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62 mit zubrachte. Vielleicht suchte er dem klaren Bewußtsein seiner Lage, das sich ihm im nüchternen Zustande aufdrängte, zu entrinnen und durch den Rausch alles Nachdenken zu unterdrücken; vielleicht auch glaubte er endlich einzusehen, daß eben dieses das Leben sei, nach welchem er schon seit langer Zeit sich eigentlich gesehnt und getrachtet, während er durch Unverstand und eitle Ruhmsucht auf falsche Wege geführt wurde und sich und Andern viel Herzeleid machte, indem er in Waffen, Flotten und Armeen das Glück suchte, welches er jetzt in Unthätigkeit, Müssiggang und Ruhe so unerwartet gefunden. „Dieß sei ja der einzige Zweck von allen Kriegen und Gefahren bei den armen Fürsten in ihrem jämmerlichen Unverstände, — jämmerlich, nicht weil sie nur dem üppigen Genufse nachjagen, anstatt dem Guten und Edlen, sondern weil sie nicht einmal das Genießen, das Ueppig- sein wirklich verstehen!" Nachdem also Demetrius drei Jahre als Gefangener im Cher- sones gelebt hatte, erkrankte er in Folge von Unthätigkeit, Völlerei und Trunksucht und starb im Alter von 54 Jahren. Das allgemeine Urtheil über Seleukus lautete hiebei sehr un günstig; auch bereute er es selbst gewaltig, daß er den Demetrius noch jetzt mit solchem Mißtrauen behandelt und nicht einnial das Beispiel eines barbarischen Thrakiers, Dromichätes, nachgeahmt habe, von welchem der gleichfalls gefangene Lysimachus eine so freundliche, ja königliche Behandlung erfahren hatte. 53. Uebrigens zeigte auch die Behandlung seines Leichen begängnisses einen gewissen komödienhaften, theatralischen Anstrich. Demetrius' Sohn, Antigonus, fuhr, fobald er hörte, daß die Ueber- reste seines Vaters unterwegs seien, ihnen mit der gesammten Flotte bis an die Inseln entgegen. Hier nahm er die aus getriebenem Gold verfertigte Urne in Empfang und setzte sie auf das größte Admiral schiff. Die Städte, an welchen sie anhielten, brachten nicht nur Kränze für die Urne, sondern schickten auch Beauftragte im Trauer- gewande, um der Bestattung beizuwohnen und dem Todten das Ge leite zu geben. Als die Flotte bei Korinth ansegelte, sah man den Aschenkrug an einem hervorragenden Platze auf dem Hintertheile des Schiffs stehen, mit dem königlichen Purpur und Diadem geschmückt; daneben standen zu ihrer Bedeckung junge Soldaten im Waffen-