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196 Vorladung der St. Galler vor den Kaiser. XVI, 131- Vater Otto: „Morgen mögen sie bei Tagesanbruch vor meinem „Blicke erscheinen, damit ich, wann ich jenen mit den Uebrigen „gesehen haben werde, entscheide, was ich thun will". Und Otto der Sohn entgegnete: „Der Mensch sieht auf das Gesicht, Gott „in das HerzH; und es ist nämlich jener nicht, so wie mein Lehr meister 2), des Anblicks werth, noch auch, wie Euer Sandrat sich „darstellt, unansehnlich". Und jener sprach: „Möchten doch, mein „Sohn, alle Mönche unseres Sandrat Sinnesart hegen!" Aber jener schwieg auf die Mahnung Ekkehart's, um nicht den Vater aufzubringen, und so brach der Vater die Unterredung ab. 131. Ekkehart aber, welcher in der Notenschrift^ sehr er fahren war, schrieb dieses beinahe ganz auf der Tafel in den gleichen Worten nieder. Hernach ergötzte sich dann sein Otto, wie er selbst uns berichtet hat, sehr daran, als es ihm wieder gelesen wurde, weil er selbst außer den Noten nichts auf der Tafel erblickte. Aber Ekkehart suchte sogleich die Seinigen da, wo sie Einkehr genommen, auf, und er ermahnte sie mit den Worten seines Otto, daß sie der besten Hoffnung sein sollten. Und als sie ihn frugen, ob ihrer bei den Königen irgend welche Erwähnung geschehen sei, sagte er: „Eine große, wenn es mir zu sagen erlaubt wäre; denn einen Eid „des Königs zu verbergen, ist ehrenvoll. Aber das wage ich doch, „Euch zu eröffnen, daß Ihr bei dem Vater den Sohn als besorg ten Dolmetscher gehabt habt. Bei Tagesanbruch werdet Ihr „nämlich vor den Blick des Vaters nach seinem eigenen Ausspruche „kommen. Aber das Glück dieser Stunde und des Augenblicks „haben wir Gott anzuvertrauen". — Jene kommen, während der Nacht durch Gebete gestärkt, frühmorgens an den Hof, während der Vater mit dem Sohne schon die Lobgesänge, für welche iinmer Ekkehart die Sorge getragen hatte, auhört. Da aber Palzo, der Bischof des Ortes ^), das Gebet vorträgt, öffnet Ekkehart die Thüre, um zu sehen, ob sie da seien, und als er sie erblickte, trat er ein I> Vgl. Evang. Johann. C. 7, V. 24. 2> Ekkehart II. 3) In den selten gewordenen tironischen Noten, also stenographisch. 4) Spcier ist gemeint.