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14 Men durch Tugend und Gerechtigkeit. Solche Ketten, obgleich schein bar weicher, als jene straffen, harten Bande, hätten doch eine weit größere Stärke, um der Fürstenmacht ihre Dauer zu geben. Aber abgesehen hievon zeige es wenig Ehrgefühl und Edelmuth, wenn ein Regent nur in der Pracht seiner Bekleidung einen Luxus entwickle oder durch die üppige Ausstattung seines Palastes glänzen wolle, dagegen in der Art seines Auftretens unter den Menschen und in seinem Denken sich durch nichts vor jedem beliebigen gemeinen Mann hervorhebe und nicht eine Ehre darein setze, das Königsschloß seiner Seele in königlicher, würdiger Weise ausgeschmückt zu sehen." 11. Durch diese oft wiederholten Mahnungen Dions, der auch von den Platonischen Grundsätzen und Lehren da und dort etliche mit einmischte, wurde in Dionysius ein leidenschaftliches, fast wahn sinniges Verlangen nach dem Unterrichte Plato's und dem Umgänge mit ihm angeregt. Alsbald gieng nach Athen eine Menge von Brie fen ab, welche Dionysius schrieb; dazu kamen vielfache dringende Aufforderungen von Seiten Dions und noch weitere aus Italien von den Pythagoräern, die ihn inständig baten, sich einzufinden und sich einer jungen, durch die Größe ihrer Macht und Gewalt außer den Fugen gekommenen Seele anzunehmen, um derselben durch ernstere Vorstellungen wieder einen inneren Halt zu geben. Plato nun, der sich, nach seiner eigenen Aeußerung, vor sich selbst schämte, weil es scheinen konnte, als wäre sein ganzes Wesen nichts, als Geschwätze, ohne daß er irgend auch eine Thätigkeit mit eigenem Willen in Angriff nehmen wollte, gab sich der Erwartung hin, durch die gründliche Purgirung eines einzigen Menschen, der gleichsam den führenden Theil in seiner Person vorstellte, die Krank heit von ganz Sicilien heilen zu können. Er folgte also dem erhal tenen Rufe. Allein jetzt wurde Dions Gegenpartei wegen einer etwaigen Umwandlung in Dionysius' Charakter besorgt und veranlaßte Letz teren, dem Philistus die Heimkehr aus seiner Verbannung wieder zu gestatten, um an diesem Manne, der eine hohe wissenschaftliche Bil dung besaß und mit den Grundsätzen des Hoflebens genau bekannt war, ein Gegengewicht gegen Plato und dessen Philosophie zu er halten.