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45 von seiner an Seleukus verheiratheten Tochter, daß diese jetzt Gattin von Seleueus' Sohn geworden und zur Königin der oberen Pro vinzen ausgerufen sei. Dicß gieng so. Antiochus verliebte sich in die noch junge Stratonike, die aber bereits von Seleukus ein Kind hatte. Er gerieth dadurch in eine sehr traurige Lage und that das Möglichste, um seine Leidenschaft siegreich zu bekämpfen. Endlich sah er das Sträfliche seiner Neigung, wie die Unheilbarkeit seines Leidens ein, gegen welches alle Vernunft gründe unwirksam blieben. Er suchte jetzt nur noch eine gute Art, aus demLeben zu scheiden und seinen Leib ohne Aufsehen, durch bloße Entziehung von Pflege und Nahrung, zur Auflösung zu bringen. Zu diesem Zwecke heuchelte er eine Krankheit. Der Arzt ErasistratuS merkte jedoch unschwer seine Verliebtheit, während ihm der Gegen stand seiner Liebe ein Räthsel war. Um der Sache nun auf die Spur zu kommen, blieb er den ganzen Tag im Krankenzimmer, und so oft ein hübscher, junger Mensch oder eine weibliche Person hereintrat, blickte er dem Antiochus in's Gesicht und beobachtete alle die mit Seelenaffektionen sympathischen Körpertheile und Bewegungen des selben. Beim Eintreten von allen sonstigen Personen blieb Antiochus in seiner ganzen Haltung unverändert; nur wenn Stratonike, wie dieß öfters geschah, entweder allein für sich oder in Begleitung des Seleukus ihn besuchte, zeigten sich an ihm alle jene Erscheinungen, welche Sappho so richtig beschreibt: — das Stocken der Stimme, — das Feuerrothwerden, — Augenzucken, — heftig ausbrechender Schweiß, — unordentlicher, aufgeregter Puls, — endlich, wenn die Seele dem Sturme unterliegt, Verlegenheit, Betroffenheit und Er blassen. Aus allen diesen Symptomen zog ErasistratuS den Wahr- scheinlichkeitsschluß, daß der Prinz nicht leicht bei einer andern Per son iu seinem Schweige» bis zu seinem Tode verharren würde. Frei lich hielt er es für sehr schwierig, die Sache kundzugebcn und auszu sprechen. Aber im Vertrauen auf die freundliche Gesinnung des Seleukus gegen seinen Sohn trotzte er dieser Gefahr und äußerte gegen den König: „das Leiden des jungen Mannes sei eine Liebe, aber eine unmögliche Liebe, der nicht geholfen werden könne." Der König erschrack und fragte: „warum hier nicht könne geholfen werden?" worauf ErasistratuS erwiderte: „Ja, es ist so; er liebt