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IX begaben sich Kimon und seine Mitfeldherrn dahin, um dem Festgotte an der Thymele, dem Altar der Orchestra, das Opfer zu bringen, zu dem sie die begünstigte Heimkehr ohnehin verpflichtet hatte. Dieß war dem Archon-Festaufseher ein sehr erwünschtes Begegniß, denn der dießmalige Wettstreit der Tragiker schien ihm nicht ohne Unruhen ablaufen zu wollen. Der junge Sophokles trat nämlich mit dem Altmeister Aefchyws zum ersten Mal in die Schranken, und unter dem Publikum zeigte sich im voraus eine so aufgeregte Parteinahme, daß der Archon, der aus jedem der zehn Stämme einen Preisrichter zu erlösen hatte, besorgen mußte, der Spruch dieses Kampfgerichts werde zu Demonstrationen führen, wie er auch ausfalle. Auf das neue Verdienst, aus die Popularität Kimons und seiner Mitfeldherrn gründete nun der Archon die Zuverficht, daß es keinen Anstoß erregen werde, wenn er, vom Herkommen abgehend, diesen Feldherrn das Richteramt übertrage, einer Autorität, die in diesem Augen blick wohl allgemein geachtet würde, zumal das Feldherrnkollegium ähnlich dem der Preisrichter zusammengesetzt war, nämlich zehn aus den ver schiedenen Stämmen. So ließen sich denn Kimon und seine Amtsgenosfen vom Archon den Eid abnehmen, begaben sich nach verrichtetem Opfer von der Orchestra auf die Richterstühle und sprachen dem Sophokles den Kranz zu; Aeschylos aber soll sich, über seine Niederlage verstimmt, nach Sicilien zurückgezogen haben. Auf Sophokles' Veranlassung wurde der Organismus der Bühne erweitert und vervollständigt, sowohl in Betreff des darstellenden Perso nals, als der Dekorationen, Kostüme und sonstigen Apparats. Hatte Thespis (ob wir nun den Namen als Bezeichnung eines Einzelnen oder als Sammelnamen für die Angehörigen der ersten Theaterperiode nehmen wollen) hatte Thespis den erst 12, nachmals immer 15 Personen starken Chor aus seiner episch-lyrischen Haltung der dramatischen entgegengeführt, indem er ihm einen redenden Schauspieler gegenüberstellte: so ist dennoch Aeschylos als Vater der Tragödie zu preisen, weil er einen zweiten Schauspieler einführte, und Sophokles als ihr Vollender, weil er den dritten Schauspieler durchsetzte und den Chor in eine passive, beschauliche Stellung zurückdrängte. Ein vierter Schauspieler wurde nur ganz aus nahmsweise bewilligt; von den Dreien nebst den Statisten mußten die