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Taf. 62. Deutsche Architektur. Münchener Schute. Fig. 1. Das Treppenhaus der königlichen Libliothek zu München, von Fr. von Gärtner. — Sind in Berlin durch Schinkel's geniale und einflußreiche Tätigkeit die Formen der griechischen Architektur herrschend ge worden, so hat dagegen die Münchener Schule überwiegend der Bildungs weise des romanischen Rundbogenstyles sich angeschlossen. Zwar fehlte es auch hier nicht an einer Wiederaufnahme der antiken Baukunst, und zumeist war es L. v. Klenze Vorbehalten, in mehreren bedeutenden Bauten (Walhalla, Glyptothek, Ruhmeshalle) die Prinzipien der griechischen Architektur darzu stellen. Im Wesentlichen aber blieb die schlichte Amnuth, die feine Schön heit der hellenischen Kunst ans diesem Boden eine fremde, nur ausnahmsweise geduldete Erscheinung, indeß das Derbe, Massenhafte der romanischen Archi tektur der allgemeinen Geschmacksrichtung mehr zusagte. Diesen Styl in einer Reihe ansehnlicher Bauten, von denen wir die Ludwigskirche, die Bibliothek, die Universität, das Blindcninstitut, das Salinengcbäude, die Feldherrnhalle und den Friedhof nennen, mit großer Energie angewcndct zu haben, ist Gärtncr's (1792—1847) Verdienst. Seine Bauten haben etwas Massenhaftes, Kräftiges, Monumentales, allein es fehlt ihnen eine feinere Charakteristik der Formen, eine angemessene Entwicklung der Gliederungen, überhaupt ein tieferes organisches Lebens gefühl. Es tritt hier ein umgekehrtes Verhältniß im Ver gleich zur Berliner Architektur hervor, welche im Allgemeinen nicht so glücklich in der Massenwirkung, überhaupt weniger monumental gedacht, an Feinheit und edler Consequenz des Styls den sämmtlichcu Münchener Bauten überlegen ist. Hierbei muß indeß noch hervorgehoben werden, daß die hochherzige Frei gebigkeit , mit welcher König Ludwig die Kunst begünstigte, die Architektur znr großartigen, monumentalen Entfaltung hindrängte, während Schinkel durch die Sparsamkeit seines königlichen Bauherrn Friedrich Wilhelm III. sich auf euge Gränzcn beschränkt sah. — Unter Len Gärtner'schen Gebäuden ist die königliche Bibliothek, in der prachtvollen, aber öden Ludwigsstraße liegend, eines der tüchtigsten. In den großartigsten Verhältnissen angelegt, mit einer Frontlänge von 520' bei einer Höhe von 85', wurde der Bau in den Jahren 1831 bis 1842 errichtet. Das untere Geschoß besteht aus Hausteinen, die oberen Geschosse aus gebrannten Steinen. Das Einzelne der Detailbildnng am Acußereu ist nicht glücklich, dem Gebäude fehlt wie allen Gärtner'schen die kräftige, lebendige Profilirung. Dagegen wirkt eine Verbindung mit italienischen Formen günstig, wie besonders Las ausgezeichnet schöne Treppen haus, welches unsre Abbildung vorsührt, bekundet. Hier zeigt sich der Sinn des 'Architekten für großartige räumliche Entfaltung in Hellem Lichte. — Ge zeichnet von P. Herwegen, mit Zugrundelegung der Abbildung in den auSgcführteu Gebäuden von Gärtner. München 1844. Lief. I. Fig. 2. Innere Ansicht der Änkirche in München, von Ghlmüllrr. — Auf Taf. 57 unter Fig. 6 ist bereits eine äußere Ansicht dieser schönen Kirche, einer der tüchtigsten Leistungen der ncucrstandcncn Gothik, gegeben worden. Wir fügen hier eine Abbildung hinzu, welche von dem malerischen Eindruck Les Inneren eine Anschauung gewährt, und machen nur auf die Schlankheit der Bündelpfeiler und die ungefähr gleiche Höhe der drei Schiffe aufmerksam. — Aufgenommen und gezeichnet von Peter Herwegen. Fig. 3. Änlicht der KuhmesIMe zu München, von L. v. Klcnzr. I — Während Gärtner seine Thätigkeit fast ausschließlich auf den Rundbogenstyl i concentrirte und dadurch einen nachhaltigen Einfluß auf die Fortentwicklung ! der Münchener Architektur gewann, sehen wir Klenze (1784 — 1864) in viel seitigerer Weise mit einer außerordentlicher Anzahl umfangreicher Gebäude hervortreteu, doch unter vorwiegender Anwendung der antiken Style und der von denselben direkt abgeleiteten Bauweisen, namentlich der italienischen Re naissance. Wir nennen außer der hier vorgeführten Ruhmeshalle die Glyp tothek, außen ionisch, im Innern mit römischen Kreuzgewölben, die dorische Walhalla bei Regensburg, die Befreiungshalle bei Kelheim, einen römischen Kuppelbau, die Münchener Propyläen, die in edlen Renaissanceformcn erbauten Paläste Les neuen Königsbaues und des Saalbaucs, die ebenfalls im Rcnais- s sancestyl errichtete Pinakothek und Las Museum der Eremitage zu Petersburg. War indeß die Glyptothek (erbaut 1816 bis 1830) noch besangen in der durch die frühere akademische Ucberlieferung abgcschwächten Stylfassung, so tritt dagegen in der von 1843 bis 1853 ausgeführtcn bayerischen Ruhmeshalle ! jene Lauterkeit, jener reine Adel wahrhaft hellenischer Formbildung hervor, welchen die Architektur erst durch Schinkel wieder gewonnen hat. Wir halten diesen in einem seinen marmorartigen Kalkstein vortrefflich ausgeführten Bau wegen der klaren Schönheit der Formen, der glücklichen Theilung und Massen wirkung, der durchaus harmonischen Gesammtcrscheinung für das untadeligste von den zahlreichen Werken Klenze's. Auf einer Anhöhe der Thcresienwiesc gelegen, erhebt die Halle sich 60' hoch bei 230' Länge und 150' Tiefe mit 48 dorischen 24' hohen Säulen. In den Giebelfeldern sind die vier Haupt stämme des Königreiches, Bayern und Pfalz, Franken und Schwaben, dar gestellt; in den Metopen wechseln Viktorien mit Scenen aus der Kulturge schichte des Landes, sämmtliche Sculpturen von L. v. Schwanthaler ausgeführt. Der Koloß der Bavaria, von demselben Künstler modellirt und von F. von Miller in Erz gegossen, ein Meisterwerk der Gießkunst, ist 56', bis zur Spitze des aufgehobenen Kranzes 66' hoch. — Ausgenommen und gezeichnet von P. Herwegen. Fig. 4. Der Kottmanusaal der ilenrn Pinakothek, von Voit. — Die neue Pinakothek, seit 1846 aus der Privatkasse König Ludwigs auf geführt, ist in dem bei allen Kunstunternchmungen dieses Fürsten vorherr schenden großartigen Sinne bestimmt, ein Museum für Werke neuerer Malerei ! zu bilden. Der Bau, einfach rechteckig angelegt mit 368' Länge bei 101' Breite, ist im Aeußeren fast ohne alle Gliederung und Profilirung, nur mit den Wandbildern Kaulbach's bedeckt, welche die Pflege und Entfaltung der Kunst unter ihres königlichen Beschützers Regierung darstellen. Das Innere ! hat wohl vertheilte, gut beleuchtete Säle, deren Decoration in romanischen i Formen durchgeführt ist. Ein besonderer großer Saal, dessen Durchschnitt Fig. 4 darstellt, ist ausschließlich den herrlichen griechischen Landschaften Rott- mann's gewidmet. Die Bilder, auf Mauergrund in Wachs- und Oelsarbcn gemalt, sind in die Wandfelder eingelassen und erhalten durch eine ebenso künstliche und luxuriöse Vorrichtung ein concentrirtes Oberlicht, das um so wirksamer wird, da durch den Einbau einer von Säulen getragenen baldachin artigen Decke das Ange des Beschauers von dem Lichte direkt nicht getroffen wird. Das Genauere dieser sinnreichen Vorrichtung ist ans der Abbildung ! zu ersehen. — Nach einer Originalzeichnung des Architekten. Fig. 5. Ansicht des Üahnhofgcbäudcs zu München, von Liirklein. , — Wir geben hier eins der bezeichnendsten Beispiele von der in der Münchener ! Schule herrschenden Behandlung des romanischen Styles. Zugleich ist der Bau durch Verbindung des Hausteines mit dem gebrannten Steine von Interesse. Die Bahnhalle, in einer Länge von 400' und einer Breite von 100' ist durch ihre eigenthümliche Konstruktion bcmcrkenswerth. Der Architekt hat nämlich große Bögen aus Holz hergestellt, Welche von der unteren Abthcilung der Umfassungsmauer aufstcigcnd das Dach unmittelbar tragen. — Nach einer Ori- ginalzeichnung des Architekten. Laf. 63. Deutsche Architektur. Südwcst- und mitteldeutsche Schuten. Fig. 1 und 2. Das Lahiihofgekände zu Freiburg, von Eisrnlohr. — Wie die Bestrebungen der modernen Münchener Architektur vorzugsweise auf eine Wiederaufnahme der romanischen Formen zielen, so treffen wir in Baden eine bedeutende Reihe neuerdings entstandener Bauwerke, die nach den Prinzipien desselben Styles ausgeführt sind. Wir meinen die Hochbauten der badischen Staatseisenbahn, welche, sämmtlich von demselben Architekten ent worfen, zu den vorzüglichsten derartigen Leistungen der Gegenwart zu rechnen sind. Je nach der Verschiedenheit der Grundbedingungen bei den einzelnen Anlagen hat Eisenlohr ('s 1853) die manuichfachen Ausgaben charakteristisch zu lösen gewußt. Sowohl die Natur des im Lande reichlich vorhandenen Materials, sei es Holz, sei es Haustein, der in großer Güte und Feinheit vorkommt, als auch die Vortheile des vielfach hügeligen und durchbrochenen Terrains, sowie die im gebirgigen Theile des Landes, im Schwarzwald her kömmliche, ebenso malerische als praktische Bauweise hat er als Elemente zur Gestaltung eines charaktervollen Styles benutzt. Besonders ansprechend sinv die kleinen Wärterhänschen mit ihren weit vorspringenden Dächern, den schattigen zierlich geschnitzten Holzgalericen, der malerischen Anordnung des Ganzen, der lebendigen Farbenwirkung des verschiedenen Materials. An den umfangreicheren Bahnhofsgebäuden, wo ein tüchtig ausgcführter Hanstcinban vorherrscht (wie bei Fig. 1, dem Bahnhofe zu Freiburg), ist der romanische Styl in freier, edler, phantasievoller Weise gehandhabt, und an den weiten Bahnhallen (vgl. Fig. 2) verbindet sich derselbe zweckentsprechend mit einer Holzconstruktion, deren offenes Gerüst in einer dem Materiale angemessenen Art behandelt ist. — F. Eiscnlohr, ansgeführte Gebäude verschiedener Gattung. Karlsruhe. 1. Heft. Fig. 3—5. Die Kirche zn Mach, von Hübsch. — Wenn irgend ein moderner Architekt, so hat Hübsch (1795—1863) theoretisch und praktisch mit nachhaltiger Energie seine Knust aus den Fesseln eines angewöhntcn Her kommens zu befreien und auf eine rationelle Weise neu zu begründen gesucht. Er geht dabei von der Construktion aus, die ihm ein Ergcbniß der stofflichen Bedingungen und der praktischen Erfordernisse ist. Dadurch gelangt er zu manchem Eigcnthümlichcn, Neuen, wie er denn durchweg seinen Gebäuden einen scharf ausgesprochenen individuellen Charakter zu geben weiß. Allein da dem rechnenden Verstände nicht in gleicher Kraft Phantasie und fein aus gebildeter Schönheitssinn zur Seite stehen, so erhalten seine Bauten dadurch leicht etwas Trockenes, Nüchternes. Wie die altchristliche Kunst, auf deren Tendenzen zurückzugehcn er für ersprießlich hält, scheint er über den praktischen Grunderfordernisscn und der Gesammtconception die Elemente einer feineren Durchführung im Detail hintan zn setzen. Zwar folgt er in den Details der Ornamcntation und Construktion vorzugsweise der Antike, allein ohne deren Grazie und Feinheit; zugleich verschmäht er auch nicht Motive des romanischen