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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.04.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191804219
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19180421
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19180421
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-04
- Tag 1918-04-21
-
Monat
1918-04
-
Jahr
1918
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Sonntags-Ausgabe Bezugspreis:!.'! M »tertellLdrltch M. KL0: für Abholer monatlich M. 1.75: horch onser« ««smärllgen Filialen In« Han« gebracht monatlich M. LLli, viertel »ehrlich M.SÄ: borch hl» Poft tnnerdald Äeotiwland« Sesamt-Antaad« »»atlich Dt. 225. »ierteliSdrlich M. 8.75; Murgen-Aotgad« M. I,üa LdenL-Slalgad« M. 6,90, Sonntagl-Autgod» M. 0^0 monatltch ta»«schli«b>tch PoftdrstrUgehtlhr). Hauptichrifllelter: Dr. Erich Everlh, Leipzig. handels-FeUung Aorioblatt des Rates und des poUzeüuntes -er Stadt Leipzig 112. Jahrgang «nzeigenprels: L,LL"L LUi »noeige, ». Beerben ,» ,««. Teil dl« XolooelreN» 80 Pf. » an«» U> Psi: blot»« Bnzetge» »i, ffolonelzell« Sv Pf. „«»«rt« Sb Pf^ Selchaftsanzetgen mlt Platzvollchristen Im Prell» «rd-dt. BaSagen: Delamtaosloa» M. 7.— da« Tonlend aallchl. Poftgadlh«. aln^in»»»«r t0 Pf. — Sonn- nu» gcftla,« «5 Pf. r«>t»'«ch-»»Ichl»dRe.l4S»r. I««« ,n» Pofti chockboot» NM Schristieitong «ich SeichLtttfiell«: Sohanntlgofi« Tir.8, Verlag: Dr. Reinhold L To^ Leipzig. Rr. 201 Sonntag, den 21. April 1918 3' 2 Millionen Gefangene vkd. Berlin, 20. April abends. (Amtlich.) Do« den Kriegsschauplätzen nichts Neues. -x ^1t>. Berlin, 20. April. BlS 1. März 1918 machten di« Mittelmächte 3 450 000 Gefangene. Diese Zahl überschreitet die Gesamtzahl der männlichen Erwerbstätigen Schwedens, Norwegens und Dänemarks um mehr als eine halb« Millian. Sie übersteigt um ein Fünftel die männlichen Erwerbstätigen Deutschlands im Frie den. Die Mittelmächte gewannen damit ein Arbeiterheer, das auf den wichtigen Gebieten der Volkswirtschaft wertvolle Dienste leistet und einen großen Teil der zum Kriegsdienst einberufenen eigenen Arbeits kräfte ersetzt. Mit der Dauer des Krieges wächst dieses Arbeiterheer und feine Anpassung an die wirtschaftlichen und technischen Bedürfnisse der Mittelmächte. Brachte doch die siegreiche Westschlacht Deutsch land in einem Monat einen Gesangenenzuwachs von rund 125 000 Mann. * Im Dpern-Bogen nördlich St. Julien und südöstlich Fortuiu vorstotzende englische Abteilungen wurden adgewiesen und Netzen viele Tote und Verwundete liegen. Zwei Offiziere und zahlreiche Soldaten blieben gefangen in unser Hand. B«i Wylschaete u^ im Lysbogen, besonders zwischen Bailleul und der Gegend nördlich Meroille starker Feuerkampf. Südlich der Scarpe unterlnelt der Feind rege Patrouil- lentälizkeil. Ilm acht Uhr abends begann dort starkes Artilleriefeuer auf die deutschen Stellungen, das sich zwischen dem Flusse und der Slratz« ArraS—Eambrai allmählich verstärkte. Um 9,45 Uhr abends griff der Engländer mit stärkeren Abteilungen bei Tttloy an. Di«" deutsche Abwehr bereitete ihm jedoch eine blutige Schlappe. Rach den verlustreichen französischen Angriffen deS Vortages konnte der Feind am 19. 4. an der Avre mit seiner Infanterie die blutigen Sturmversuche nicht fortsehcn. Er beschränkte sich auf starke Feuertätigkeit, die sich auch auf die Anfchluhliuien der AngriffSsront übertrug. Feindliche Ansammlungen bei Hailles und norwestlich des SenecabWaldes zerschlug das deutsche Artllleriefeuer. Der Angriff am 18. April war planmäßig von den Franzosen vorbereilet worden. Durch den Einsatz mehrerer Divisionen sollte er den bedrängten britischen Bun desgenossen entlasten. Zwilf Tanks sollten dem Stur» «ine größere Wucht verleihe«. Don diesen Panzerwagen wurde« fünf durch Hand granate«, Mlneruverfer and Maschinengewehrfeuer außer Gefecht ge setzt. Sie liege» in und Unter den deutschen Linie«. Fast sämtlich« übrigen Tanks warben, schwer beschädigt, zu schleuniger Umkehr ge- zwoage«. Die blutigen Verlast« der Franzosen steigerten sich darch diese vergeblichen Angriffe abermals aaherordent- lich. 28909 Tonnen versenkt vid. Berlin, 20. April. (Amtlich.) Wieder 28 000 Brutto- Negifier-Tonnen versenkt! Hiervon hat ein Unterseeboot unter der bewährten Führung des Kapitänleutnanks Rose in zäher, fast zweitägiger Verfolgung eines stark gesicherten Geleilzuges der schwerem, die Tätigkeit des Bootes behinderndem Welter drei Dampfer mit zusammen über 21 WO Br.-Reg.-To. aus dem Geleitzug herausgeschosscn, darunter die englischen Dampfer «Port Campbell' (6230 Br.-Reg.-To.) und Tankdampfer «Lardillac ' (1l 140 Br.-Reg.-To.) Der Chef des Admiralstabes der Marine. * Ueber den Fortschritt unseres U-BootkriegeS unterrichtet man sich am besten aus den englischen Zeitungen. In der der englischen AuS- druchSweise zu Gebote stehenden kürzeren Anschaulichkeit enthalten die englischen Zeitungsartikel manches Wichtige, was die deutsch« Oeffent- lichkeit über dieses Thema zu wissen begehrt. — .Daily Telegraph ', ein regierungsseitig unterstütztes Blatt, warnt in seiner Nummer vom 4. 4. unter dem frischen Eindruck der englischen Niederlagen an de, West front dringend davor, jetzt das ganze Interesse der Frage des Mann- schoftsersatzes zozuwenden, and fährt fort: .Mit dem englischen Schiff bau geht eS rasend schnell bergab, und die ganz« Armee in Frankreich wird aufs trockne gesetzt, wenn nicht genug Arbeiter aus den Schiffs werften eingestellt werden. Hätten wir den Feind schnell auf dem Fest- land geschlagen, so hätten wir onsere Herrschaft zur See wiederher stellen könne«. Der Sieg blieb uns versagt, und wir stehen jetzt mitten in einer äußerst dramatischen, ungünstigen militärischen Lage mit einer Art zusammengeschrumpflen Handelsflotte da. Zur See stehe« wir nicht mehr so da, «sie vor Änem Jahre. 3Z; Millionen Tonnen sind seitdem dahin, d. h. ungefähr 49 v. H. des für bi« Versorgung der Zivil bevölkerung verfügbare« Schiffsraumes.' Oesterrelchrsch-ungarifcher Heeresbericht Wien, 20. Aprll. Amlllch wird gemeldet: Auf den italienischen Kriegsschauplätzen schränkte schlechtes Wetter die Kampstätigkett ein. Der Chef des Generalstabes. (W. T. B.) Ein Monat deutsche Sffenfive vtb. Berlin, 29. April. (Drahlbericht.) Am 21. Aprll ist seit Vegim» der deutschen Offensive ein Monat verstrichen. In dieser Zeit erlitte« die Engländer, Franzose« und Portugiesen «ine schwere Nieder lage nach der ander« und Netzen über 117 909 Gefangene in deÄscher Hand. Die G«fchShbe«te übersteigt di« gewaltige Zahl vo« 15 5 9. Die Zählung der vielen Tausende genommener Ma schinengewehre ist noch nicht abgeschlossen. Reber 200 Tanks mußte der Feind dem deutschen Angreifer überlaste». Ein weiterer be- trächlvcher Teil dieser Panzerwagen wurde zusammengeschoffen. Auf dem «eile« Schlochkfev» vo« Hollebeke bis zur Oise leistete der Eng länder de« deutschen Kämpfern in Gestalt ungezählter Mun! tionS -, VerpflegungS- und VekleLdungSdepots mit unschätzbaren Beständen einen zwar unfreiwilligen, aber unendlich wertvollen Kräfte- zuwachS. Auf der lang ausgedehnt«« Kampffront wurden weit über 100 Kilo meter englischer Stellungen mellemlief überrannt. Was in diesen mit alle« Mitteln moderner BefestignngSkunst angelegten Grabensystemen a« Seräl, Holz, Velou, Stahl, Kupfer, Eisen, Panzern, Feldbahngeräl, Telcphouverdindungen, onlerirdischen Kabeln und dergleichen angelegt wurde Und für die Engländer verloren ist, läßt sich in Geldwert nicht an nähernd angeben. Di« blutig«» Verluste der Engländer betrogen bereits am 5. April über 500 000 Mann. Sie habe« sich während deS zweite« Kampfes an der LyS ins Ungeheure gefingert. Dazu kommen die schweren blutigen Opfer der Portu giesen «ad vor allem der Franzosen, die überall aq den Brennpunkte« d«S Kampfes in dichten Mosten die schwer bedrohte brwsch« Lag« wiederherstellen muhten. Besonders beiderseits der Somme, an der Avre, südlich der Oise, bei Coucy-le-Ehateau und in Flandern lieh«« die Franzosen za vielen Tausenden ihr Leben und ward« zu immer weiterem Einsatz ihrer bisher zurückgehaltenen Reser ve« >md zum schleunigen Abtransport der noch Italien abgegebenen HilfSkräft« gezwungen. Die Engländer verlöre« während dieses «inen kurzen Monats nicht »ar de« gor^ev Gewinn der halbjährigen Sommeschlacht und die Rest keile ihres Erfolges bei Eambrai, sondern sie mußten auch über rwei Drittel deS in sechs Flandernschlachkea teuer erkauften Raumgewinns wieder her geb en. Dieser Geläudeverlust wird zum Schaden Frankreichs durch diejenigen Gebiete erweitert, die die zurückgchenden Engländer d» d«alsche Hand falle» keßen. Dankt sind weite blühende bisher von den Kämpfen verschont« französische Landstriche dem Kriegs- leldea preiSgegebea. Der schwere beiderseitige Arlilleriekampf Hal zahl reich« frichkch« Städte und Dörfer in Trümmer gelegt, üppige Felder und Fluren in «ine Einöde verwandelt. Der gesamte Geländeverlust beträgt viel« tausend Quadratkilometer. Die Hauptbahnverbindungen der Latente in Frankreich mit den wichtigen Bahnzentren AmienS. DoullenS, St Pol und Hazebrouck Nagen unter deutschem Feuer und find zu» Teil anSg«schaltet. Seriichte»»«kylisch-srnz-slschm Rei-men Haag, 20. Aprll. (Drahlbericht.) .Hel Daderland' schreibt: WaS für «irre besoader« Ausgabe hat der zurücka«treten« Staatssekretär für de« Krieg Lord Derby in Paris zu erfüllen? Wir glauben noch nicht» daß die Gerüchte, daß zwischen England uad Frankreich im Zusammenhang mil der Defensive Reibungen entstanden find, sich bewahrheiten, wenn wir auch davon gehört haben, daß man in London b«r«ltS mit der Möglichkeit rechnet, daß England den Krieg allein, aber da«» doch zusammen «tt Am«rika werde fortsehen «rüste». * vck. Berlin, 29. April. A» PSriS wächst da»er»d die Erregung über das Versage» d«r Engkä»d«r, das Frankreich »eue u»geh««r« Blatopfer auferlegk. Mllltärisch« Kreis« erkläre» «S als ganz selbstverständlich, daß währe»- dee^ fange» Kampfpause, di« der Ei ««ahm« »»» Moakdidier folgte, del« 1 einziger Versuch gemacht warde, den Dc«lsch«» das edea erobert« und noch nicht befestigte Gebiet wieder zu entreißen. Eine große Sorge kommt Hinz». Paris Kana nicht mehr genügend verpflegt werde«. Di« Unterbrechung der regelmäßigen Bahntransporte und die Notwendigkeit der Neueinrichtung von Lagern and Depots zwingt die französisch« Heeresverwaltung, alle greifbare« Vorräte an sich zu ziehen. Zur Besserung der VolkSflimmung werden fortwährend deutsche Gefangene durch Paris geführt. ES sind keine neuen Gefangenen, sonder» alle Insassen aus den Gefangenlager«. , . Die Aufzehrung der französischen Manövrierarmee Bern, 20. Aprll. (E i g. D r ah tb e r i ch t.) Der Militärkriliker deS .Bund ' vermutet, dah die allgemeine Entwicklung der Schlacht im Westen bei »rotzen englisch-französischen Gegen angriffen angclangt sei. Vielleicht seien die Kämpf: aus den Avrc- hvhen ein Ueberbleibstl einer grohgedachle« Gegenoffensive Frankreichs, di« nicht gedeihe, weil die französischen Manövriermassen schon zu stark auSeinandergezoge« und gebunden seien. Dah diese Bindung beinahe zur völligen Aufzehrung der vom Versailler KriegSrat ge schaffenen strategischen Reserve geführt habe, beweise die Heranführung italienischer Divisionen, die den Weg über den Mont LeniS gefunden haben, um fern von der Piave in der Pikardie zu Kämpfen. Von den 100 090 bis 150 000 Kämpfern, die die Ameri kaner bei einer Kopsstärke von 350 000 bis 400000 Mann jetzt in Europa stehen hätten, sei keine bestimmende Einwirkung zu erwarten, wenn 400 Divisionen im Felde lägen. General Diaz werde die nach Frankreich bestimmte» Division nr schweren Herzens abrücken sehen. Mögen eS vielleicht nur 2 bis 6 Divisionen sein, die durch geschickt« Aus nützung der neu ausgestellten Armeemassen frclgemacht wurden, so sei damit doch gesagt, daß die Ilalle» er sich am Piave aas di« Verteidigung beschränken müssen und Gefahr laufen, nicht genug Kräfte zur Stelle zu haben, wenn di« Oefierreicher und Ungarn aagreifen. * Der Pariser Berichterstatter der .Zürcher Post' schreibt, da nun der zweit «Abschnitt der großen Schlacht ab geschlossen sei, werde es auch nun weiteren Kreisen bekannt, daß eiirgeweihtc Kreise schon lange gewußt hätten, daß der rasche Rückzug der 5. englischen Armee ein Loch von fast 20 Kilometer Brette in die englisch-französische Front gerissen habe, wodurch Paris entblößt worden sei. So hätten die Dinge am 2V. März gestanden. Am 31. März habe eine starke französische Armee den Deutschen den Weg durch das Oisetal verlegt. Die Deutschen hätten also einen Augenblick lang die Trennung der britischen Armee von der französischen erreicht: sie hätten aber ihren Erfolg nicht ausnühen können, weil, wie der Berichterstatter meint, ihnen die Kavallerie gefehlt habe. Außerdem sei die Gefahr der Lage rasch von Frankreich erkannt worden. General Fock habe nun kurzweg den Oberbefehl über die verbündeten Streitkräfte in Frankreich. Den Engländern sei dieser Entschluß wohl schwer ge fallen, da sie zum erstenmal in der Geschichte unter einem fremden Feld herrn Kämpfen. Die Engländer mußten nicht nur ihre Eigenliebe über winden, sondern auch ihrer Auffassung Zwang antun. Die freiwillige Unterordnung der Engländer unter Foch erkläre sich durch die Einsicht der Briten, daß das Reich in Gefahr stehe, wenn Dcytschland nicht be siegt werde. Deutschland könne aber nur zu Lande besiegt werden, und zu Lande könne der Verband und Amerika nur Erfolg haben, wenn dieser Wunsch von einem einzigen Ehef ausgeführt werde. Die roten Sarden räumen Westfinnland G««f, 20. April. (Eigener Drahtbericht.) Der .Temps" meldet aus Petersburg: Wyborg und baS westliche Finn land seien von finnischen Bolschewik! geräumt. Auswärtige Politik in der Donaumonarchie O Man hat die Nekrologe, die dem Grafen Lzernin bei seinem Scheiden, das in Wahrheit wohl ein Sturz war, in reichs deutschen Blättern gcsoendet wurden, nur mit einem starken Ge fühl der Beschämung lesen können. Die einen, die .allein deut schen", warfen ihm vor, daß er als österreichisch-ungarischer Minister die Dreistigkeit besessen hätte, österreichisch-ungarische Politik zu machen. Ändere mochten es nicht verwinden, daß der Graf, da ihn schon wehmütig die Abendschatten streiften, die Tschechen so hart angepackt hätte. Die hätten, obschon ihre kritzgs- lüchtigen Ueberläufer an so und so vielen Fronten gegen unS kämpften und noch Kämpfen, derweil die daheimgebliebene Re servearmee unsere deutsch-böhmischen Volksgenossen ganz syste matisch auShungert, doch eine so schöne Brücke abgeben können zu dem .zukünftigen befreundeten Rußland ". Unter Aaron Burian werden gerade diese Dorwürfe schwer lich sich erneuern können. Denn ob nun wirklich Tisza durch ihn redet und regiert, ob nicht — auf alle Fälle sieht hinter dem neuen Minister des Aeutzeren die ganze geschlossene Macht deS Madjarentums, wie sie schon bis Ausgang 1916 hinter ihm ge standen hat. Trotzdem wird eS sich empfehlen — denn auch das alte Oesterreich ist neuerdings ein sehr wandlungsfähiges Land geworden und zwischen Schwartzau, dem Sih der parmesischen Schwiegermoma, und Laxenburg pflegt das Wetter oft mit vehe menter Plötzlichkeit umzuschlagen —, in aller Ruhe und dem Ein- zclfall entrückt die Derhätnisse sich anzusehen, die die auswärtige Politik der Donaumonarchie bestimmen. Die Faktoren, die jeder, der am BallhauSplatz einzieht, oorfindet und die anderen, die just in diesen Zeitläuften Berücksichtigung heischen. Dabei tut man aut, von der Tatsache auszugehen, dah der Leiter des auswärtigen RessortS wie baS Heer und der Kriegsminister, der «S verwaltet, gemeinsame Institutionen beider Staaten der Monarchie sind; daß oer Minister des Aeutzern also ungarische so gut wie österreichische Politik zu machen hat. In der Regel werden die wahren Inter essen beider Gebiete ja wohl Zusammenfällen. Aber das Unglück ist, bah die Menschen, die einzelnen wie die Völker, durchaus nicht immer nach ihren wahren Interessen zu handeln wünschen. Mit anderen Worten: der Minister muh die Geschäfte so führen, daß die Völker der österreichischen wie der ungarischen Reichshalfte oder wenigstens ihre Mehrheit mit ihm gehen. DaS ist in Un garn immerhin noch leichter als in Oesterreich. Zwar ist auch Un garn — -er offiziellen madjarischen Auffassung zum Trotz — in Wirklichkeit ein Nationalitätenstaat: die madjarische Majorität, wofern ste überhaupt mehr ist als eine rechnerische der amtlichen ungarischen Statistik, ist nur gering. Aber die 2 Millionen ungar ländischer Deutscher werden gemeinhin in Dingen auswärtiger Politik, und sicher jetzt im Kriege, bereit sein, den herrschenden Stamm zu unterstützen. Und die Slowaken, Serben, Rumänen vermögen nach ihrer Kulkurhöhe, ihrer wirtschaftlichen und gesell schaftlichen Organisation dem politischen Instinkt und dem ge schlossenen Staatswillen des Madjarentums nichts Ebenbürtiges entgegenzusetzen. An diesem starken Willen fehlt es in -en .im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern", für die es erst seit 2 Jahren auch amtlich die einheitliche Bezeichnung .Oester reich" gibt, so gut wie ganz. Den Staat wollen in ihnen nur die Deutschen. Die freilich leidenschaftlich und bis zur Selbstauf opferung. Alle anderen — Tschechen, Südslawen, Welsche — lehnen ihn grundsätzlich ab. Die Verwirklichung ihrer nationalen Hochziele hat sogar ganz ausgesprochen ein zertrümmertes Oester reich zur Voraussetzung. Am ehesten würden vielleicht noch Ukrainer und Polen geneigt sein, mit der Existenz des Staates sich abzustnden. Auch die aber nur von Fall zu Fall und sozusagen aus Widerruf. Das sind die allgemeinen und die im grohen und ganzen un verrückbaren Grundlinien, in die sich jeder Verweser des aus wärtigen Ministeriums in Oesterreich versetzt sieht und von denen aus er versuchen muh, seine Politik zu orientieren. Dazu haben sich im Kriege und zumal in dem ins dritte und vierte Jahr ver längerten Kriege Erscheinungen gesellt, an denen nicht so ohne weiteres vorüberzugehen ist Man hat im Habsburger Reich ganz allgemein nicht und je länger je weniger das Gefühl, dah es um 6ein oder Nichtsein geht, daß der letzte Hauch von Mann and Roh daran gesetzt werden muh, um das Spiel m gewinnen. Selbst in Ungarn gibt eS eine bcachtliclie radikal pazifistische Strömung: die an Zahl vielleicht nicht beträchtliche, an Einfluh nicht zu unterschätzende Gruppe um den Grafen Karolyi. Aber auch darüber hinaus hat man in den breiten Massen, seit die Karpathenpässe nicht mehr bedroht sind, für die kriegerischen Be- gebnisse fern im Westen vielfach nur das Interesse des wohlwollen den Zuschauers. Man möchte sein weißes Brok gern in Ruhe und Behagen verzehren, ohne dabei durch die schceisüchtig über die hermetisch obgesperrte Grenze blickenden hungernden Deutschen Oesterreichs gestört zu werden. Erheblich stärker noch und jeden falls lauter und betonter, ist dieser Pazifismus in Oesterreich. Ihm neigen die Nichtdeutschen schon um deswillen zu, weil dieser Krieg ja zu keiner Frist ihr Krieg gewesen ist. Die .Narodni Listy", das führende Organ des TschechentumS, freuen sich über jeden Erfolg der Entente und sind niedergeschlagen, wenn unsere Waffen siegen. Aber auch unter den Deutschen selber ist die Stimmung nicht einheitlich. Die Sozialdemokraten, zwar nickt die Reichsratsfroktion, aber die Massen, verfallen mehr und mehr der .unabhängigen' Spielart. Die Wiener .Arbeiterzeitung", das offizielle Parteiblott der österreichischen Sozialdemokratie, wird von Herrn Austerlitz und dem aus Rußland heimgekehrten Dr. Bauer eigentlich nur noch in schlechthin bolschewistischem Sinne geleitet. Aber auch in den sogenannten schworzgelben Kreisen, in gewissen Zirkeln des Hofes, des FeudalodelS und -er hohen Bureaukratie möchte man Degen, Schwert und Spieß je früher je lieber in die Ecke stellen. DaS Wiener Judentum vollcnb- — wir Hobe» schon deS -fieren hier darüber gesprochen — tp
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