336 AgathiaS, Historien I, 0. 10. 5S2 liches trafen. Bei Narses befand sich in angesehener Stellung, als Oberst eines römischen Regiments, ein gewisser Palladius. Als Aligern diesen erblickte, wie er erzgepanzert mit großem Muth zum Angriff gegen die Mauer vorging, schießt er von oben auf ihn und durchbohrt den Mann sammt Harnisch und Schild — so sehr übertraf er an Kraft die übrigen, und so stark waren seine Hände im Gebrauch des Bogens. Solche Schüsse that er viel an den folgenden Tagen. Beide Theile sahen sich in ihren Hoffnungen getäuscht: die Römer szogen nicht ab, denn) es kam ihnen schimpflich vor, sich zurückzuziehen, ehe sie den Platz genommen hättten; die Gothen hatten bewiesen, daß sie durch die Belagerung keineswegs zur Übergabe veranlaßt würden. 10. Der Feldherr Narses war in nicht geringer Aufregung, daß die Römer vor so einem kleinen Kastell so viel Zeit ver schwenden mußten. Während er hin und her überlegte, kam ihm der Gedanke, auf folgende Weise die Eroberung zu versuchen. An der Ostseite des Felsens ist eine große, hochgewölbte Höhle, von Natur weit und tief sich öffnend wie ein Abgrund, (worin die Sibylle gewohnt haben soll). Über dieser Höhle lagen die Fundamente eines Theils der Mauer. Narses glaubte diesen Umstand benutzen zu können und schickte zahlreiche Mannschaft in die Höhle hinein, mit Hauen und Schaufeln; er ließ nun die obere Wandung der Höhle, auf der die Befestigung stand, ganz allmählich fortnehmen und so viel abtragen, daß schon das unterste Fundament bloß lag. Dann ließ er es mit Balken richtig absteifen, welche die ganze Last tragen mußten, damit es nicht nach und nach einstürzte und die Gothen daran merkten, was vorging. Denn wenn sie gleich zu Anfang dazugekommen wären und den Schaden ausgebessert hätten, so würden sie nach her um so mehr aufgepaßt haben. Damit sie nun überhaupt nichts merkten und nicht das Geräusch beim Steinebrechen hör ten, so mußte das römische Heer unter großem Geschrei und Getöse einen Sturm auf die Mauer über der Erde unternehmen,