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Die Geschichte Friedrichs HI und Maximilians I, Kap. 5. 13 (5.) Von seiner wunderbaren Geduld. 4. Federzeichnung: Der Kaiser mit Gefolge tritt in das zum Theil offene aus Holz gezimmerte Richthaus und scheint hier der Execution, welche an einer Anzahl Verbrechern vollzogen werden soll, Einhalt zu thun. Auf der linken Seite sieht man einen aus eine Leiter gebundenen Uebelthäler, dem der Scharfrichter die Zunge ausreißen will. Ein zweiter Scharfrichter, welcher einen vor ihm Knieenden zu enthaupten bereit ist, trägt das Schwert im Arm. Im Vordergründe rechts liegt ein dritter gefesselter Verbrecher. Indessen in allen Widerwärtigkeiten, die ihm begegneten, bewahrte er stets in seinem Gemüth eine so wunderbare Stärke der Geduld, daß er sich sogar für angethane Beleidigungen erst äußerst spät und nur, wenn sich eine entsprechende Gelegenheit dazu bot, rächte, und dann noch ohne alle Grausamkeit, nur mit einem leichten Tadel, welchem er eine Vermahnung zur Besserung anschloß. Wiederholt zeigte er sich gegenüber schlim men Gerüchten und Schmähgedichten, die über ihn in Umlauf gesetzt waren, so nachsichtig, daß er, selbst wenn er einen auf einem Majestätsverbrechen ertappt hatte, ihn mit keiner ande ren Strafe, denn nur mit den Worten züchtigte, es wäre äußerst schwierig, einer jeden Hure Kind zu erziehen und zu bessern; die Zungen wären von Natur gefreit, es stehe daher auch in jedes Belieben sie frei zu gebrauchen, und man dürfe sie durch keine Gesetzesbanden festketten. Er bekam deshalb von seiner Gattin Leonore, die eine Frau von großer geistiger Energie war, häufig scherzweise Vorwürfe derart zu hören: Er sei nicht Werth, seine Scham mit einem Schurz zu decken, da er das Unrecht nicht mit aller Strenge, um zu bessern, verfolge; seine, des obersten Fürsten auf Erden Geduld öffne ja allen Übelthätern Thür und Thor. Lachend warf darauf der Kaiser ein, die Rache sei die Wirthschafterin der Zeit, sie lasse keine Schandthat straflos ausgehen, aber auch keine Tugend ohne Belohnung dahin sterben.