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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.06.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192306167
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- Saxonica
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- Bemerkung
- Text schlecht lesbar
- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
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Jahr
1923
-
Monat
1923-06
- Tag 1923-06-16
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Monat
1923-06
-
Jahr
1923
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8«»»» N». «« politische Wurstküche Aus dem Gerichtsgebäude in der AL zu München, wo ein „Volksgericht" tagt, steigen widerliche Dünste auf. Man hat einen Wurst kessel aufgedeckt, in dem allerlei anrüchiges Zeug zusammengerührt war, und die eklige dampfende Masse wird vor aller Augen ausgebreitet: Per- schwürung, Verrat, Putsch, Zerreißung Deutsch lands, das alles tm französischen Solde, aber nnt nationalen Phrasen garniert und nnt gegenseiti. ger Bespitzelung und Verdächtigung gewürzt. Das Ganze nennt sich Hochverratsprozeß Fuchs, Mach Haus und Genossen. * Wie bei den meisten politischen Prozessen der jüngsten Zeit, so haben auch hier d-e Ange klagten nur Nebenrollen. Zwei der Haupt- lclcstcten sind überdies schon tot: kühles und Marschaus. Sie haben angeblich Selbstmord verübt. Ob gute Freunde dabei etwa mit Pra linen, wie im Nathenau-Mordprozeß, oder viel- leicht mit anderen Mitteln nachgeholsen haben, weift man nicht. Die Toten können jedenfalls nichts mehr enthüllen und sich nicht verteidigen, wenn man alle Schuld auf sie wälzt. Dr. Küh - les, ehemaliger rechtskundiger Magistratsrat und Straßenbahnreferent von München, wird von einem Leumundszeugen als „überlegener Intellekt" bezeichnet. Diesem „überlegenen In- tellekt" verdanken wir folgende Sinnsprüche: „Ein Franzose ist mir von hinten lieber als ein Preuße von vorn", „Gott strafe England! Gott strafe Frankreich! Es lebe König Rupprecht!" Wenn alle Münchner Spießer, die dieses politische Glaubensbekenntnis teilen, überlegene Intellekte sind, dann wird manches begreiflich. Das Gegen stück dozu ist das „starke Temperament" Mach. Haus, teils Kapellmeister, teils Redakteur des Völkischen Beobachters, teils „entschiedener Fran- zosenscind", teils Empfänger etlicher Millionen Mark aus französischen Staatsmitteln. Run zu den Lebenden! Da ist zunächst Pro fessor Georg Fuchs, „speziell intuitiv vcran- lagt", wie sein Leumundszeuge bekundet. Er hat die Anregungen gegeben, in München einen Ausstellungspark und ein Künstlertheater zu 'chassen, Bolksfestspiele zu veranstalten und eine Gewerbeschau abzuhalten. Zwischendurch spielte ec die einst demokratischen Münchner Neuesten Nachrichten der Schwerindustrie und den Deutsch nationalen in die Hände und erhielt dafiir einen Judaslohn von AOllO Mark monatlich bis zum März 1922. Als die Gewerbeschau voriibcr war, unternahm Fuchs die Erlösung Deutschlands vom Bolschewismus verbunden mit der Wiederauf- richtung des Thrones der Wittelsbacher. Richt etwa, um Volitik zu treiben. Das lag ihm ganz fern. Für ihn ist eine Revolution nichts gründ- säßlich anderes als Bolksfestspiele oder eine Ge werbe'chau. Die Hauptsache ist. daß etwas-ge schieht. und zwar durch ihn, Herrn Professor Georg Fuchs, und „grofi'ügig". Wahrend er das nötige G-ld dazu aus Frankreich beschosst, ver handelt der Kohlenhändler Munk mit der Tschechoslowakei und drei weitere Angeklagte, Beraer und die Brüder Gutermann, Mitasieder des Blücberbundes, liefern Soldaten und Waffen. Wodurch sich die drei letzten Angeklagten in ihrer Stellung zu der Hochverratssache von den Zeugen Schäfer, Hug, Rüge, Stähle, Pankow vom Blücherbund und den ehemaligen Offizieren Major Mayr und Kapilänleutnant Kautter unter scheiden, ist mit bloßem Auge kaum zu erkennen Mayr und Kautter haben sicherlich die Aufdeckung der Verschwörung betrieben, aber ob sie und die anderen nicht wenigstens vorübergehend an den Putschvorbereitungen teilnabmen, ob nicht der eine oder der andere von ihnen, wie die Ver- teid'guna sagte als Anstifter und M^rolec in Frage kommt, ist dunkel aeblicben. Ieo«aualls hat, nach Zeugenaussagen, Mayr, der schon beim Kapp-Putsch und beim Sturz des bayerischen Kabinetts Hofsmann eine Rolle spielte, -einen militärischen Plan ausgearbeitet, von dem der sran-ösiscbe Agent Oberst Richert versicherte, er sehe an der Aufstellung, daß „die Sache Hand und Fuß" habe. Die Herren vom Blücherbund mißtrauten sich gegenseitig: Schäfer lieft Rüge durch Hug überwachen, Rüge wiederum lieft Schäfer bespitzeln, und der Student Stöhle beob- achte'e den Angeklagten Berger in Schäfers Auf trag. Angenehme Verhältnisse im Blücherbund! In diesem Bunde wurden auch schwarze Listen geführt, auf denen die „nicht vaterlän disch Gesinnten" verzeichnet waren. Mißliebige Personen sollten beseitigt werden, wofür Rüge tödlich wirkendes Gift und Dolche bercithielt. Bei- spielswei'e war voroesehen, Dr. Heim zu erdol- chen und Dietrich Eckart vom Völkischen Beob achter durch Gitt zu beseitigen. Wvhlgemer?/: die Herren, die solche Mordvläne schmiedeten und die „Kompanien" des Hlücherbundes zum „Los- schlagen" bereitstellten, find keine Angeklagten, sondern Zeugen! * Das Gewicht der Persönlichkeiten wächst mit der Entfernung von der Anklage. Die Träger der Hauptrollen bei der Verschwörung», tragödie wurden nicht einmal als Zeuacu bemüht. Man ließ sic im Hintergründe stehen und nur ihre Schatten treten auf. Wer finanzierte das Unternehmen? Der fran zösische Oberst Augustin Tamer Richert, der von Angeklagten und Zeugen als Vertrauens mann Millerands, Poinear^s und Loucheurs be zeichnet wird. Das Gericht stellt au» den Akten fest, daß er im Saarqebiet, wo er eine Neben- regieruna bildet, Dutzende von DeuHchen vor französische Kriegsgerichte gebracht hat, ein ganzes Heer von Spitzeln und Denunzianten unterhält und als der „Inbegriff französischer Heuchelei, Hinterlist, Gemeinheit und Niedertracht" gilt. Don diesem dunklen Ehrenmann haben sich deutsche „national gesinnte" Mäimec dafür de- zahlen lassen, daß sie die gewaltsame Losreißung Baern» vom Reiche vorbereiteten. Rund hun- dert 9?ülionen Plack sind durch seinc Bermitt- lvng den Angeklagten und „nationalen Ver bänden" .zugcslossen. Diesen Richert hätte man verhaften und vor Gericht stellen können. Am 19. Februar abends, acht Tage vor dem Termin, der für das „Los- schlagen" festgesetzt war, wollten Mayr und Kaut ter ihn „hochnehmen" lassen und forderten den Minister des Innern Schweyer dringend auf, ihn verhaften zu lassen. Aber Herr Schweyer hatte Bedenken. Er mußte die Sache erst mit dem Polizeipräsidenten Nortz besprechen. Nortz war „geschmerzt" — ein unübersetzbares dayerr- schcs Wort, etwas mehr als „verstimmt", etwas weniger als „beleidigt" —, weil „Privatleute die Sache machten". Was hatten auch Privat leute sich um Dinge zu kümmern, die zur Zu- ständigkeit der Polizei gehören! Die Münchner Polizei ist weise; sie allein kann beurteilen, wer verhaftet werden soll. Sie verbietet Zeitungen, die staatsgefährliche nationalistische Umtriebe aufdeckcn, und läßt den französischen Agenten, der Deutschland zerreißen will, entwischen. Weil Herr Nori; geschmerzt ist, oder weil Herr Schweyer „innerpolitische" Gründe hat, Richert laufen zu lassen? Im Landtage behauptete der Minister, das Material sei für die Verhaftung zu mangel haft gewesen. Nach den Zeugenaussagen im Prozeß sollte man eher meinen, daß das Material geradezu erdrückend war. Fürchtete vielleicht Herr Schwerer, Minister der Republik Bayern, daß aus der Verhaftung Richerts dem Prinzen Rupprecht, der sich noch immer Kronprinz nennt, Unannehmlichkeiten erwachsen konnten? Prinz Rupprecht, der vierte der großen Schalten, die auf dem Hintergrund der Bühne sichtbar werden, hatte nämlich, nach einer Zeugen- anssage, kurz nach dem Tode Ludwigs Iss. Kem Professor Fuchs den ausdrücklichen Auf. trag gegeben, bei der fr a n z ö s i s ch e n Re- gierung die Entsendung eines offiziellen 2lb- gesandten zu erwirken, mit dem am 6. Dezember 1921 über die Errichtung eines großbayeri- sch en Königreichs mit Tirol und Oester- reich ohne Wien, und die Gründung eines neuen Rheinbundes verhandelt werden sollte. Im Auftrage Millerands wurde jener Oberst Richert geschickt. Nunprecht soll ihn allerdings nicht empfangen haben, wahrscheinlich, weil ihm in- zwischen Bedenken oekomn-en waren. Es ist aber im'"erh'n wertvoll zu wissen, daß der Anwärter auf den t--a»'erischcn Thron einmal aanz ernsthaft die Zerstückelung des Deutschen Reiches nnd die Annahme einer Köniaskrone von Millevanbs G adcn geplant hat. Warum auch nicht? Hat nicht sein Urgroßvater Maximilian genau das 'Gleiche getan, als er sich van Napoleon zum KönP machen ließ? Unsere Monarchisten mögen .sich daran erbauen und mit Kühles rrtten: „Es lebe König Rupprecht!" Aber dann sollten sie wenigstens nicht mehr behaupten, daß sie national gesinnt seien! * In München berät fetzt das Volksaericht über Schuld und Sarosi' der Anaeklaoten. Die Kennen, ob r dock n te" ihnen, me dr' e schiert aufatmen, well man sie laufen läßt. Die Schal- te i abec blc beu i u Hi ttorg!u- dr uubehenigr. Rickert wird sich wohl für einige Zeit nicht mehr in München sehen lassen. Schweyer bleibt baye rischer Minister und wahrt weiter das Geheim nis , warum er Richert entkommen lieft. Nortz b?sck"tt'gt sich damit republikanische Zeitungen und Dcrsammlu"aen zu unterdrücken. Und Ruvvrccht? Der wartet, bis sich das W'rt- s^s-af slPrn bessert denn — so soll er nach der Aussage Munks erklärt haben — „in ei "er Zeit der abmürtsgebenden Geschäfts. konfu"ktur ist für die Monarchie kein Platz." Dann aber kommt er, wie er dem Professor Fuchs sagte, „mit Schulkindern und w-?<sraek>ideten Jungfrauen, wenn das baye rische Batt ihn ruft " So-viel an Torheit Gesinnungslosigkeit und Gemeinheit durch den Brcneft auch ans Taaes- licht ackon-n-en ist, das Beklagenswerteste scheint uns doch die Sorcllosigkeit zu sein, mit der in München die berufenen H'"'ter der Verfassung ihres A"'te* matten. Das Ruch steht d'Gen Ku- ständen in Bauern machtlos aegenüber. Abhilfe kann nur aus dem bayerischen selbst kommen, my'.u der Blick in den politischen Wurst- kessel einiges beitragen möge. ll Lest. weitere Zeugenaussagen rm Zuchs-Machhaus-Prozeß München, 15. Juni. (Lig. Tel.) Im Sochver- ratsprozeß Fuchs erklärte der Lculanant Neunzert als Zeuge, Fuchs habe ihm als sein Programm nach dem bald vorauszusehenden Sturz Ennos die Zer trümmerung des Reiches bezeichnet, «m zv einer wahren Einheit zu kommen, ^ür den Umsturz sei alles vorbereitet, und es würde noch in diesen Tagen zur Katastrophe kommen. Dies habe Fuchs an dem Tage erklärt, an dem er zu General Lossow gebracht werden sollte. Dem Zeugen grgeniibergc- stellt, sagt Fuchs, seine Absicht sei gewesen, denk' General Lossow eine Grneralbeichte abzulegen, um aus der Sache herauszukommen. Aus den Wider spruch aufmerksam gemacht, der darin liegt, daß er gleichzeitig von der unmittelbar bevorstehend««, Aktion und seiner Absicht, di« Sach« in die Hand eine» Be- rufcncren zu legen, sprach, erklärte Fuchs, er habe gemeint, nicht er, sondern die nationalen Verbände würden losschlagen. Der bayerische Minister--äsidcnt vcn Knilling habe dem Reichskzanler erklärt, die Los lösung Bayern» vom Reiche sei unvermeidbar, wenn Breitscheidt ans Ruder komme. Fuchs sprach diesmal nicht mehr mit der gewohnten Sicherheit. Allmählich nähert sich die Zeugenvernehmung ihrem Ende. Dr. Bernhuber, der wegen seiner unklaren Haltung in der Angelegenheit als einziger Zeuge vereidigt vernommen worden war, war Leiter des Kunfthortes, und durch diesen gingen über SO Millionen Mark und außerdem einige DÄpaket«, deren Inhalt Dernhuber nicht Ldkvant Mar. Bernhaber zahlte immer aus Weisung von Fuchs au». Den französischen Oberst Richert will Bsrnhuder »ur at, Klueftfreund und industriellen Vertreter kennen ge- lernt haben. Bernhuber gab dem Fuch» auch di« Mitteilung, daß wegen de» bevorstehenden bolsche wistischen Vorstoßes Truppen vom Norden noch S?d- deutschland geschafft werden sollten. Bon einem Plan, daß Bernhuber nach dem Absturz Finanz minister werden sollte, will er nie etwas gehört haben. Zeine Helfer! Nun ist auch die Landwirtschaft in Fronde gegenüber der Regieruna getreten. Der Reichs- lanübund, in dem sich der agrarische Großgrund- besitz zusammengeschlossen hat, stellt der Reichs- regiere,ng seine Fordernngen für die Aeguivalent«, die das deutsche Volk ihm hinzugebcn bat, wenn er die Garantie für die Reparationsleistungen mit übernehmen fäll. Zunächst wird diese Hilfe, über deren Inhalt nichts gesagt ist. al» „freiwillig" hin gestellt, und damit niemand ssch über die Momente täuscht, von denen die Grundhcrren ihre Freiwillig, keit abhängig machen, definieren die Edlen genau, w'.c eine Regierung beschaffen sein muß, damit sie in ihren Augen unterstutzungswürdig sei: sie muß „bi» zum letzten und äußerste» Kamps für die Unversehrt heit des Reichsgebietes einzutreten entschlossen sein". Abgesehen davon, daß es lustig anzuschauen ist, wie der Reichslandbund der Regierung so ungefähr das Gegenteil von dem zumutet, da« er selbst auf sich nimmt, eröffnet diese Klausel Ausblicke in die Zukunft, die für eine Regierung nichts anderes al« Unsicherheit und Abhängrqkeit vom engsten Partei gesichtswinkel bedeuten. Das heißt denn „bis zürn letzten und äußersten Kampfe entschlossen"? Liest man die Blätter der Rechten, so wird man leicht ge wahr, daß diese Kreise in der Regierung Cuno diese äußerste Kraftanstrenguna, von der (wenn andere sich ihr unterziehen!) nach ihrer Meinung Deutschlands Rettung abhöngt, vermissen. Da aber nicht damit zu rechnen ist, daß alsbald eine konservative Re- gierung Deutschlands Geschäfte übernimmt, ergibt sich der beruhigende Zustand, daß die Fristen, von denen ab die Hilfe der Großagrarier einzusetzen hätte, nock gar nicht zu laufen begonnen haben. Aber — das klingt ja ganz wie Paris! Und siehe da: diese Herren betonen wahrhaftig, daß „die Privatwirtschaft nur subsidiär haftet", mit anderen Worten: sie berufen sich auf V e rsailles, auf Llemcnreau, unter dessen wxhutz sie krieckcn, um der Reichsrcgierung mit drohenden Gebärden zu zurufen: sei du ja zum letzten, äußersten Kampf für die Einheit und Unversehrtheit des Reichsgebietes entschlossen! Auf solche Verwirrung und Skrupellosigkeit gibt es nur eine Antwort: bas Gesetz der souveränen Staatsoemalt, die solchen Herrschaften verständlich mach', 'k-h sic sich ihr dienend unterzrwrdnen haben. deutscher Reichstag Berlin, 14. Juni. (Lig. Tel.) In der heutigen Fortsetzung der Reichstagsdebatte über dos Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrank heiten kam der Gegensatz zwischen Naturheil- kündigen und Anhängern der wissen schaftlichen Medizin «sst erheblich größerer Schärfe wre gestern zum Ausdruck. Der soz. Abg. Hoffmann-Thüringen, ein be kannter Verfechter der Naturhcilmclhode, wandte sich in sehr ausgedehnter Rebe gegen den Gesetzentwurf. Er warf dem Gesetz vor, es sei eine Privilegierung der Schulmedizin und ein unerträglicher Eingriff in die Rechte des einzelnen Menschen. Mediziualrat Iadasson betonte, di« Natur heilmethode hab« sich gerade auf dem Gebiete der Geschlechtskrankheiten noch einwandfreien Fest stellungen nicht bewahrt. Die wirksamsten Heilmittel, die es gegen die Geschlechtskrankheiten gebe, könnten wohl gewisse Schäden anrichten, aber man sei heute doch schon so weit, diese Gefahr fast vollkommen aus- schaden kä„n'" Auch Abg. Dr. Moses (Soz.) wies darauf hin. daß die La-cnöchc.n^ lang von ^ez^ic^tscraulycccrn in fast allen Kulturländern verboten fei. Mg. Brodaus (Dem.) vortrat den Teil der demokratischen Franktion, der gegen das Gesetz ist, Heilsreiheit und eine Bevorzugung - der Schul- Medizin sieht. Zum Schluß der allgemeinen Aussprache vertrat Abg. Dr. Grotian ^Soz.) einen Antrag se'n'r Borte!, wonach ärztliche Eingriffe anch dann "von der Zustimmung d-s Patienten abhängig gemacht wend-n sollen, wenn sie nicht, wie es in der Vorlage heißte „mit einer ernsten Gefahr für Leben und Gesundheit verbunden sind." Dieser Antrag wird abgelehnt, da gegen ein Zentrumsantrvg angenommen, wonach di« Negierung bestimmen soll, welche Eingriffe von der Zustimmung des Patienten abhängig zu machen sind. Im übrigen werden die drei ersten Paragraphen, die entscheidendsten'des ganzen Gesetzes, in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung angenommen. Znm 8 4, der diejenigen mit Gefängnis bedroht, di« trotz bewußter Erkrankung geschleckt- lich verkehren, wird ein Antrag der Sozial demokraten angenommen, daß gerichtlich« Verfolgung nur auf Antrag de« geschädigten Teiles oder der Ge- sundbcitsbehorden eintreten soll. Ebenso wird 8 5 angenommen, der diejenigen mit Gefängnisstrafe bedroht, die als Geschleckts» kranke «ine Ehe eingehen, ohne den ande- ren Teil von dieser Krankheit -u unterrichten. Zu 8 8 wird ein sozialdemokratischer Antrag ongenom- men, der das ärztliche Bebandlnngsmnnopvl auf ansteckende Geschlechtskrankheiten beschränkt, andere Erkrankungen oder Leiden der Geschlechtsorgane aber auch durch Personen behandeln lassen will, die unter ärztlicher Leitung stehen. Die Beratung der übrigen Paragraphen wurde auf die nächste Sitzung vertagt. Unterbrechung -er Rerchrtagssitznngen Berlin, 15. Juni. (Eig. Te l.) Der Aeltcstenrat de» Reichstage» beschloß, vom Dienstag nächster Woche ab bi» 3. Juli eine Pause in den Dollsitzvngen eintreten zu lassen, um dem Steuerausschuß Zeit für seine Beratungen zu geben. Rach dem W ederzu- sammentrttt sollen die Steuergesetze erledigt werden und der Reichstag hasst dann, am oder IS. Juli in die Sommerferien gehen zu können. Der kommunistisch« Rcichstagsübgeordnete Häk lein, der monatelang in Dmss» geftmgrngehakten worden war, lst am Donnerstag abend in Richtung Straßburg—Kehl a dgefch öd e n worden. Nachklänge zu -en Dresdner Unruhen Deoodr», 15. Juni. (Eig. Tel.) Der vklßoch genannte frühere Leutnant E. Krull, der-mit den lösten Dresdner Unruhen in Zusammenhang ge- bracht wurde, schreibt jetzt darüber in d« Deut schen Zeitung, daß er in der betreffenden Zeit sich in Privatangelegenheiten in Dresden aufgehalcen hat«, daß ihm ferner seit längerem bekannt ge- wefen sei, daß eine Abordnung von Bolschewisten au« Rußland auf dem Wege nach Deutschland lei. Gr hab« in Dresden die Dienststellen auf diese Ab- ordnung aufmerksam gemacht. Schon einige Jett zuvor habe das tschechische Konsulat in Dresden ebenfalls auf diesen Zug hingewiesen, und zwar ebenfalls erfolglos. Die Staatskanzlei teilt jetzt zu dieser Aus lassung des Leutnants Krull mit: Herr Krull hat in einigen deutschnationalen Blättern Berlins Ent- Hüllungen über die wahren Drahtzieher bei den Dresdner Krawallen 'veröffentlicht. Der Wert dieser sensationell zugespitzten Acußerungen wird durch eine Stelle des Berichtes so hinreichend gekennzeick- net. daß fick ein Eingehen auf die anderen Angaben erübrigt. An dieser Stelle erzählt nämlich Herr Krull: „Am 28. Mai wurde ich im Volizeipräsi- dium einem Herrn vvrgeführt, geschmückt mit dem Sowjetstern, der sich mir dann später als Ober- regieruagskommiffar Mi er sch zu erkennen gab." Der Oberregierungskommissar Miesch besitzt kelne» Sowjetstern uicd hat ihn auch niemals getragen, da er nicht zu der kommunistischen Partei gehört. Was den Herrn Krull zu feinen Verdacht gä>racht hat, war ein Abzeichen in den repubkikaaifchen Farben. Max HSlz kommt nickt nack Täcksen Dresden, 15. Juni. (Eig. Tel.) Die wir er- fahren, hat die preußische Regierung im Einver nehmen mit der Reichsregierung das Gesuch Max Hölz' um Uederführung in eine sächsi sche'S trafan st alt aus Sicherheitsgründen a b» gelehnt. Hölz bleibt also in der Strafanstalt Breslau. Der bei den letzten Dresdener Unruhen mehrfach provokatorisch hervorgeiretene Führer der Erwerbs losen Bellmann ist jetzt im Zusammenhang mit den letzten Teuerungskrawallen verhaftet worden. Die sächsische Regierung teilt jetzt im Anschluß an eine Rede, die der Abgeordnete Dr. Kaiser (DtDp) in einer Wahlkreisvertreterversammlung in Chemnitz gehalten hat, berichtigend mit, daß das Reich noch keinen Einspruch gegen die Amnest re- vorlage erhoben hat. Weiter wird gesagt, daß die Verweigerung der Rechtshilfe für einen Teil der bayrischen Dolksgerichfe den Zweck hatte, die Aufhebung der bayrischen Bolksgerichte zur Dis kussion zu stellen und daß eine Gefahr, die sich aus den Arbeiterhundertschaften einer Roten Armee ent wickeln könnte, nach Ansicht der Regierung keines- wegs bestehe. Vielmehr wiesen diese Hundertschaften den Gedanken einer militärischen Spielerei selbst mit Entschiedenheit von sich. IndexlThne Berlin, 15. Juni. Die gegenwärtige Weiter, Verschlechterung der Mark und die dadurch hervor- gerufene Teuerungswelle haben noch gewerkschaft licher Ansicht die Unzulänglichkeit der bisherigen Methode der Lohnpolitik gezeigt. Es wirb schon, rein technisch gesehen, immer schwieriger, das Lcchn- Niveau an die Steigerung der Lebenshaltungs kosten heranzubringen. Infolgedessen beschäftig- ten sich die gewerkschaftlichen Spitzen verbände mlt der Frage, in welcher Form eine automatische Angliederung der Löhne und Gehälter an die Steigerung derPreise gesichert werden könnte. Der Bundesvorstand des All» gemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes befaßt« sich am Mittwoch eingehend mit dieser Frage. Di« Spitzenorganisationcn der freiheitlich -- nationalen Gewerkschaften, der Gewerkschaftrring, untersuchte, wie weit durch Schaffung einer Art von Index- löhnen die automatische Angleichung der Ein kommen der Arbeitnehmer gesichert werden könne. Ende dieser Woche werden noch die geroerkschaft- lichcn Spitzenverbände, der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund, der Deutsche Gewerkschafts bund und der Gewerkichaftsring zusammentreten, um gemeinsam eine Lösung dieses Problems an- zustreben. Der deutsche Dekleidungsavbeiter-Derband h.tt anläßlich seiner letzten Lohnerhöhung darauf hin- gewiesen, daß er das nächste Mal die Forderung nach Goldlvhnen erheben wird. Ztambolijski gefangen? Nach einer Meldung der Bulgarischen Tcle- graphen-Agentur soll Stambolijski im Do.fe Golck bei Slavoria gefangengenommcu worden sein. Ob diese Nachricht den Tatsachen ent- spricht, läßt sich im Augenblick nicht nakhprüfen. Indessen klingt die Lesart wahrscheinlicher, wonach es sich hierbei nicht am den gestürzten Minister- Präsidenten handelt, sondern u» seinen Bruder. Stambolijski selbst soll es gelungen sein, nach Nord bulgarien zu entkommen, wo er auch mehr Aus- sickt hat, einen erfolgreichen Widerstand zu orga nisieren. Hat er doch einst vor mehr als 20 Jahren in Plewna die erste Ortsgruppe der Bauernpartei gegründet, nnd so sind hier auch noch die treuesten seiner Anhänger. Line andere Frage ist es allerding«, ob es ihm noch möglich ist, die neue Regierung durch einen Gegenputsch zu vertreiben, nachdem Aonkoff und ferne Getreuen Zeit genug gehabt haben, ihre Position zu festigen. Auch steht die bulgarische Bauernschaft jetzt mitten in der Ernte drin, und wird nur schwer dazu zu bewegen sein, diese lm Stich zu lassen, um für Stambolijski gegen Sofia zu marschieren. Inzwischen hat auch Stamboiijsio Innen» Minister Daskalow in Belgrad und Prag alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ein Eingreifen per Alliierten in Bulgarien zv erreichen. Wie es den Aiffchein hat, kann er auch einen Erfolg insofern aufwessen, al» die Klein« Latent« beschlossen Hoden soll, in Sofia wegen der „Verletzung de» Friedens vertrags" vorstellig zu werden. Allerdings ist dieser Schritt noch nicht erfolgt, doch ist mit'Hm zu rechnen, zmnal stchIugoslawi«, durch di, nationa len ZMr dr» Mtmftrrstan, -MIoU WchchHt Gchtz,
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