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X, 95. Die Herzogin und der Klosterschiiler Purchard. 145 hatte, befrug sie Ekkehart unter anderen Dingen, wozu jener Knabe i) gekommen sei, indem der Knabe selbst dabei stand. „Wegen „des Griechischen" — sagte Ekkehart — „meine Herrin! Ich „habe Euch denselben, der auch in anderen Dingen manches weiß, „hergebracht, damit er von Eurem Munde etwas sich ermerken „könnte". Der Knabe selbst aber, schön von Aussehen, brachte, weil er im Versmaß sehr fertig war, so sein Begehren vor: „Fast sprech' ich, Herrin, Latein: Grieche noch möcht' ich sein". Darüber ergötzte sich jene, so wie sie neuer Dinge begierig war, so sehr, daß sie ihn an sich zog und küßte und näher zu sich auf einen Fußschemel setzte. Sie forderte nun neugierig von ihm, daß er ihr noch mehr Verse unvorbereitet machen möchte. Da aber versetzte der Knabe, eines solchen Kusses gleichsam ungewohnt, in dem er seine beiden Lehrer anschaute, die folgenden Worte: „Nicht ganz kann ich mich richten, würdige Verse zu dichten; „Süß hat der Kuß mir geschmeckt, als mich die Fürstin erschreckt". Sie jedoch brach in ein Gelächter aus, weit entfernt von ihrer gewöhnlichen Strenge; endlich stellte sie den Knaben vor sich hin und lehrte ihn die Antiphon: „Naria st llunllnA." ?), welche sie selbst in das Griechische übertrug, so singen: „Dllnlnssi lrs ^otaini, snloAiton ll^rioii; „Zenits zÜAonton b) alloluja". Und oft unterrichtete sie ihn nachher, wann sie freie Zeit hatte, indem sie ihn zu sich rief und Verse aus dem Stegreif von ihm forderte, im Griechischreden und zeigte ihm ihre Zuneigung in vor züglicher Weise. Endlich auch beschenkte sie ihn, als er wegging, mit einem Horaz und einigen anderen Büchern, welche unsere Büchersammlung noch heute enthält. 95. Aber jener jüngere Ekkehart war inzwischen mit dem Knaben zu Anderen bei Seite gegangen, wie das seine Gewohnheit war, nämlich zu gewissen Cappellänen der Herzogin, welche dieselbe 1) Der Klosterschiiler Purchard, Ekkehart's II. Vetter und Begleiter. 2) Ueber die Stelle im 6ar»tieum trium xusrorum, v. 55. 3) In diesem schlechten Lateingriechisch ist besonders dieses Wort unverständlich: etwa statt 4) Ekkehart III. Geschichtschreiber. Liefrg. 54. — Meher von Knonau. St. Gall. Chron. 10