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A. Archive und Bibliotheken. 2. Zweck. 3- Gcfchichtlichcs. i. Kapitel. Archive. Von Rudolf Opfermann. a) Kennzeichnung und Gefammtanlage. Als Archive werden diejenigen Gebäude bezeichnet, deren Zweck im All gemeinen in der Sammlung und forgfältigen Aufbewahrung von Schriftftücken be- fteht, welche auf die politifche, Rechts-, Verfaffungs-, Cultur- und Kirchengefchichte des Staates Bezug haben x ). Die Archive haben der Verwaltung, dem Rechtfprechen, der Gefchichtsforfchung, den politifchen, vermögensrechtlichen und Familienintereffen zu dienen * 2 * 4 ). Ueber den Inhalt der Archive geben gedrängte Auszüge aus den Repertorien und Regeften-Sammlungen, fo wie Befchreibungen von werthvollen Urkunden, Codices, Amtsbiichern, Acten-Serien, wichtigen Privat-Correfpondenzen, Tagebüchern und Aufzeichnungen von Perfonen, die für die Gefchichte des betreffenden Staates von Bedeutung find, Auffchlufs 8 ). Der Name »Archiv« kommt aus dem griechifchen äpy-q, äp'/siov, öffentliches, geheiligtes Gebäude und deffen ficherfter geheirafter Ort; dann die darin verwahrten öffentlichen Urkunden und Papiere. Lateinifch: archivum, archivium, arcivum*). Die fchon von Juflinian angeführten Vorfteher ‘heifsei* archiota, archivarius, archivifla. Sammlungen von Urkunden und Verhandlungen werden bereits bei den älteilen Völkern erwähnt. Ifraeliten und Römer hatten fie in den Tempeln angelegt. Für die chriftliche Kirche gaben befonders die gerichtlichen Verhandlungen, fo wie die über ihre Bekenner verhängten Strafen und deren Vollzug Anlafs zur Sammlung actenmäfsiger Aufzeichnungen hier über. Für Rom wurde bereits unter Papft Clemens I. (f um 100 n. Chr.) für jede der heben Regionen, der Stadt ein Notar zu diefein Zwecke aufgeftellt und für Aufbewahrung der Aufzeichnungen im Kirchenarchiv Sorge getragen. Spuren des päpftlichen Archivs, das im XII. Jahrhundert mit dem Schatze vereinigt wird, finden fich gegen Ende des IV. Jahrhundertes 5 6 * ). Unter den fränkifchen Königen wird eines archivium palatii oder palatinum gedacht, wo Urkunden und Gefetze nicdergelegt wurden. Carl der Grofsc und fein Sohn Ludwig fallen das kaiferliche Archiv in der Pfalz zu Aachen, die folgenden deutfchen Carolinger die werthvollften Urkunden in der Capelle zu Regensburg bewahrt haben 0 ). Bei den häufigen Wanderungen der deutfchen Kaifer wanderten die Archive von einer Stadt in die andere, und die Folge davon war, dafs, der in der älteften Zeit darauf verwendeten Sorgfalt ungeachtet,, doch wenig oder nichts auf die unferige gekommen ift. Die Geiftlichkeit war befonders auf die Erhaltung ihrer Erwerbsurkunden und Freiheiten bedacht, und zahllofe Archive der Kirchen und Klöfler haben dic- felben auf das forgfältigfte bewahrt. Die Archive wurden fogar mit auf die Kriegszüge genommen. So verlor Poger von Sicilien bei Benevent 1132 fein ganzes Archiv, eben fo im Jahre 1194 Philipp Anguß Vergl.: Ermisch. Ueber Vollftändigkeit und Einheitlichkeit der Staatsarchive. Archivai. Zeitfchr., Bd. 3, S. 4. 2 ) Vergl.: Archivai. Zeitfchr., Bd. 2, S. 1. 3) Vergl.: Löher, F. v. Vom Beruf unferer Archive in der Gegenwart. Archivai. Zeitfchr., Bd. 1, S. 2. Ermisch. Ueber Vollftändigkeit und Einheitlichkeit der Staatsarchive. Ebcndaf., Bd. 3, S. 4. 4 ) Vergl.: Ersch , J. S. & J. G. Gruber. Allgemeine Encyclopädie der Wiflenfchaften und Künfte. 1 heil V. Leipzig 1820. S. 154—159. 6 ) Siche ebcndaf. G ) Vergl.: Wattenbach, W. Das Schriftwefen im Mittelalter. Leipzig 1875. S. 538.