10. AratuS war nach seinem ganzen Wesen ein staatskluger, großdenkender Mann, der genauer auf das allgemeine Beste sah, als auf sein eigenes Interesse, — ein erbitterter Tyrannenfeind, welcher für Feindschaft und Freundschaft nur eine einzige Gränze kannte, das öffentliche Wohl. Daher scheint er nicht sowohl ein zuverlässiger Freund gewesen zu sein, als vielmehr ein wohldenkender, milder Feind, indem er in Folge seiner Politik je nach den Zeitumständen nach beiden Seiten seinen Standpunkt wechseln konnte. Eintracht unter den Stämmen der Nation, Gemeinschaftlichkeit unter den ein zelnen Städten und im obersten Rath einer einstimmigen Volksversamm lung war das Ziel seines höchsten Strebens. Um sich in Krieg und Kampf einzulassen, dazu mangelte es ihm entschieden an kühnem Muth und Vertrauen aus die Zukunft; aber im Jntriguenspiel, in der ver steckten Bearbeitung von Staaten und Fürsten besaß er eine Meister schaft. Während er daher in Fällen, wo er Etwas wagte, nicht selten ganz unverhoffte Erfolge errang, scheint er andererseits durch über große Vorsicht ebenso oft ein Mißlingen dessen, was möglich war, herbeigeführt zu haben. Es giebt einige Thiere, deren Sehkraft in der Finsterniß wirksam, beim Tageslichte geblendet ist, und zwar durch die Trockenheit und Zartheit der im Auge befindlichen feuchten Ma terie, welche das Eindringen der Lichtstrahlen nicht ertragen kann. Ebenso giebt es auch bei den Menschen eine gewisse Tüchtigkeit und Verstandeskrast, die beim Wirken unter freiem Himmel und in offen kundigen Angelegenheiten leicht in Verwirrung geräth, dagegen bei versteckten, heimlichen Unternehmungen wieder ihren Muth gewinnt. Eine derartige Ungleichheit hat bei tüchtigen Talenten ihren Grund nur in dem Mangel an philosophischer Bildung. Bei solchen Talenten ist die Tugend eine Frucht, die von selber wild wachsen soll, ohne alle geistige Pflege. Diese Sätze werden ihren Beleg finden an den nach folgenden Beispielen. 11. Nachdem Aratus nun sich selbst und seine Vaterstadt mit dem achäischen Bunde vereinigt hatte, diente er bei der Reiterei und machte sich bei den Anführern durch seinen willigen Gehorsam sehr beliebt. Obgleich er durch seinen eigenen Ruhm und die Macht seiner Heimatstadt dem Bunde eine große Beisteuer geleistet hatte, so ließ er sich doch von dem jeweiligen Befehlshaber der Achäer, ob dieser nun