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XV den König damit beruhigen, daß sie die Seherkunst herabsetzt. Habe doch Phöbus einst fälschlich verkündigt, daß Laws durch seinen Sohn umkommen werde, der statt dessen unter Räuberhünden auf einem Kreuz wege gefallen sei. Dich Wort macht Oedipus aufmerksam, er fragt und forscht immer ängstlicher, und man schickt eiligst nach jenem Diener des Laws, der entkommen war und die Trauerbotschaft nach Theben gebracht hatte. Ehe noch dieser eingetroffen, um dem Oedipus das Grauen volle zu bestätigen, hatte ein Bote aus Korinth gemeldet, daß König Polybos nicht mehr sei und hatte ausgesagt, Oedipus sei einst auf dem Kithäron gefunden und von Polybos an Sohnes Statt ausgenommen worden. Nachdem so Alles an's Licht gebracht ist, giebt sich Jokaste den Tod, Oedipus blendet sich und verlangt von Kreon, dem er seine Kinder empfiehlt, daß er ihn aus dem Lande stoße. Damit schließt die Tra gödie. Allmälig hellte sich die Sturmnacht in Oedipus' Busen wieder etwas auf und er schien sich an die süße Gewohnheit des Daseins, an die Heimat, an die Seinigen anklammern zu wollen. Allein sein Schwa ger und seine Söhne bestanden hartherzig aus der Ausführung seines ersten Entschlusses, und jahrelang irrte der verstoßene Greis, mit Würde sein Geschick tragend, am Bettelstab in Griechenland umher, geleitet und gepflegt von seiner Tochter Antigone, während Jsmene zu Hause die Partei des Vaters hielt und ihn von Zeit zu Zeit mit heimlicher Bot schaft aufsuchte. Nach langem Harren auf Erlösung empfing der Lebens müde den Orakelspruch, daß er im Hain der Eumeniden an das Ziel seiner Leiden gelangen werde, und demgemäß leitete das Schicksal seine Schritte nach dem Heiligthum des attischen Flecken Kolonos. Hiemit stehen wir an der Schwelle des Oedipus auf Kolonos. Der einst so herrisch zufahrende Sinn des Laios-Sohnes hat besonnener Milde, geläutertem Gottvertrauen Platz gemacht; sein Haupt ist von keiner Krone mehr umstrahlt, aber von der ehrsurchtgebietenden Weihe des Unglücks. Antigone ist getreue Führerin und Trostspenderin. Nun kommen die Bewohner von Kolonos, wie sie den heiligen Bezirk durch den Eintritt eines Fremdlings verletzt sehen, in Aufregung. Sie bieten ihm Schutz an, wenn er den Hain verlasse, und er gehorcht; sie dringen in ihn, wer er sei, was er verschuldet, und als er endlich ihre Neu-