1. In der Zeit, da Attila der Hunnenkönig mit Tode abgegangen war, herrschte in den beiden Pannonien und den übrigen Grenzländern der Donau große Verwirrung. Damals nun kam Severin, der heiligste Diener Gottes, voin Morgen lande her in die Gegenden, wo das Ufernoricum und die beiden Pannonien an einander grenzen, und ließ sich in einer kleinen Stadt nieder, welche Asturis') heißt. Hier lebte er nach der evangelischen und aposto lischen Lehre in aller Frömmigkeit und Reinheit des Herzens und erfüllte in dem Bekenntnisse des katholischen Glaubens sein ehr- würoiges Gelübde durch heilige Werke. Wie er durch solche Hebungen gestärkt nach der Palme der himmlischen Berufung rechtschaffen strebte, ging er eines Tages nach seiner Gewohnheit in die Kirche. Da sing er an den Presbytern, dem Klerus und den Bürgern, welche herbeigeholt waren, mit aller Demuth die Zukunft vorauszusagen und forderte sie ans, wegen eines drohenden Hinterhalts der Feinde an Beten, Fasten und Werke der Barm herzigkeit zu denken. Aber ihr Sinn, verstockt und von fleischlichen Gelüsten befleckt, beurtheilte die Weissagungen des Predigers nach dem Maaße ihres Unglaubens. Der Knecht Gottes aber kehrte zurück zu seinem Gastfreunde, einem Aufseher bei der Kirche, und den Tag und die Stunde des herannahenden Verderbens ver kündend sprach er: „Tie halsstarrige Stadt, welche bald unter gehen wird, verlasse ich sogleich." Darauf wandte er sich nach der nächsten Stadt, welche Comagenis^) hieß. Selbige wurde, da I) Asturis lag wahrscheinlich an der Stelle des jetzige» Klosterneuburg, etwas oberhalb von Wien. ES gehörte noch zu Pannonien. 2) Bei dem jetzigen Tulln etwas oberhalb Klosterneuburg. Es lag in Noricum.