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Anzahl aus Furcht. Denn die Angst ist das Blutgierigste in einer despotischen Monarchie, wogegen der zuversichtliche Muth wohlwollend und mild ist und frei von jeglichem Argwohn. Deßwegen sind auch bei den Thieren gerade die wilden, ungebändigten sehr feig, während die edleren Thiere, welche mehr Vertrauen haben, den Liebkosungen der Menschen nicht ausweichen, eben wegen ihres Muthes. 26. Bereits in höheren Jahren mußte Artaxerxes noch bemer ken, wie seine Söhne im Kreise der Vertrauten und Großen am Hose bereits einen Thronstreit begannen. Die Wohlgesinnten verlangten, daß er in gleicher Weise, wie er selbst das Scepter erhalten hatte, es nun auch dem Darius hinterlassen sollte, kraft des Rechts der Erst geburt. Aber der Jüngste, Ochus, ein leidenschaftlicher, gewaltthätiger Mensch, hatte auch im Palaste nicht wenige eifrige Anhänger und hoffte hauptsächlich durch Atossa mit dem Vater fertig zu werden. Denn diese suchte er für sich einzunehmen durch das Versprechen, sie zu heirathen, wodurch sie nach des Vaters Tode gleichfalls Königin würde. Es gieng sogar das Gerücht, daß er schon bei Lebzeiten desselben heimlicherweise mit ihr in näherem Umgang stand. Hievon wußte jedoch Artaxerxes nichts. Um nun dem Ochus schnell und ent schieden jede Hoffnung zu benehmen, damit nicht durch dessen Keckheit, geradeso wie bei Kyrus, abermals Krieg und blutiger Streit über das Königreich Hereinbrechen sollte, ernannte er den Darius, welcher da mals im fünfzigsten Lebensjahre stand, zum König und gestattete ihm das Tragen der ausrechtstehcnden sog. Kitaris (Tiare). Nun gab es ein Gesetz in Persien, wornach jeder neuernannte Thronfolger um ein Geschenk bitten durfte und der König, der ihn ernannt hatte, ihm, wenn irgend möglich, stets diese Bitte gewähren sollte. Darius bat um Aspasia, früher die leidenschaftlich verehrte Geliebte des Darius, jetzt im königlichen Harem selbst befindlich. Sie war aus Phokäa in Jonien gebürtig, stammte von freien Eltern und hatte eine sehr anständige Erziehung genossen. Man führte sie in früherer Zeit, während Kyrus tafelte, mit andern Mädchen in den Saal herein. Letztere setzten sich alle sogleich neben ihn, und als er mit ihnen zum Theil handgreifliche Scherze und Possen zu machen anfieng, ließen sie sich seine Zärtlichkeiten nicht ungern gefallen. Nur Aspasia blieb, ohne ein Wort zu reden, am Ruhebett stehen und folgte