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Syrakus legen und den Sturz der Tyrannei vorbereiten wollte; ja dieser gute Geist war es, welcher Plato aus Italien nach Syrakus hiuüberbrachte und sodann Dion zu philosophischen Gesprächen mit ihm zusammenführte. Damals war Dion noch ein ganz junger Mann, aber der talentvollste von allen Schülern Plato's, der zugleich das größte sittliche Streben besaß, wie ihm denn Plato selbst dieses Zeugniß giebt und die Thatsachen es bestätigen. In niedrigen Ge sinnungen unter dem Tyrannen ausgewachsen, — an ein ungleich artiges, angstvolles Leben, an luxuriöse Bedienung, rohe Ver schwendung und eine Art der Existenz, welche das höchste Glück nur in Befriedigung der Sinnlichkeit und Habsucht fand, bis zum vollsten Uebermaße gewöhnt, bedurfte er doch nur eines ersten Augen blicks, worin er die Lehren der Vernunft in einer zur Tugend mäch tig hinführenden Philosophie verschmeckte: und schon war seine Seele entflammt. Ja, bei dem raschen Gehorsam, den das Gute bei ihm selber fand, erwartete er in seiner vollen, jugendlichen Unschuld, daß die gleiche Doctriu auch auf Dionysius den nämlichen Eindruck machen würde. Und wirklich brachte er es durch seinen Eifer endlich dahin, daß dieser sich die Zeit nahm, mit Plato in Persönliche Be rührung zu treten und dessen Vorträge anzuhören. 5. Nachdem ihre Verbindung eingetreten war, wurde theils im Allgemeinen über die sittliche Tugend eines Mannes, theils in vor züglichem Maße über die Tapferkeit verhandelt. Als nun Plato nachzuweisen suchte, „daß Jedermann eher, als ein Tyrann, tapfer sei", dann auf etwas Anderes übergehend von der Gerechtigkeit lehrte: „daß nur das Leben eines gerechten Menschen in hohem Grade glücklich, das der ungerechten Menschen höchst unglücklich sei;" da fand der Tyrann, welcher sich so zu sagen getroffen fühlte, der artige Behauptungen ganz unerträglich und war höchst ungehalten über die sonstigen Zuhörer, welche die Worte des Philosophen mit Bewunderung aufnahmen, ja von ihnen ganz bezaubert waren. End lich richtete er im aufgeregtesten Zorne die Frage an ihn: „was ihn denn eigentlich nach Sicilien hergeführt habe?" — „Nun," sagte Plato, „ich wollte einen guten Menschen suchen," —worauf der König ihm in's Wort fiel, indem er sagte: „aber beim Himmel, du hast offenbar noch keinen gefunden!"