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42 So völlig ab, daß nicht Umstande, Jahre, Erfahrung immer etwas Neues bringen, Nicht etwas lehren: so daß du nicht weißt Was du zu wissen glaubst, und was bei dir Jür's Erste galt, du in der An wendung Verwirfst. Das ist jetzt mein Fall; denn ich gebe Das harte Leben, das ich seither führte, Nun fast am Ziele meiner Lauf bahn aus. Weßhalb? Durch's Leben selbst hab' ich gesunden, Daß es nichts Bessres für den Men schen giebt, Als Sanftmuth und Gefälligkeit. Wie wahr Das sei, kann Jeder leicht an mir Und meinem Brnder sehen. Er hat immer In Müßiggang, in Gasterei'n sein Leben Verbracht, war gütig, sanft, that Keinem weh Jn's Angesicht, war Allen freund lich, lebte Für sich, trieb Aufwand sich allein zum Besten: Es lobt ihn und es liebt ihn alle Welt. Ich, so von Bauernart, streng, fin ster, karg, Griesgrämig, zähe, nahm ein Weib. Welch' Elend Erlebt' ich! Kinder kamen, neue Sorge! Und während ich so d'ran war, mög lichst viel Für sie zu sammeln, hab' ich im Erwerben Mein Leben, meine Jahre hinge bracht. Jetzt, wo's zur Neige geh'n will, ernt' ich Haß Als Frucht für meine Arbeit; er dagegen Genießt die Vaterfreuden ohne Arbeit. Ihn lieben, mich vermeiden sie; ihm halten Sie nichts geheim, ihm sind sie zu- gethan, Bei ihm sind Beide gern: ich Lin verlassen; Ihm wünschen sie das Leben, bei mir harren Sie auf den Tod. So hat er die von mir Mit größter Anstrengung Erzoge nen Sich zugeeignet um geringe Ko sten. Die ganze Last fällt mir zu, ihm die Freude. Nun denn, versuchen wir gleich jetzt, ob ich Kann freundlich reden oder gütig handeln: Weil er heraus mich fordert! Ich verlange Auch Lieb' und Achtung von den Meinigen. Wird dieß durch Schenken und Will fährigkeit Erworben, will ich nicht der Letzte sein.