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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.12.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-12-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192512225
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19251222
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19251222
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-12
- Tag 1925-12-22
-
Monat
1925-12
-
Jahr
1925
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0I«N»t«L, cksn 22. 102S i.slprls*»' L»»sdl»tt Die SlSdte Wd der Verkehr Vas die deutschen Großstädte im kommenden Jahre unternehmen Auf eine Anfrage der RetSSzentrale für deutsche BerlehrSwerdung. ha, sich eine Reihe führender PersönUchletlen der Stadtverwal tungen über dle Veranstaltungen gcäuftert. die für das Jahr 1926 zur Hebung des Fremdenverkehrs geplant sind. Bon den Antworten, die tn der WethnachtSnummer der Wochenschrift „Verkehr und Bäder" veröffentlicht werden, werden uns die folgenden bereits setzt zum Abdruck zur Verfügung gestellt. Die Red. Dresden Oberbürgermeister Dr. Blühcr beantwortete die Anfrage folgendermaßen: Dresden, die ehemalige Re sidenz- und jetzige Landeshauptstadt Sachsens, hat es unter den deutschen Großstädten dank ihrer hervor- ragenden Ueberlieferung und ihxer in der ganzen Welt berühmten architektonischen Kun st werke, wie Zwinger und Hofkirche, und ihrer unvergleichlich schönen Lag« zu beiden Seiten der Elbe Verhältnis- mäßig leicht, als Fremdenstadt immer wieder auf das Reisepublikum und die internationale Rcisewelt verlockend einzuwirken. Hinzu kommen die Schätze der Kunstsammlungen, insbesondere der Staatlichen Gemäldegalerie, die in Europa ihresgleichen suchen, und nicht zuletzt die künstlerische Kultur als Theater, und Musikstadt. Großzügige Kommunalpolitik stellt den Ruhm Dresdens als Ausstellungs- und K o n g r eß st ad t, als berühmtestes Städtebeispiel deutschen Barockglanzes von neuem wieder in den Mittelpunkt der Fremdenwerdung. Wie alljährlich veranstaltet auch im kommenden Jahre die Iahrcsschau deutscher Arbeit, Dresden, eins Qualitäts- und Sonderschau, die dies mal in dem Zeitraum von April bis Oktober 1926 dem Gartenbau gewidmet sein wird, der sich ferner eine große Internationale Kunstausstellung angliedern soll, erne der ersten, die in Deutschland nach dem Kriege überhaupt stattfindct. Mit einer außerordent lich farbenreichen Tulpenschau, die an die 80000 Zwiebeln aufwcist, wird die Ausstellung eröffnet werden. Hieran werden sich in gewissen Zcitabständen noch weitere fünf Sonderschauen anreihen, u. a. wird in dem berühmten Großen Garten, von dem ein großer Teil der Ausstellung zur Verfügung steht, ein Rosenhof mit ungefähr 300 000 Rosen angelegt werden. — Insgesamt haben sich anläßlich der Gartenbauausstellung 1926 in Dresden allein 24 Kon. gressc gärtnerischer Fachverbände in unserer Stadt angesagt, unter ihnen der Bund Deutscher Garten architekten, der Deutsche Eärtnervcrband, der Reichs- verband der deutschen Gartenbaubeamten, der Ver- band der Gärtner und Eärtnereiarbeitcr, der Reichs, verband des deutschen Gartenbaues usw. Als zweiter großer Anreiz für den Fremdenver kehr wird das 43 VundesfestderDeutschen Radfahrcrbundes zu gelten haben, das vom 6. bis 11. August 1926 stattfindet und mit einer Be sucherzahl von rund 100 000 Teilnehmern rechnet. Tagungen des Deutschen Architekten- und Ingenieur- Vereins. des Vereins zur Förderung des mathemati schen und naturwissenschaftlichen Unterrichts und die Hauptversammlung des Bobsleigh-Derbandes wird weiter zahlreiche Besuche in unsere schöne Stadt führen. Darüber hinaus ist für das weitere Reisepublikum und insbesondere für die internationale Reisewelt propagandistisch gesorgt durch die amerikani sche Zeitungsreklamc, durch die Möglichkeit der literarischen und künstlerischen Propaganda in Zeitungen und Zeitschriften, durch Herausgabe eines eigenen bibliophilen Stadtbuches und Herstellung eines künstlerischen Stadkfilms, der in den meisien deutschen Großstädten und namentlich im Auslande laufen soll. Endlich darf nicht verkannt werden, daß Dresden als Kn o t e n p u n k t im internationalen Luftverkehr zu gelten hat. Gerade der Luft verkehr dürfte bei weiterem Ausbau aus Grund der Bestimmungen des Vertrages von Locarno wesentliche Erleichterungen für die internationale Reisewelt mit sich bringen. Berlin Oberbürgermeister Böß schreibt: Die Leiter einer Weltstadt stehen dem Programm der Hebung des Fremdenverkehrs anders gegenüber als beispielsweise die Verwaltung eines Bade- und Kurortes. Die Fremden, die nach Berlin reisen, kommen meistens nicht lediglich in der Absicht her, Erholung und Zer. streuung zu finden, sondern verbinden mit ihrer Reise auch geschäftliche und dienstliche Zwecke. Daher ist auch die Entwicklung des Berliner Fremdenverkehrs nicht so sehr abhängig von den Sonderveranstaltungen einer rührigen Verwaltung, sondern weit mehr als in kleineren Orten ist sie das Spiegelbild un. serer gesamten wirtschaftlichen, poli tischen und kulturellen Lage. Ein starker Teil der Propagandaarbeit liegt daher in der Hand des Berliner Mcßamtes und in der Entwicklung des Ausstellungswesens- Aber die Berliner Verwaltung hat darüber hinaus nichts unversucht gelassen, um auch durch Sondcreinrichtungen den Fremdenverkehr zu fördern. Der bedeutsamste Schritt war die Ejn- richtung des Fremdenverkehrsbüros der Stadt Berlin, das nächstens seine Räume in der Friedrich-Ebert-Strafie 5 eröffnen wird. Berlin will durch diese Stelle die Beziehungen unseres städtischen Lebens znm Fremdenverkehr laufend beobachten, mill Einrichtungen schaffen, die den Bedürfnissen der Fremden entgegenkammen, Fühlung nut den Ge werben unterhalten, die auf den Fremdenverkehr an gewiesen sind, und sie unterstützen. Der Fremde, der nach Berlin kommt, soll in diesem Büro eine Ein richtung seines besonderen Vertrauens finden, bei welcher er das Gefühl hat. daß für seine Beratung lediglich seine Bedürfnisse und Wünsche entscheidend sind: Fremdenverkehr bedeutet stets Freiheit vom All täglichen, Lösung von gewissen Hemmungen, die für den Ortseingesessenen gut sein mögen, die aber Berlin als Fremdenstadt gegenüber anderen europäischen Vcrkehrszentren in Nachteil setzen. D"r Fremde, der nach Berlin kommt, will sich auch unterhalten. Und darum ist es in erster Linie nötig, daß unser Berliner Leben endlich die polizeilichen Fesseln verliert. Den Bemühungen der Stadt ist es bisher nur gelungen, dieAufhebung desTanzver- bots zu erreichen. Ihr nächstes Ziel wird sein, end lich die Polizeibehörden zu überzeugen, daß die Aufhebung ver 1-Uhr-Polizeistunde für Berlin ein Gebot der Klugheit ist. Erst wenn dieses Haupthemmnis der Entwicklung des Berliner Fremdenverkehrs beseitigt ist, wird auch die von Berlin nachhaltig betriebene Auslandspropaganda vollen Erfolg haben. Ein nicht unbedeutender Teil der Werbearbeit liegt in der repräsentativen Vertretung Berlins. P r e s^ e r e i s e n, die Berlin berühren, sind nicht nur nach der Stellung der Presse an sich, sondern auch in ihrer Tragweite für die Entwicklung des Fremden verkehrs zu behandeln. Die Beziehungen zu den Ver- tretern der Auslandspreise in Berlin geben reichlich Gelegenheit, auch die Interessen des Berliner F em- dcnvcrkehrs zur Geltung zu bringen Erst kürzlich wurde durch eine amerikanisch Korrespondenz, die über 2000 überseeische Zeitungen bedient, ein Inter view über Berlins Stellung als Fremdenvcrkehrsstadt verbreitet- Aussätze in gelesenen Auslandszeitungen, namentlich Amerikas, von ihren hiesigen Presse Vertretern für den Geschmack des ausländischen Pu blikums bearbeitet, werden versuchen, die Interessen für Berlin und Deutschland weiter zu wecken. Frankfurt am Main Die Stadt Frankfurt a. M wird, so beantwortet Oberbürgermeister Dr. Lend mann die Anfrage, auch lm kommenden Jahre der Förderung des Frem denverkehrs erhöhte Pflege und Aufmerksamkeit wid- men. Zu diesem Zwecke ist die Einrichtung einer städtischen Zentralstelle für das Werbe- und Ausstcllungswesen geplant, mit der Aufgabe, die bisherigen Organe des Fremdenverkehrs- und Aus- stellungswesens in Frankfurt a. M zu planmäßiger Arbeit zusammenzufassen und eine einheitliche Frem- denverkehrspolitik in weitestem Sinne zu gewähr leisten. Daß auch fernerhin der Vorbereitung und der Durchführung der Frankfurter internationalen Messen besondere Sorgfalt zugewandt werden wird, bedarf wohl nur der Erwähnung. Daneben soll durch Veranstaltung aktueller Ausstellungen und durch Unterstützung von Ausstcllunqsplänen Ftank- surter Organisationen, von Bundessesten, Tagun gen u. dgl. der Fremdenverkehr gefördert werden. Gerade für diesen Zweck hat die Stadtverwaltung im letzten Haushaltsplan nicht unerhebliche Mittel vor gesehen. Durch zur Verfügungstellung von Ausstel lungs- und Sitzungsräumcn und, je nacb Notwendig- leit, auch von Untcrkunfts- und Vcrpflcgungsmög. lichkciten, durch Aufhebung und Herabsetzung j von Eintrittsgeldern in den städtischen In- I stituten soll der Hebung des Fremdenverkehrs gedient werden. Im einzelnen seien folgende Veranstaltungen er- wähnt: Die internationalen Messen im Frühjahr und Herbst, Ausstellungen belehrender und unter- haltender Art im Haus Wcrkbund sowie eine große kulturhistorische Ausstellung, Blumen ausstellungen im Palmengartcn im Frühjahr und Herbst, Völkerschau im Zoologischen Garten, Inter- nationale Fußballwettspiele und Radrennen, sowie ' Turn- und Sportfeste im Stadion, Pferderennen und s internationale Ruderregatten, Gartenfeste mit Illn- ! minationcn und Aufführungen im Freien, sowie , große internationale Musiktage, Reit-, Fahr- und I Tennisturniere in Bad Homburg v. d. H. Fu den Kanal gestürzt > Lübeck, 21. Dezember. Auf der Lübeck—Travemünder Landstraße er- j eignete sich ein schweres A u t o m o b i l u n g 1 ü ck, j bei dem drei Personen getötet wurden. Der Chauffeur iMte übersehen, daß die Schranke einer über einen Kanal führenden Brücke ge- schloßen war, er durchfuhr sie und stürzte, weil die Brücke geöffnet war, 10 Meter tief in die Kanal- böschung hinab. Dos Auto übcrschlua sich und kam auf die drei Insassen zu 'icgen. Der Lhaffeur wurde noch lebend aus den Trümmern hervorqezogcn. Er erlitt einen Schävelbruch und Gehirnverletzungen. Echiffsunsälle aut der Elbe Hamburg, 21. Dezember. Der nach Rotterdcm ausgehende Dampfer „Elcphterios K. Venizelos" ist bei Glückstadt von dem aus Dünkirchen kommenden japanischen Dampfer „Dukar Marn" gerammt und schwer beschädigt worden. Der Dampfer wurde in leckem Zustande an deil Strand gesetzt. Da man annahm, daß er unter- gehen würde, ist ^ie Besatzung von dem japanischen Dampfer übernommen und später auf ihr Schiff zu- rückgebracht worden. Der japanische Dam '.r ist ebenfalls schwer beschädigt. — Der belgische Dampfer „Spa", vom Schwarzen Meer nach Hamburg be- > stimmt, ist bei Oste an der Südseite des Fahrwassers sestgecaten und konnte auch bei Hochwasser nicht i abkommen. — Ein Fischkutter treibt seewärts beim Elbfeuerschiff III. Das Rettungsboot des Feuer schiffes kann wegen Eisganges das Schis, nicht rette-.. Der Name konnte nicht festgestellt werden. Die Analphabetin Von Ossip Xalontor. Ich habe eine Analphabetin gcsehon. Auf der Poststation des kleinen italienischen Ortes, den ich, damit er nicht noch kleiner wird, seit Jahr und Tag zu verlassen zögere. Eine Analpabetin ist hier zulande nichts Besonderes. Italien kann sich rühmen, ihrer eine ganze Anzahl zu besitzen. Doch rühmt es sich dessen keineswegs. Im Gegenteil! Seltsame Gepflogenheiten haben Kullurstaaten . . . Jemand schickte dieser mittelgroßen, etwa sechzig Jahre alten, freundlichen, mütterlichen, ein wenig verschmitzt aussehenden Analphabetin Geld, und sie sollte quittieren, was sie nicht konnte. Der Post- hciter lachte nervös. Er lachte nie anders. Er ist aus Mantua und leidet an einer Magenkrankheit. Grund genug, immer nervös zu lachen. Indem er wie ein Besessener auf den Telegraphenapparat ein hieb. den er bei alledem zu bedienen nicht abließ, be auftragte er seine schwarzgelockt« und stubenluft- gebleichte Gehilfin — Sonntags die geifertste Heroine eines Liebhabertheaters —, in der Nachbarschaft zwei Standespersonen zu Zeugen aufzubieten-, welche Rollen der zweite Sekretär der Kommune, ein dicker, dreister allzeit gut aufgelegter Neapolitaner, und ein junger Mann von nicht nennenswertem Beruf über nahmen. Mit beachtenswerter Routine und unnach. ahmlichem Schwung füllte der Sekretär ein For mular aus. (Auch hierfür gibt es in diesem ge- segneten Lande Formulare.) Die Analphabetin malte ein Kreuz darunter von dem di« Zeugen be- stätigten, daß es von niemand anderem als von ihr herrühre. Der oorgeschricbene Betrag wurde aus- aezablt und die Szene zur allgemeinen Zufriedenheit beendet. Ob säe glücklich ist, diese Analphabetin? Ob sie ein Manko spürt und einen Minderwertig- k^itskomplex zu ihrem Seelenleben zählt? Oder ob sie ihre Mitmenschen, di« lesen und stheriben können, nicht anders betrachtet, als wir Akrobaten, Aequilibristen oder Clowns? (Man be wundert sie, aber man verspürt, abegesehen von einem rein spielerischen Triebe, einem kindlichen Ehrgeiz, den man jedoch bald überwindet, keinerlei ernsthafte Neigung, es ihnen gleichzutun.) Briese, die d^ser Fron geschrieben werden, bleiben ihr stumm ^e tungen vermögen ihre Aktualitäten bei ikr n-ck- .nr 'briugen. Bücher teilen ihr ihre gute oder li> W.i-chcit nicht mit. Dergleich«n Dinge sind für sie wie für uns Grammophonplatten. Wie sehr wir auch die Augen über deren Kerben gehen lassen, wir vermögen nicht, den Inhalt daraus zu ver nehmen. Wenn sie das Geringe! und Gekringel auf den Blättern, die die Welt bedeuten, überhaupt eines Blickes würdigt: wie mögen die Zeichen auf sic ein wirken, von denen wir wissen, daß sic „Frische Butter" oder „Automobile Schritt fahren" oder „und bechern wir uns, Ihnen anzuzeigen" heißen? — Sicherlich wie auf Belsazar selig das Menetekel. Von der Versuchung des Buchstabens nicht an gefochten, von der Verführung des geschriebenen Wortes nicht berührt, unschuldig im Geiste: ist diese Frau nicht zu beneiden? — Sie braucht keine Steuerdeklaration auszufüllcn, nicht Klaus Mann zu lesen, und ihr Bildungsgrad wirkt vor Gericht nicht strafverschärfend. Kuriositätensammler sollten sic um ein Autogramm bitten. Weihnachtsgeschenke der modernen Krau Don -Kilos sslsodtnsr-i-obscli. Jedes Geschenk charakterisiert den Geber! Wir alle folgen in der Auswahl von Geschenken, vornehm- solchen, die Gaben des Herzens, Zeichen der Freund schaft sind, auch unserem eigenen Geschmack. Weit liegt hinter uns die Zeit, da Frauen und Töchter in monatelanger mühseliger Handarbeit aus oft wertlosem Material ebenso wert- und geschmack lose Nichtigkeiten zusammentüftelten, deren größter Wert in der Summe an hingebendem Fleiß und gutem Willen lag. Die heutige Frau steht fest auf dem Boden der Wirklichkeit und ihrer Forderungen, olles Sentimentale liegt -hr fern, dafür hat sie in geistig-ästhetischer Beziehung einen ge- walngen Schritt vorwärts getan. Schwere Jahre haben ihr zudem weise Mäßigung sowohl in den Geschenken als auch in den eigenen Wünschen aufcrlegt und sie befähigt, aus der verwirrenden Fülle der strahlenden Wcihnachtsgaben die auszusuchen, die den notwendigen Forderungen des heutigen Schenkens ge nügen. Dinge, die erstens nur praktisch, zweitens von schlichter, aber echter und gediegener Schön- i heit und drittens so beschaffen sind, daß sie unser Besitztum ergänzen, daher sich dem Vorhandenen einfügen müssen. Die immer wieder gern gewählten Ergänzungen zur Garderobe des Mannes beispielsweise werden erst dann ihren richtigen freudebringcnden Wert haben, wenn sie sich in Farbe und Form harmonisch den vorhandenen Beständen anpaffen. Das gleiche gilt von der Verschönerung des Herrenzimmers, zu der ! Frauen und Töchter gern durch Handarbeit oder Kunstcinkäufe beisteuern. Auch hier ist die Forde- , rung: sich einfügenl Der schönste echte Wandbehang, das köstlichste Porzellan können an Reiz verlieren, wenn sie sich dem Charakter des Raumes und den Ge wohnheiten des Besitzers nicht anpassen. Der heutigen Frau wird ein solches Anpassen leichter werden, als der früherer Zeiten. Sic hat selbst das Spielerische, Tändelnde überwunden, ist zur Erkenntnis von der Schönheit klarer Farben, edler und schlichter Linien gelangt — auch treffen sich heute vielfach ihre Lieb habereien mit denen des Mannes, sei es im Sport, in der Musik oder bei den Weihnachtsgeschenken, die immer die schönsten bleiben, einem guten Buch und einem guten Bilde! In allem, was sie schenkt, wird sie das Moment dcr Zweckmäßigkeit nicht aus den Augen lassen-, am stärksten fordert dies ein neues Feld des Schenkens, das sich der Frau erst in neuerer Zeit er öffnet hat. Ich denke an die Wohnlichmachunq des Buroraumcs. Einen großen Teil des Tages bringen die Herren in Kontoren und Büros zu die ihren reichen Klubcharakter längst abgestreift oder min destens sehr eingeschränkt naben, und jetzt häufig bei der immer stärker anziehenden Sparschraube recht kümmerlich und verwohnt wirken. Da bringt ein schön gearbeitetes Kiffen, am besten aus Leder oder Tuchmosaik (Smyrna und Stickerei sind als Staubfänger nicht zu empfehlen), ein farben froher Krug mit Blumen Harmonie und Freundlich, kcit auch in den dunkelsten Kontorwinkel. Rauchzeug in guten glatten Formen, Telephon- und Adressen» Verzeichnis handlich und praktisch bieten viel Ge legenheit zu Geschenken, die selbstverständlich gänzlich Zweckkunst sein muffen, d. h. die Gebrauchsfähigkeit ist bei der Wahl ausschlaggebend. — Leichter und gleichsam selbstverständlich werden der Frau die Ge schenke an Töchter und Freundinnen werden, braucht sic hier vielfach nur eigenen Wünschen zu folgen. Lei der kultivierten Frau werden neben dem guten Ge- schmack auch hier „Einfügung" und .Zweck" die beiden Stichworte sein, nach denen sich die Geschenke richten. Es handelt sich gerade bei Weihnachts- gcschenkcn ja vor allem um solche im vertrauten Kreise, dessen Lebensgewohnheiten und Besitztum be- könnt ist. Da läßt sich bei einigem Nachdenken auch Seit» 8 KamieMile mit«« »rmilkkl Der pure Zufall blies mich in die 28. Ausstellung des Kanarienzüchter-Dereins „K o n a r i o" im Krystallpalast. 253 Kanarienhähnc trillerten, sangen und zwitscher- ren durcheinander. Publikum stand mit ernsten Mienen vor den klei nen. Käsigen, und ab und zu sielen Worte, deren Sinn reichlich dunkel war. „Aus dem wird nichts, der hat eine zuschlechte Klingel." „Hier, der kleine Grüne, ja der kann schockeln" „Was acht Nlork? bei denschlechtenWasser- turen? Da kann ich dann auch einen Sperling in den Käfig setzen l" Schon plagte mich die Neugier. Ich bat einen Fachmann geziemend um Aufklärung, da es mir sehr darum zu tun sei, noch vor Weihnachten zu wissen, was „Wasserkuren", „schlechte Klingeln" und „schockeln" sei. Hier ist ein Stück „Aus dem Leben eines Kanarien vogels. Der Kanarienvogel kommt gewöhnlich im Früh jahr mit zwei bis drei Geschwistern auf die Wel:. Schon am siebenten bis achten Tage muß er sich über die linke Kralle einen Zuchtring ziehen lassen und nicht sehr viel später beginnt seine Ausbildung. Das Bürschchen wird einzeln in einen kleinen Gesangs käfig gesetzt und in seiner Nähe nimmt der Vor sänger, ein tüchtiger, stimmkräftiger Kcuorienhahn, Platz. Der Kleine hört, piepst, zwitschert, kräht und eines Tages ist er bei der ersten „Klingel" ange- kommen. Die Ausbildung geht weiter vorwärts. Bald hat der Alte den Jungen nichts mehr zu lernen und der lütt« Grünschnabel macht seine eigene Gängerei ausi Im Spätherbst ist er schon fertig und es eut- scl>eidct sich sein Schicksal. Er kommt auf die Aus- stcllung und dort muß er vor geladenem Publikum singen, er wird eine halbe Stunde lang „ab ge hör t". Dicserzwccks kommt er mit noch drei anderen jugendlichen Sangesbrüdern in einen schwarzen Vor- führungskäfig, den Preisrichtern also völlig un sichtbar. Jetzt heißt's, sich anstrengen. Auf dem Prüfungs formular sind ungefähr zehn „Bewertungs-" und zehn „Entwertungsturen" ausgezeichnet. Punkte kann man sich holen durch gute „Hohl- rollen", „Schockeln", „Koller", „Klin geln", „K l i n g« l r o l l e r". Dieses näher zu er läutern. ist hier ausgeschloffen, da man diese Fach ausdrücke nur durch Notenbilder dem Laien verständ- sich machen könnt«. Schon hat sich unser Prüfling in die Nesseln ge setzt, or hat schlecht Atem geholt, er hat „ge schnarrt", und jetzt, jetzt setzt er ganz unvor- schristsmäßig an, im Konto „Aufzug" werden zwei Minus-Punkte gebucht. Teufel, der Kerl soll sich mehr zusommennehmen! Nach einigen sehr guten Hohlrollen fängt er an. zu „schwirren", also Töne bervorzubrinaen, die nicht aus seinem No-en- blatt stehen. Das Ergebnis ist zwanzig Bewertungs- und vier EntwerN'ngopunkte. Mit sechzehn Punkten (»«kommt sein Besitzer nur einen kleinen Preis. Nach langer mühevoller Arbeit ist die „Jugend klasse" durchacprüft. Gänzlich nebensächlich ist da bei Form und Farbe. In Deutschland legt man nur Wert aus Gesangskanarien. So ein junger Hahn mit prima Zeugnissen kostet immerhin fünfzehn Mark. Hält man ihn gut und schützt man ihn durch pein- licl>e Sauberkeit vor Magenkrankheiten, so kann man acht bis zehn Jahr Spaß an dem Tierchen haben. Bei einem Leipziger Züchter ist momentan ein Kanarien- Hahn im achtzehnten Jahr zwar nicht mehr als Vorsänger, aber doch immer noch als Unterhaltungs musiker tätig. So, nun bitte, prüfen Sie Ihren Kanarienvogel auf seine musikalischen Qualitäten. Hoffentlich hat er eine gute Klingel und keine schlechten Wasserkuren. ernst ckotin. mit kleinen Mitteln wirkliche Freude bereiten. Ein gediegen schönes Stück, sei es eine holzgeschnitzte Lampe mit künstlerischem Schleier, ein paar ferne Tassen mit Kanne, passend zu bereits Vorhandenem, dazu einige hübsche Kleinigkeiten, ein handgemalter Schal, bunte Handschuhe für Sport, eine Bastweberei für den Balkon, je nach Liebhaberei, dazu Buch und Bild — werden dem Geschenktisch dcr modernen Frau das Gepräge geben. Das Besorgen der Geschenke ist heute eine Angelegenheit psychologischen Studiums geworden, die nicht mehr in heißen Verkaufsräumen angesichts einer erdrückenden Fülle von Dingen, die vorübergehend locken, geschieht, sondern im stillen Nachsinnen daheim unter sorgfältiger Notierung. Das Kaufen selbst erfordert dann nur wenig Zeit. Hastiges Einkäufen im letzten Augenblick führt ebensowenig zum Ziel, wie wahllose Auf häufung in einer augenblicklichen Stimmung Oer Maler Don Kocks Kock» Baron Renö Rothschild in Paris ließ Pascin fragen: wieviel wohl ein Porträt kosten ivüi-de. Pascin antwortete: 15 000 Franken. Das scheine ihm zu viel, meinte der Boron; doch 12 000 wolle er gern anlcgen. Na, sagt« Pascin, der Baron solle nur kommen. — Als er aber kam, standen — frostiger Winter — im Atelier alle Fenster offen. Und Pascin sprach: ,,EH' ich anfange, muß ich den Gesamteindruck des Körpers haben. Ditte, ziehen Sie sich aus!" „Auch das Hemd?" »3°- „Genügt es? Oder muffen auch die Untor hosen ...?" „Auch die Unterhosen." „Die Strümpfe? ... Ich finde es nämlich scheuß lich kalt ..." „Ja, auch die Strümpfe." Hierauf wendete Pascin den Rollstuhl mit dem Baron rechts ins Profil und guckte. Links ins Profil und guckte, km fs««. Nochmals rechts ins Profil. Endlich Revers. Und sagte: „Nein, ich ti?» nicht. Das Gesicht gefällt mir - nicht."
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