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56 Das Wunder des Oeles. 29. sing er an mit eigener Hand das Oel den herumtragenden Dienern einzufüllen, indem er als getreuer Knecht seinem Herrn nachahmte, welcher gekommen war nicht bedient zu werden, sondern selbst zu dienen, und den Spuren des Heilands folgend freuete er sich, wie sich die Masse vermehrte, welche er mit der Rechten ausgoß, ohne daß die Linke darum wußte. Nachdem die Schalen der Armen gefüllt waren, verminderte sich der Stoff um nichts in der Hand der Diener. Während nun die Umstehenden die große Güte Gottes schweigend bewunderten, rief einer von ihnen, Namens Pientissimus, vor Erstaunen außer sich: „Lieber Herr, es wächst ja der Oelkrug und strömt über wie eine Quelle/' Da, sowie die Wunderkraft verrathen war, verstechte jene liebliche Flüssigkeit. Sogleich rief der Diener Christi und sprach: „Was hast du gethan, Bruder! Verstopft hast du die Quelle, aus der Nutzen für Viele geflossen ist. Es verzeihe dir unser Herr Jesus Christus." So ist auch einst die mit Schulden beladene Wittwe durch die Worte des Propheten Elisa belehrt worden, mit einem Tropfen Oel, den sie hatte, viele Krüge zu füllen. Als sie dieses gethan hatte und von ihren Söhnen noch mehr Krüge verlangte, aber vernahm, daß es daran mangle, stand sogleich das Oel.*) 29. Zu derselben Zeit gedachte der Noriker Maximus, den wir oben erwähnt haben, von dem Feuer des Glaubens durch glüht, mitten im Winter, wo in jener Gegend die Wege durch den starrenden Frost geschlossen sind, mit kühner Verwegenheit oder vielmehr, wie sich nachher offenbarte, mit unerschrockener Auf opferung zu dem heiligen Severin zu kommen. Er hatte sich zahl reiche Gefährten gedungen, die auf ihren Nacken Kleider schleppten, welche eine fromme Sammlung der Noriker zum Besten der Ge fangenen und Armen gespendet hatte. Auf ihrem Wege gelangten sie auf die Höhe der Alpen, wo während einer ganzen Nacht ein so dichter Schnee fiel, daß sie, die sich unter den schützenden Zweigen eines mächtigen Baumes gelagert hatten, gleichsam tief unten in