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RL. s8a Haoptschristletter: Dr. Sverch, Leipzig Dienstag, de« 11. 3uni Verlag: Dr. ReMhold L Eo^ Leipzig 1818 Die Matz überschritten Der deutsche Heeresbericht Amtlich. Großes Hauptquartier, 11. Ium. Westlicher Kriegsschauplatz Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Die tagsüber mäßige Gefechtsläligkeit lebte nur beiderseits ,-r >5o vr m e ans. Rach starker Feuersteigerung griff der Feind Alend zwischen Aocre und Somme an. Oettlicher Ein bruch deH Feindes an der Straße Corbi e—B raye wurde durch l^egeaenstyß zum Sieben gebracht. Vor der übrigen Front brach »er Angriff blutig zusammen. Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. In zr.rei Kampftagen bat der Angriff der Armee des Generals reu Hutter zu dem beabsichtigten Erfolge geführt und uns in den »esitz des Höhengeländes südwestlich von Noyon gebracht. Der Stoß trof einen auf unsere« Angriff vorbereiteten tiefgegliederten Feind in stärkster Stellung. Die französischen Divisionen konnten irohdein der ungestümen Angriffskraft unserer Truppe nicht widerstehe-?. Avch die zu einheitlichen Gegenangriffen herange- jüyrlen Divisionen der französischen Heeresreserve wurden gestern in erbitterten Kämpfen zurückgeschlaqen- Auf dem rechten Angriffsflägel behaupteten Truppen des Generals von Oettinger die südlich von Assainvillers ge nommenen feindlichen Linien gegen heftige Gegenangriffe. Die Truppen des Generals von Webern stehbn im Kampfe Ke: Lourcelles und M e ry. Beiderseits der großen Straße Aone-Estres — St. Denis eroberten sie den Höhen- -H'ien ostüch von Mery, durchstießen die vierte feindliche Siiilnng und warser den Feind a»k die Aronde zurück. Trotz zäher feindlicher Gegenwehr erkämpften sich die Truppen des G-neralS von Schoeler de» Uebcrgang über die M a tz. Rach Erst-rmung der Höhe von Marqueglise und des V i g n ewo nt - Berges drangen sie in noaulhalklamLM Angriff dis Antheuit vor. Das Korps des Generals Hofmann hat in stetem Kampf das feindliche Stellnugsgewirr auf den Höhen von Thiescourt durchstoßen. Auf den nach Süden zur Oise ab fallendes Hänge» drangen wir bis Ribecorrrk vor. Die Gefangenenzahl hat sich auf mehr als 10 000 erhöht. Da nk steigt die Zahl der von der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz st il 27. Mai eingebrachken Gefangenen auf etwa 75 Olis'. An der Front von der Oise bis Reims ist die Lage un verändert. Erneute Angriffe des Feindes iwrdwestlich von Cha teau-Thierry brachen verlustreich zusammen. Der Erste Generalquarliermeister. Lndendorff. (W. T.BZ Französischer Bericht vom 1V. Imrt nachmMdgS. Der deutsche Vorstoß wurde gestern abend und in der Rächt mit der gleichen Er bektarung fortgesetzt. Auf dem linken französischen Flügel wurden mehrmalige heftige Angriffe durch unser Feuer und Gegcnmrgriffe ge brochen. Das genommene Und wiedere-roberte Conrcelbes dldeb rn unseren Händen. Auf dem rechten französischen Flügel hielten wir vnS südöMch Ville, um das lebhaft gekämpft wurde. Die Franzosen machten mehr als 500 Gefangen« im Verlauf verschiedener Gefechte, tu der Mitte suchte der Feind durch Einsatz neuer Kräfte seinen Fortschritt zn erweitern. Es gelang ihm, die südliche Umgebung von Suvillo. den Wald von Reffons an der Matz und die Hochfläche von Bcllenglis zu erreichen. Weiter östlich ging der Kampf um den Wald von Thiescourt und Fisconrt weiter. Rach überein stimmenden Aussagen der Gefangenen kostete die Schlacht bisher den angreifenden Truppen ungeheure Verluste. Nördlich Reims war der Artilleriekampf ziemlich lebhaft. Die Franzosen ergänzten die Vor- bereibrng zu der gestern begonnenen Schlacht östlich Haute Braye und machten 150 Gefangene. Zwischen Ourcq und Marn« schlugen wir mehrere deutsche Angriffe östlich Vinly zurück. In Fortsetzung ihres Vordringens in der Gegend von Bussiares gewannen die französisch amerikanischen Truppen Gelände erhöhten die Zahl der Gefangenen auf 250 und erbeuteten 30 Maschinengewehre. Dor der Entscheidung Die vierte Lesung der preußischen Wahlrechtävorlage <-> Bersin, 11. Juni. (Draht-erlcht unserer Ber liner Schriftleitung.) Der letzte Akt der Tragödie oder besser, der Tragikomödie, die im preußischen Abgeordnetenhause mit dem Wahlrecht und mit der Regierung gespielt wird. Der Antrag der Wahlrcchksgegner hat heute morgen schon manche barte und in solcher Schärfe nicht unbillige Kritik er fahren. Aber schon die ersten Erklärungen aus dem Hause zeigen, daß dieser Antrag in der Zweiten Kammer eine schier über wältigende Mehrheit hat. Daß Herr v. Heydebrand als einer der Gegner des Kompromisses ihm zustimmt, ist selbst- vcrstkndlich; ebenso selbstverständlich die Zusage des derzeitigen Führers der Freikonservativen, des Herrn Lk dicke aus Span- üau. Aber auch Herr Porsch muß erklären, daß 31 seiner Frak- tionsangehörigen, nachdem ihre Sicherungsanträge von der Presse verdaut worden waren und bei den Freisinnigen jetzt keine Bil- iigung sanden, nunmehr sich aus den Standpunkt des Kompro misses stellten. Vergeblich polemisierte Herr Pachnicke mit gutem, wenn auch selbstverständlich nicht mehr neuen Gründen gegen die eigentümliche Art, wie die Rechte und die Aechtsnakio- nalliberalen der Regierung bei ihren Reformwünschen entgegen zukommen gedächten. Vergeblich wandte sich auch Herr Dr. Drcws noch einmal scharf und nachdrücklich gegen eine solche Verwässerung der Absicht der Regierung, vergebens erklärte auch Herr Dr. Lukas (Natl), daß die Mehrheit der Partei im Lande das gleiche Wahlrecht anzuuchmen entschlossen ist. Die kompakte Mekrhcit ist nun einmal da, und sie ist fest entschlossen, was auch kommen mag, ihren Macbtwilien durchzudrücken. Es ist fast etwas von der Stimmung des .Betteistudentea": Wir wollen sehen, wer stärker ist. ich oder du. Dann hat Herr Ströbel zu sprechen begonnen, um in wüsten Tiraden gegen seine Stiefbrüder, die sogenannten RegierungSsozlalisteu. Sturm pr laufen , * 3m Abgeordneienhavsk erklärte heute bet der vierten Beratung der Wahlrechtsoorlagen Minister des Innern Dr. DrewS namens der Staaksregierung, daß, wie ber frühere Antrag Dr. Lohmann für die Re gierung kela geeigneter Boden für eine Verständigung ge wesen sei, auch aof dem Bode» des jetzigen Kompromißantrnzes ein Zu standekommen der Vorlage ausgeschlossen sei. Berlin, 11. Juul. (Draht bericht unserer Berliner vcheifckleit»«g.) Wie wir höre« hat der Abgeordnete Dr. Loh mann 'n der heutige« FrakSo«Sßtz»»g de» Boeßtz b» der nMj,«ollide- natE» -Wzdtogssraküoni »isdwWEeg^ Die Gefahr für Paris Zürich, 11. Ivui. (Lig. D r a h t bert ch t.) Der mMiarische Mitarbeiter der .Reuen Zürcher Zeitung" schreibt: Die augenblickliche Stabilisierung der Aron! ist für die Franzosen nur ein schwacher Trost, sofern es nicht gelingt, diese zn einer dauernden za machen. Denn an dem Maßsiabc deS bisherigen Fortschrittes ge messen bringen zwei weitere Mafsenstöße die Deutschen unbedingt nach Paris. Zndem gibt jede weiiere KUomeirifch« Annäherung dem Feinde die Möglichkeit, die bisherige Fernbeschicszang nach und nach in eine Rahbeschiehung muzmvandeln. Innere sub jektive Hindernisse iu solchem Matze, wie sie sich 1870 im Großen Deut schen Hauptquartier gellend machkc:». sind heule ganz ausgeschlossen. Haag, 11. Juni. (Eig. D r a h t b e r i ch t.) Views Bureau meldet a«s London: Im allgemeinen bespricht die Londoner Aden-presse den Aatgaug der neuen deutschen Offensive für die briti schen Waffen vertrauensvoll. Die Blätter weiseu darauf hin, daß von einem Zusammenbruch der Engländer nirgends die Rede sein könne, und daß der Rückzug überall geregelt und methodisch vor sich ge gangen sei. .Glode" meint, daß die Deutschen in diesem Sommer eine Entscheidung herbeiführen wolle«, iredem sie versuchen würben, einen starken Druck auf Paris auSzuüben. Es wäre kindisch, den Ernst der Loge abzuleugnen. Aber selbst wenn die Deutsch«« Poris tatsächlich in den Bereich ihrer Kanonen bekommen würden, so würden sie dennoch erfahren müssen, daß Frankreich unbesiegbar sei. .Star" sog!, daß der Fortschritt, den di« Deutschen am ersten Tag« erzielten, dein Fortschritt aleichkommc, der gewöhnlich aus einem Angriff aof breiter Fron!, durch konzentriertes Arüllcriefener ontersttihl, erzielt werden könne. Tatsöästikb seien die Fortschritte etwas weniger als normal, etwa 1 bis I Meilen. KS Granaten auf Pari» Von der Schweizer Grenz«. 11. Juni. (Ekz. Draht - bericht.) Wie von der französischen Grenze gemeldet nnrd, sind t» den letzten drei Toqen etwa 60 Granaten ans Paris qefchle». tt-cker die Schäden darf nichls berichtet werden. Rach Privalmeldvngeo war der Kanonendonner seit zwei Tagen aus dem Gebiete der Snndgou- fronk wieder in verstärktem Maße hörbar. Zürich, 11. Juni. (E i g. Drahtberlchk.) Wie schweizerische Blätter berichten, meldet der Reuterkorresponden! an der französischen Front, m Mikitärkreisen sei man der Ansicht, baß Paris für di« Deutschen jetzt das verlockendste Ziel fei. Man müsse bannt rechne«. Loh die Feinde ihre Offensive auch wieder aufnehmen werden, um Ports zu erreichen. ES scheine auch, daß sie versuchen würden^ ble Haupt stadt t« den Wirkungskreis der 15 zöllige« Geschütze z« bringe«. 26 VW Tonnen im Mittelmeer versenkt nrid. Berlin, 10. Juni. (Amtlich.) 3m Miltelmeer versenkten unsere si Boote sieben Dampfer von etwa 26 000 Bruttoregistertonnen. Unter diesen befanden sich die engüfchen bewaffnete« Dampfer .Lambrian King' (3601 B.-A.-T.) «tt Flugzeuge« »ad Snowdon' (3189 B.-R.-T.) mit 4006 Tomren Kohle ««d ?O0 Tomrea Stückgut. Der Chef deS Admiralstobeg der Mariae. Die austropolnische Lösung Vcm Dr. Richard Bahr. Die baltische Politik and die deutsche Diplomatie sind sicher nicht so schlecht, wie st« gemeinhin gemacht werden. Lines aber wird man schon aussprechew dürfen: mutig sind sie nicht. Seil drei Zähren schleppen wir die polnische Frage wie eine offene Wunde herum. Kong-reßpolen kommt nicht zur Ruhe: die Ansätze zu einer friedlichen und versöhnlichen Stimmung, die vielleicht — nach meinen persönlichen Beobachtungen sogar bestimmt — vorhanden waren, sind zerfVrl. das Unbehagen, daS durch das Land geht, greift längst über die Grenzen hinaus, alle Hasser und Widersacher Deutschlands und der Attttelmächie reiben sich die Hände, auch über die Beziehungen zur verbündeten Donaumonarchie legt es sich immer wieder wie ein schwerer Schatten. Auch wenn die Einigkeit noch so groß ist, bleibt, wenn man näher zu schaut, ein herber Boden satz zurück. DaS alles müßte natürlich in den Kauf genommen werden, wenn wir die Aeberzeugung gewonnen hatten, di« volk- lichen Wünsche der Polen nicht erfüllen zu können, ohne uns a» die eigenen DaseinsbediNgungen .zu rühren, und entschloss«» wäre«, diesen Weg nun auch, koste es, was es wolle, zu Lude zu gchen. Aber so liegen die Dinge ja gar nicht. / Tatsää-lich sind wir wohl zu keiner Frist des festen Wütens gewesen, die sogenannte austro-polnische Lösung die ma» vielleicht auch die waffenbrüderliche nennen könnte, um jeden PreL abzw- lrhnen. Am allerwenigsten dann, wenn wir eS am lautesten ver sicherten. ES hat nnS nur immer der Riol gefehlt, dos offen zu bekennen. Wir haben diese Lösung eigentlich immer als letzte» Ausweg in heimlicher Bereitschaft gehalten, haben mit ihr gespielt. Etwa wie einer, der entschlossen ist, sich von der Tafel des Lebens fortzustehlen, den Revolver, den er schon auf den Ernstfall geprüft hat, nochmals iu die Schublade zurücksckiebt und dann ausgehk. zum letzten Male sein Glück am Spieltisch zu versuchen. In alle dem sind wir dem Geschick jener problematischen Naturen ver fallen, von denen Goethe einmal gemeint hak: sie genügten Kemer Situation und keine genügte ihnen. Wir haben di« Polen nicht befriedigt, die Bundesgenossen nicht und die lauten Männer in unseren eigenen Reihen, die in nicht übermäßig geistreichen Reso lutionen versichern, die curstro-polnische Lösung bedeute nichts weniger als Deutschlands Ruin, säum erst recht nicht. Inzwischen rückt besagte Lösung immer näher und wenn Graf Burton, der nnS dieser Tage beehrt, Berlin verlaßt, wird sie allen Ableugnungen zum Trotz ihrer Verwirklichung noch mehr sich genähert haben. Mithin dürfte es sich am Ende empfehlen, mit ihr sich ver traut zu machen: Naclsteile und Vorteile gegen einander abzu wägen, mit einem Wort: mannhaft ihr einmal ins Gesicht zu sehen Dabei brauch! man kaum mehr die Binsenwahrheit voraufzu schicken, daß jede Lösung der polnischen Frage, wie immer sie schließlich ousschaut, ihre Schattenseiten haben wird. Ein Volk mit einem sehr leblzasten nationalen Elan, das anderhalb Jahr hunderte hindurch in nationaler Zerrissenheit gelebt hat, von dem einzelne Teile zudem, nach menschlichen Begriffen, auf ewig auä sehr zwingenden Gründen mit einem fremden Staat werden ver bunden bleiben müssen, läßt sich nicht wieder so zusommenstücken. daß keinerlei Wünsche, ReibungSslächen, Gefahrzonen, empfind liche und schmerzliche Steilen bleiben. Rur daraus kann eS an- k-ommen, diese schmerzenden Stellen aus das denkbar geringste Maß zurückzudrängen. Was man gegen den Antisemitismus ein- gewandt hat: da man die Juden nicht totschlagen könne, müsse man versuä)en, mit ihnen zu leben, das gilt zum mindesten genau iv von den Polen. Eine einzige Möglichkeit gäbe eS. die solchem Tot schlag gleichkäme: Kongreßpolen an Ä^tzland zurück,zugeben. Dann hätten wir uns zwar mit dem ewigen Fluch der Polen belaöcm aber man könnte vielleicht sich trösten: GotteS Mühlen mahlen langsam, warten wir es ab. Einstweilen jedenfalls wären wir des polnischen AlpS ledig. Aber nun ist doch einmal dieses Rußland, dem wir Polen mit einer höflichen Verbeugung zurückerstatken könnten, nicht vorhanden. ES kommt somit darauf an, «ine Lösung M finden, die die Polen, die immerhin 20 Millionen Köpfe in der Mitte Europas zählen »md uns ein Pfahl im Fleisch werden Konnten, einigermaßen zufriedenstem. Denn über sene ander« Auffassung, die sich in der Weisheit .mögen sie «nS hassen, wenn sie uns nur fürchten' erschöpft, läßt sich unter verständigen Leuten doch eigentlich Kaurn reden. Auch so wird uns »ach dem Friede» genug Feindschaft übrig bleiben und das Bedürfnis, der Hunger nach Vermeidung weiterer Reibungsflächen wir-, wenn erst der Blukrausch dieser furchtbaren Jahre von uns wich, ins Riesenhafte wachsen. Run gibt es gewiß oder richtiger, hat es gewiß auch iu Polen Leute gegeben, die mit der kleinpotniscben Lösung, das heißt eine« im wesentlichen auf Kongrcßpolen beschränkten Staat im Anschluß an Deutschland sich einverstanden erklärten. Die kalkulieren so: Galizien fällt uns schon eines TageS von selber zu, mit dem zer bröckelnden Oesterreich werden wir noch fettig. Schon aus solche» Hoffnungen erhellt, warum diese Form so gefährlich wäre. Ne vergiftete in dem Moment des FttedensschmsseS unser Bundes verhältnis zur Donaumonarchie. Bleibt also eigentlich nur die austro polnische Lösung. Sie wird in Oesterreich von der Dynastie brünstig, auch von der Bureaukratie gewünscht und ist selbst den besten Deutschen dort zeitweilig als nationale Rettung erschienen. Heute hat sie auch im deutsch-österreichischen Lager Gegner. Solche, die sagen: die Industrie braucht Galizien und seinen Markt, lind andere, ernsthaftere, die erklären: der Schwerpunkt der Monorchie würde dann noch Polen verrückt, die Dynastie müßte, ob sie wollte oder nicht, in polnisch-slawische Baade verstrickt, zur Feindin des Reiches werden. Man braucht nicht blind zu sein gegen derlei Gefahren, fi« ßod ohne Fvage Vorhand«. Ader es läßt sich vielleicht einiger«