Einleitung. 9 Trotz alledem zählte das Kaiserthum in den italischen Städten eine starke Anhängerschaft, welche freilich weniger dem Institut an sich ergeben war als vielmehr mit Hilfe des Kaisers ihr eigenes Beste zu fördern und den Sieg über ihre Nebenbuhler davonzu tragen hoffte. Wurde doch damals ganz Italien durch Partei kämpfe aufs äußerste zerrissen. Es schien als ob die fast wunder bare Fülle von Lebenskraft, welche dieses Land aufzuweisen hatte, es zwänge sich selbstmörderisch zu zerfleischen. Aus dem großen Ringen der Universalmächte erwachsen, hatte dieser Parteikampf mit dem Unterliegen des Kaiserthums begreiflicher Weise seinen Abschluß nicht gefunden. Einstweilen zwar schien er den univer salistischen Charakter abgestreift und sich in eine unabsehbare Reihe von zusammenhangslosen Einzelfehden aufgelöst zu haben, und wenn die alten Parteinamen der Guelfen und Ghibellinen immer noch gehört wurden, so konnte es das Ansehen haben als seien dies nur noch leere Namen und Aushängeschilder für die verschie denartigsten Interessen. Aber es lag trotzdem in diesen Namen ein Zauber, der sich bewährte, sobald das richtige Wort ausge sprochen wurde. Je länger der Kampf dauerte, desto weiter ent fernte er sich von seiner ursprünglichen Basis, desto weniger waren bei Guelfen und Ghibellinen Beziehungen zur Kirche oder zum Kaiserthum wahrnehmbar: hatte vielmehr irgendwo eine Partei den Namen der Guelfen überkommen, so nahm eine etwaige Gegen partei, einerlei worauf der Gegensatz zu jener beruhte, davon Anlaß sich mit dem ghibellinischen Namen zu schmücken, ohne daß sie darum sich eines Gegensatzes zur Curie oder einer besonderen Hinneigung zu den kaiserlichen Tendenzen bewußt geworden wäre, und umgekehrt. Sobald es aber jenseits der Alpen lebendig wurde, sobald dort die Erinnerung an das Kaiserthum erwachte und Italien in den Gesichtskreis der deutschen Politik trat, so schienen die alten Parteinamen ihre alte Bedeutung plötzlich wieder gewonnen zu haben, indem nun diejenigen, welche sich Ghibellinen nannten, auch Ghibellinen sein wollten und sich als Verbündete und Freunde des Kaiserthums betrachteten, während die Guelfen,