10. 11. Weissagung Severins. 39 könne die Gluth fleischlicher Gelüste besiegt werden, als wenn man sie mit Gottes Gnade in einem Quell von Thränen ersticke. 10. Es war Küster bei der Klosterkirche ein Mann Namens Maurus, welchen der heilige Severin aus den Händen der Bar baren losgekauft hatte. Ihm befahl eines Tages der Mann Gottes und sprach: „Hüte dich, heute irgend wohin auszugehen; sonst wirst du einer drohenden Gefahr nicht entrinnen." Dieser aber ließ sich gegen die Warnung des heiligen Vaters durch einen Laien verführen, sich Mittags an einen Ort zwei Meilen von Favianis zu begeben, um Obst zu pflücken, und alsbald wurde er sammt seinem Verführer von Barbaren gefangen und über die Donau gebracht. Zur selbigen Stunde las der Mann Gottes in seiner Zelle; plötzlich schloß er das Buch und sprach: „Suchet schnell den Maurus." Da er nirgend gefunden wurde, ging er schleunigst über die Fluchen der Donau und setzte eilends den Räubern nach, welche das Volk Scamerer nannte. Diese hatten Scheu vor seiner ehr würdigen Erscheinung und gaben demüthig die Gefangenen, welche sie gemacht hatten, heraus. 11. Während noch die oberen Städte des Ufernoricums bestanden und beinahe kein Castell vor den Einfällen der Barbaren sicher war, glänzte der Ruf des heiligen Severin so herrlich, daß ihn wetteifernd die einzelnen Castelle zum Schutze ihrer Befestigungen zu sich einluden; denn sie glaubten, daß in seiner Gegenwart ihnen kein Unglück zustoßen könne. Und das wurde nicht ohne Zuthun der göttlichen Gnade vollbracht, daß alle vor seinen Ermahnungen Furcht hatten wie vor himmlischen Orakelsprüchen und sich nach seinem Beispiele mit guten Werken waffneten. Auch in ein Castell, Namens Cucullis ') war auf die deinüthigen Bitten der Einwohner der heilige Mann gekommen, allwo ein gewaltiges Wunder geschehen ist, das ich nicht verschweigen kann: wir kennen es aber nach dem staunenerregenden Berichte des Marcianus, welcher aus demselben I) Jetzt Küchel an der Salza oberhalb Salzburg.