unter den ersten Stuarts u. als Republik. Denker, „dessen stolze Tugend sehr streng und vornehm dachte von dem Wesen der Ehe" die kanonischen Gesetze über Ehescheidung an und suchte durch eine idealere Auffassung der ehelichen Gemeinschaft und ihrer Zwecke die Nothwendigkeit einer Erleichterung der Scheidungen zu beweisen. Er entwirft von dem Ehebündniß, wie es aus den Ein setzungsworten der Genesis hervorgehe, das reinste ideale Bild, gegründet in erster Linie aus echte Liebe und harmonisches Jneinandcrlcbcn zweier Naturen zu einem einzigen Wesen und erst in zweiter Linie auf die fleischliche Gemeinschaft. Geht jene Grund bedingung nicht in Erfüllung, ist ein solcher Scelcnbund in Liebe und harmonische!» Zusammenleben nicht möglich, so soll cs dem Ehemanne gestattet sein, die Ehe, die nach Miltons Ansicht nur ein bürgerlicher Fauülicnakt ohne Mitwirkung der Kirche sei» müsse, freiwillig zu lösen mit gerechter und billiger Auseinandersetzung der äußerliche» Verhältnisse. In der Schrift über Erziehung sind fast alle pädagogischen Systeme der späteren Zeit im Keime enthalten und insbesondere der realistische Unterricht im Gegen satz zu dem herrschenden Formalismus der Sprachstudien befürwortet. „Auch diese Arbeit ist der Idee entsprungen, daß der Staat in der Familie wurzele, und daß daher das Saatkorn der wahren inneren Freiheit nicht früh genug in die Gemüthcr der Jugend gesenkt werden könne." Die dritte und stärkste Gruppe der Milton'schcn Profanierte umfaßt die Staatsschriften, unter denen die lateinische „Schutzrcdc für das englische Volk" gegen Salmasius am bekanntesten aber keineswegs am bedeutendsten ist, eine Schrift, die mehr als jede andere den leidenschaftlichen, heftigen, derben Geist der Zeit athmet und wie ein Wettcrstrahl wirkte. Der Unwille über die Schmähungen u»d Verleumdungen, die deshalb von den Gegnern über ihn ausgcgossen wurden, gab il)>» die Feder zu der zweiten VertheidigungSschrift in die Hand, obwohl ihm die Aerzk voraussagtcn, wenn er sich nicht schone, werde er seine schon lange durch die Anstren gungen der Nachtarbeit geschwächten Augen vollends zu Grunde richten. Er bracht dem Vaterlandc sein Augenlicht zum Opfer; er erblindete für immer. Zn der Abhand lung „über die Stellung der Könige und Obrigkeiten" rechtfertigt er die über Karl l- ausgesprochene und vollzogene Todesstrafe aus Gründen des Naturrcchts und der Volls- souveränetät. Der „Zconoclast" oder die zermalmende Gegenschrift wider das bekanntr- angcblich von Karl I. selbst herrührcnde Buch „Eikon basilike" ist ein Muster kräftigt und edler Polemik und das goldene Schriftchcn „Arcopagitica" verficht mit poetisch^ Schwung und mit hinreißender Beredsamkeit die edelsten Güter des Menschen, Dc»b> Lehr- und Preßfreiheit und zwar gegen seine bisherigen Gesinnungsgenossen, die Pr^ bytcrianer im Parlament, als sie ihren jüngst errungenen Sieg nunmehr zu Zwangs maßregeln mißbrauchen, den freien Flug des Geistes durch eine Ccnsur hemmen wollte»' In der republikanischen Zeit war Milton, wie erwähnt, als Secrctär des StaatsraO für die auswärtigen Angelegenheiten in Cromwclls Cabinct thätig, verfaßte die bedeu tendsten diplomatischen Aktenstücke und Regicrungsschrcibcn in klassischem Latein fuhr fort alS Verfechter der Volkssouveränetät und der nationalen Rechte gegenüber Fürstentyrannei in die Schranken zu treten. Auch an eine Geschichte Englands i» d" angelsächsischen Periode legte er Hand. Es ist uns bekannt, daß nach puritanis^- republikanischcr Auffassung alles Unheil in Staat, Kirche und Gesellschaft von ^ normannischen Eroberung ausgcgangen ist. Selbst noch unter Richard Cromwcll h"' Milton sein wichtiges Staatsamt verwaltet. Und mit welcher Charakterfestigkeit blinde Scher seinen Grundsätzen treu blieb, ersieht man noch aus der kurz vor d^ Restauration verfaßten Schrift: „der mögliche und leichte Weg, ein freies Gemcinwes^ hcrzustcllen", und aus einein Schreiben an Monk, worin er diesen „glatten Heuchle zu bestimmen suchte, durch das neu cinzubcrufcnde Parlament der englischen N»d"'