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70 Natur nicht unedel, oder unempfindlich für die Ehre; auch hatte er sich nicht, wie die meisten Alleinherren, durch zügellose Neigungen, Hab-und Herrschsucht zu dieser Ungerechtigkeit Hinreißen lassen; der Ehrgeiz hatte noch in jungen Jahren sein Herz entzündet; lügnerische, hohle Redensarten vom Fürstenthum, das man ihm als höchstes Glück und Seligkeit darstellte, hatte er auf unverständige Weise in seinen Geist ausgenommen; aber nachdem er sich die Stellung eines Fürsten errungen, hatte er gar bald die drückende Last der Alleinherrschaft wieder übersatt. Dabei empfand er ebensowohl eine Eifersucht gegen Aratus' Ruhm, als eine entschiedene Furcht vor dessen feindlichen Ab sichten. Durch den schönsten Entschluß, den er fassen konnte, erfolgte ein plötzlicher Umschlag, wobei er in erster Linie sich selbst von dem Gehaßt- und Gefürchtetsein, von Leibwachen und Trabanten be freien, sodann aber auch der Wohlthäter seiner Heimat werden wollte. Nachdem er den Aratus zu sich berufen, legte er sein Regiment nieder und veranlaßte den Uebertritt von Megapolis zu dem achäischen Bund. Dies erwarb ihm bei den Achäern eine solche Werthschätzung, das; man ihn sogar zum Strategen erwählte. Der Ehrgeiz, möglichst bald den Ar. tus an Ruhm zu über bieten, veranlaßte ihn jetzt, neben vielen sonstigen Unternehmungen, die man nicht gerade für nothwendig erachten konnte, namentlich auch einen Feldzug gegen Lakedämon zu beantragen. Der Widerstand des Aratus gegen diesen Plan wurde als Neid ausgelegt. Lydiades wurde zum zweiten Mal Stratege durch öffentliche Wahl, wobei Aratus bereits mit Entschiedenheit ihm entgegenwirkte und die Uebertragung der höchsten Stelle an einen Andern eisrigst betrieb. Denn er selbst bekleidete sie, wie oben erzählt, nur je über ein Jahr. Getragen von der Volksgunst behauptete sich nun Lydiades bis zu seiner dritten Strategie und führte gleichfalls je im andern Jahr die oberste Leitung, indem er mit Aratus als Stratege abwech selte. Aber dann gab er eine ganz offenbar feindselige Gesinnung zu erkennen, wurde jedoch, nachdem er oftmals den Aratus bei den Achäern verklagt hatte, weggeworfen und gerieth in völlige Mißachtung, weil man annahm, daß er mit einem nur künstlich angenommenen Charakter gegen eine wahrhaftige, ächte Tugend rivalisiren wolle. Es war, wie bei Aesop in der Fabel. Der Kukuk fragte die kleinen Vögel, warum