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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.08.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192508082
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19250808
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19250808
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
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Jahr
1925
-
Monat
1925-08
- Tag 1925-08-08
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Monat
1925-08
-
Jahr
1925
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8oo»»I»ea«I, 6«« >. Augurt Kill »kve; kiiWillhtt Metiill Stach künstlichem «old künstliches Qn tlsiiber In der modernen Naturwissenschaft vollzieht sich seit einiger Zeit eine Entwicklung, die noch vor wenigen Jahren, ja Monaten selbst in Fachkreisen für unmöglich gehalten wurde, eine Entwicklung, die uns allem Anschein nach in Kürze zu einer erheb lichen Revidierung unserer wissenschaftlichen Grund anschauungen zwingen dürft«. Es handelt sich nicht mehr darum, daß die Atome (d. h. di« positiven und negativen elektrischen Teilchen, aus denen alle Ma- terie besteht) überhaupt z«rtrümm«rt wurden; das ist schon vor längerer Zeit z. B. dem bekannten For- scher Rutherford gelungen. Das Erstaunliche ist das W i e dieser Atomzertrümmerung. Rutherford hatte seinerzeit seine Erfolge unter Zuhilfenahme der stärksten Encrgiekonzentrationen, die wir kennen, nämlich der zerfallenden radioaktiven Stoffe bzw. der von ihnen ausgehenden Strahlung, erreichen können, die neuen, Methoden wenden einfach den elektrischen Strom an, der auf alle Fälle, wie auch die Versuchs bedingungen im Einzelnen sein mögen, einen mini malen Prozentsatz dco erwähnten Energien darstellt. Hatte man seinerzeit, als die ersten Ergebnisse der Experimente Miethe bekannt wurden, in wis senschaftlichen Fachkreisen vielfach die Achseln gezuckt, so ist die neue Mitteilung des bekannten Gelehrten Professor S m i 1 s^Amsterdam, daß es ihm gelungen sei, künstliches Quecksilber durch Zertrüm merung des Bleiatoms zu erhalten, nur ein weiterer, wenn auch wichtiger Schritt aus dem ein geschlagenen Wege. Professor Smits hatte schon im vergangenen Jahre in einer ausländischen Fachzeitschrift Mitteilungen über seine Pläne gemacht; er hat diese Absichten in zwischen mit A. Karssen zusammen im Amster damer Laboratorium für allgemeine und anorganische Chemie in dio Tat umgesetzt und berichtete soeben in den .Naturwissenschaften" über die Ergebnisse seiner Versuche. Smits wurde zur intensiveren Bearbeitung der ihm vorschwebenden Probleine durch die Erfolge Pro fessor Miethes angeregt, der unted Verwendung einer besonderen Quecksilber-Lampe aus diesem Metall Gold erhalten konnte- Smits konstruierte nun ganz analog eine Blei-Lampe, wobei die Schwierig, leit zu überwinden war, daß Blei bereits bei 327 Grad schmilzt, es gelang ihm aber, eine geeignete Lampe zu erfinden, die genügend lange ruhig brennt. Diei Hauptsache war zu vermeiden, daß auf irgend einem Wege Quecksilber in das zu untersuchende Blei gelangen könnte. Dies wurde dadurch erreicht, daß das rein« Blei nur mit ausgeglühten Quarz sowie mit einem Stahl- und einem Kohlenstifte in Kontakt gelassen wurde. Es wurde zunächst ein blinder Ver such gcinacht, indem man die Lampe beb relativ ge ringer Stromdichte etwa 10 Stunden lang brennen ließ. Die Prüfung geschah auf spektroskopischen Wege und ergab, daß in dem untersuchten Mei sich keine Spur von Quecksilber gebildet hatte. Hierauf wurde die Stromdichte erhöht und nun fanden sich bereits nach sechs Stunden Brenndauer die für? Quecksilber typischen Linien im Spekroskop, nach lOstündiger Brenndauer erschienen die stärksten Quecksil ber l i n i e n und daneben die eines anderen Metalls- desThallill m s. Damit wäre also der teilweise Zerfall des Bleis in Quecksilber und Thallium nachgewiesen, die beiden Forsechr teilen allerdings ihre Resultate unter eini- g:m Vorbehalt mit, da sie sich nur auf einen ge lungenen Versuch stützen konnten. Eine Kontrolle »var deshalb unmöglich, weil nur das erstmalig ver wandte Blei wirklich rein, d. h. in diesem Falle frei von Quecksilber, war. Als die Forscher ihre Ver suche mit einer zweiten Bleilieferung fortsetzen woll ten, mußten sie seststellen, daß dieses Blei nicht ge nügend rein war. Dian wird also die Resultate eines zweiten Versuchs, der aus technischen Gründen ver mutlich erst in einigen Monaten möglich sein wird, abwarten müssen, ehe eine definitive Sicherheit ge geben ist. Dcimoch kann schon heute gesagt werden, daß aller Voraussicht nach die weiteren Experimente das Ergebnis der ersten bestätigen werden. Da die von den Forschern angewandte Methode bereits von M London Von Upton SInvInlr Jack London ist der erste Schriftsteller des moder nen Amerika, der dem Proletariat entstammte; der König unserer Romanciers, der hellste Stern, der je an unserem Himmel geleuchtet hat. Cr brachte »ms das köstlichste Geschenk des Genies, und es ist schmerzlich, zu bedenken, was Amerika ihm an getan hat. Jack London wurde im Fahre 1876 in San Francisco geboren, war um zwei Fahre älter als ich. Wir tauschten unsere ersten Micher aus und begannen bereits damals «ine Debatte, di« bis anS Ende seines Lebens währte. In seinem letzten Brief forderte cr mich auf, ihtz zu besuchen und den Streit mündlich sortzuführen. Ich versprach es, sobald ich eine eben begonnene Arbeit erledigt hätte. Kurze Zeit darauf starb er. Unsere Debatte drehte sich um die uralte Frage: Selbstzucht oder Zuchtlosigkeit, oder, wie Jack sagen würde: Askese ober Leben aus dem Vollen. Aus welche der beiden Arten vermag der Mensch sein Leben mehr zu geniesten? Indem er seinem Charakter vertraut und diesem die Zügel läßt, leidenschaftlich lebt oder indem er der eigenen Natur, ja aller Natur mißtraut, kleinliche Vorsicht walten läßt, seine Impulse eindämmt und sich derart von d«n fröhlichen Gefährten absorrdert und deren Hohn aussetzt? Ich sehe Jack vor nur, wie ich ihn bei unserem ersten Zusammentreffen in New Pork, 1904 oder 1905, sah. Wir verbrachten den ganzen folgenden Tag zusammen, sprachen über die Dinge, die uns beiden am Herzen lagen. Und den ganzen Tag rauchte »nein Held und trank jene roten, braunen, grünen und cwldenen Liköre, di; mir so unsympathisch sind und deren bloßer Anblick genügt, um mein Gesicht zu verziehen. Jack bemerkte dies sofort; er war der Mann mit rotem Blut in den Adern und ich der armselige Waschlappen; er mußte seinen Uebermut an mir auslassen. And er über schüttete mich mit Schauermärchen von unglaublichen Orgien, von Alkohol, Opium und Haschisch! Wir sahen einander acht Jahre lang nicht mehr. And als wir nun zusammentrafen, wurde die De batte ernster, denn Jack hatte meinen Roman I-«lprig«r Tageblatt Prof. Miethe und neuerdings von einem japanischen Gelehrten mit Erfolg zur Atomzertrümmevung be nutzt wurde, ist die Zertrümmerung des Weiatoins nur ein weiterer Schritt auf einem schon bekannten Wege. Eine Erklärung für die Bildung der beiden neuen Stofs« geben die beiden Forscher zunächst nicht, di hierbei auftretenden Vorgänge sind zunächst auch noch ziemlich in Dunkel gehüllt. Ob die neuen Re- sultate die unlängst ausgestellte, sehr plausible Theo- ri-e, daß durch den elektrischen Strom in die Atom« des betreffenden Stosses elektrische Teilchen gewisser ¬ maßen hincingeschoben werden, bestätigen können oder nicht, bleibt abzuwarten. Professor Smits beabsichtigt übrigens, seine For schungen nicht auf das Blei zu des ranken, sondern auf di« amaloge Untersuchung des Wismuts aus- zudehnen. Es scheint sich in der neuen Kette wissen- sklmftlicher Erkenntnis wirklich Glied an Glied zu reihen. Welche Aufschlüsse aus dem neuen Ergebnis in theoretischer und praktischer Beziehung gc- I zogen werden dürfen, kann vor der Bestätigung der Experimente noch nicht mit Sicherheit gesagt werden. LeiM gewerbliche Riesenbetriebe Oer Rat der Stadt als größter Arbeitgeber Wenn Leipzig in den Augen des Einheimischen und Fremden auch weniger als Industriestadt denn als Handelsmetropole geschätzt wird — eine Wer tung, die in der Hauptsache auf die drei großen weit- bekannten Institutionen der Leipziger Messe, des Buchhandels und des Rauchwarenhandels zurück zuführen ist — so verdient demgegenüber doch die Tatsache hervorgehoben zu werden, daß Leipzig nicht nur in der Mannigfaltigkeit und Bedeutung seiner ortsansässigen Industrien im Erwerbs- und Wirt schaftsleben initbestimmciid geworden ist, sondern daß es auch in Hinsicht auf die Zahl seiner gewerblichen Riesenbetriebe an zweiter Stelle unmittelbar hinter Berlin rangiert. Als gewerbliche Riesen betriebe sind Betriebe gemeint, die ein Arbeiter- und Angestelltenpcrsonal von mehr als tausend Köpfen beschäftigen. Als gewerbliche Großbetriebe werden gemeinhin Unternehmungen angesehen, die zwischen 200 bis 1000 Personen beschäftigen. In diesem Sinne zählte inan schon lange Jahre vor dem Kriege in Leipzig sieben Riesenbetriebe und über 80 Groß betriebe, Zahlen, die dann durch den weiteren raschen Aufschwung der Leipziger Iirdustrien und nicht zuletzt durch die fortschreitende Industrialisierung einiger Berufsgruppen während der Krirgszeit, so nament lich der Metallindustrie, sich noch weiterhin auf wärts entwickelt haben. Der ziffermäßig größte Arbeitgeber in Leipzig ist der Rat der Stadt. Er vereinigt in sich zwar nicht, als Einzebbetriebsfaktor genommen, gewerbliche Riesenbetriebe in unserem Sinne, aber tritt durch die große Zahl der unter seiner Regie vereinigten Betriebe im gewerblichen Leben der Stadt machtvoll in Erscheinung. Insgesamt beschäf tigt der Rat der Stadt Leipzig rund 14 000 Per sonen. Davon entfällt auf die Straßenbahn eine Belegschaft von rund 5000 Mann. Die Städtische Baugesellschaft beschäftigt etwa 1600, das Städtische Tiefbauamt rund 1400 Mann. In städtischen Diensten befinden sich außer dem etwa .1500 Beamte nn-d Angestellte und eine Lehrerschaft an den städtischen Schulen von rund 1000 Personen. An der Spitze der Leipziger gewerblichen Riesen betriebe steht die Textilindustrie, und zwar ist es die Kammgarnspinnerei A. Stöhr L Co., A.-G-, di« mit einer Angestellten- und Arbeiterschaft von rund 3500 Köpfen an der Spitze steht. Stöhr L Lo. ist nicht nur der größte gewerbliche Betrieb Leipzigs, sondern er stellt zugleich di« größte Kammgarn spinnerei Sachsens und wohl die zweitgrößte des Deutschen Reiches dar. Die größte Baumwoll- spinnerei Sachsens befindet sich ebenfalls in Leipzig. Es ist di« Leipziger Baumwollspinnerei, die ein Per sonal von über 2000 Köpfen beschäftigt. Die sächsische Wollgarnfabrik A.-G^ vormals Titel L Krüger, be schäftigt rund 2000 Personen. Ein Personal von mehr als tausend Menschen findet in der „Kammgarn spinnerei zu Leipzig" Lohn und Brot. Im Umfang und Eigenart noch bedeutender als die Textilindustrie ist die Leipziger M et all- industri«. Sie besitzt eine ganze Anzahl welt bedeutender Firmen mit einer Belegschaft von je weit über 1000 Mann. An erster Stelle müssen dabei die Eisen- und Stahlwerke Meier L Weichelt, Leipzig Lindenau, genannt werden. Das Unternehmen ist in der Hauptsache auf Eisen- und Stahl-Gießerei ein- gestellt und besitzt in dieser Art in ganz Mitteldeutsch land den bedeutendsten Betrieb. In ihren Werken in Lindenau und vor allem in Großzschocher be schäftigt die Firma das gewaltige Heer von etwa I 3200 Arbeitern und Angestellten. In einige,n Ab- stand davon müssen in der Leipziger Metall- bzw. Maschinenindustrie folgende Firmen genannt werden- Adolf Bleichort L Eo., Leipzig-Gohlis, Hugo Schneider, A.-G., Leipzig-Paunsdorf, Rudolf Sack, Leipzig-Plagwitz, Kirchner L Co., Leipzig- Sellerhausen, die Werkzeugfabrik Pittlcr, Leipzig- Wahren. Die Belegschaft der hier genannten Firmen beläuft sich auf je etwa 1500 bis 2000 Mann. Es handelt sich also hierbei uin ausgesprochene gewerb liche Riesenbetriebe. Mit großen Bclegschaftszahleu kann an dritter Stelle noch ein anderer Spezialzweig Leipziger ge werblichen Schaffens aufwarten, nämlich die gra phische Industrie. Ihr verdankt Leipzig seine», Ruf als Büchcrmetropole. Unter den graphische», Maschinenfabriken rangiert Karl Krause mit etwa 1600 Beamten und Arbeitern an der Spitze. Dieser Firma folgen die Drahtheftmaschinenfabrik Gebrüder Bremer in Leipzig-Plagwitz und die Schriftgießerei und Buchdruckmaschinenfabrik Scheiter L Giesecke mit ebenfalls je weit über 1000 Mann Delegschastsziffern. Weiterhin ist hier zu nennen, die Lelpziger Druck- Maschinenfabrik Schmiers, Werner L Stein, die sich in jüngster Zeit mit einer Dresdner Schnellpressen fabrik vereinigt hat und so die größte europäische Maschinenbauanstalt für Offsetpressen darstellt, Christian Mansfeld, Leipzig-Paunsdorf u. a. Einen gewerblichen Riesenbetrieb innerhalb der graphischen Industrie stellt das buchhändlerische Kommifsions- aeschäft Köhler L Volckmar dar. Diese Firma be schäftigt in ihren gewaltigen Gebäudekomplexen ober- ' halb des Iohannistales und am Täubchen Weg rund 1500 chuchhändlerische Angestellte. Unter den Buch- druckereien zählt Leipzig ebenfalls einige, die mehr als 1000 Mann beschäftigen. Zn nennen sind hier die Firme», Spamer, L. G. Röder, Preitkopf L Härtel, Oskar Brandstätter und das Biblio graphische Institut. Die Leipziger Buchbinderei- s A.-G., vormals Fritzsche, ist mit rund 1000 Man», > Belegschaft in Deutschland wohl der größte Betrieb , dieser Art. j Wenn von Leipzigs Riesenbetrieb«»» die Rede ist, ! dann verdient noch die Musikindustrie erwähnt zu werden. Die Firma Hupfeld steht dabei mit einer > Arbeiter- und Angestelltenschaft von weit über j tausend Köpfen an der Spitze. Ihr folgen die Leip- ziger Pianoforteiabrikanten, die, wie Dlüthner, ! Feitrich, Ziminermann und Irmler je ein Personal ! ron mehreren hundert Monn beschäftigen. Auch in der Fabrikation ätherischer Oele genießt die Leipziger Industrie noch weltbekannten Ruf. Mit großen Belegschaftsziffern können dir Firmen Schimmel K Lo., Miltitz bei Leipzig, und A. Heine L Lo. aufwarten. In diesem Zusammen hang verdient auch di« Leipziger Rauchwaren- Industrie erwähnt zu werden, die allerdings mehr durch die große Zahl der Betriebe als durch Riesen- belegschaftsziffern der einzelnen Unternehmen in Er- scheinung tritt. Liebe Pilgerfahrt" gelesen und wütete über die ihm am verdammenswerteften scheinende Askese, die in sexuellen Dingen. Cr nannte meinen armen Helden einen widerlichen Kerl, der seine junge Frau durch sein«» mönchischen Aberglauben zur Ver zweiflung treibt. Ich weist nicht mehr, auf welche Art ich den armen Thyrsis verteidigt«; vielleicht war mir damals der eigenartige sexuelle Idealismus, der in diesem Buch -um Ausdruck komnrt, selbst nicht ganz klar, das Gefühl, das einen Mann veranlaßt, sich der ihm von der Hkatur und der Gesellschaft ge schickten VorMge zu schämen, sich aus Ritterlichkeit der Frau zu Füßen zu werfen und sie, ein Bild der Vollkommenheit, auf ein Piedestal zu heben. Bis weilen freilich weigert sie sich, aus dem Piedestal zu bleiben, und dann ergibt sich für den phantasielosen Aszeten eine peinlich lächerliche Situation. Jack wurde die Debatte dadurch erschwert, daß er vollkommen heiser war. Er behandelt« dieses Leiden mit Alkohol; da er selbst kühn und aus richtig seine Reisen im Königreich Alkoholia be richtet hat, brauche ich diese Seite seines Lebens nicht zu verschweigen. Doch war er ein Mensch von wundervoller Begabung und von dem Willen «irres Giganten. Cr focht in der eigenen Seele surchtbare Kämpie aus; bei einer mehrmonatigen Reife um Kap Horn brachte er es über sich, keinen Tropfen Alkohol zu trinken. Damals schrieb er „John Barleycorn", eines der wundervollsten und spannendsten Bücher, das je geschrieben wurde. Als ich „John Barleycorn" gelesen hatte, schrieb ich an Jack, daß er mir ein« n«u« Seite des Alkoholproblems enthüllt habe, nämlich das Anrecht, das den Nichttrinkern angetan wird, di« durch ihre Abstinenz der Gesellichast ihrer Mit menschen beraubt werden. Das gemeinsame Trinken gibt dem Verkehr der Leute untereinander ein« gan- besondere Färbung. Ich zum Beispiel iühlte, daß di«se Uneinigkeit zwischen uns mein« Freundschaft mit Jack London begrenzt«. Ucbrigens möchte ich noch erwähnen, daß Jack wenig« Tage vor seinem Tode, iür ein „trockenes" Kalifornien stimmte. Cr erklärt«, daß er zwar das Trinken lieb« doch bereit sei, dieiem Vergnügen der jüngeren Generation zu liebe zu entsag««. Und mehr kann selbst der ein- aeilcischtest« Äszet nicht von einem Menschen ver langen. Wohin ihn seine Ansichten über das Ausleben auf sexuellem Gebiet geführt haben, wissen jene, denen Jack von dem Buch sprach, das er über fein« Erlebnisse mit Frauen schreibe,» wollte. Cs sollte von ebenso unbarmherziger Ehrlichkeit sein, wie „John Barleycorn", sollte seiner ganzen Verachtung für die Frau als «itl«s, genußsüchtiges Wesen Aus druck verleihen. Er wollte das Buch »mter dem äußerst durchsichtigen Pseudonym „Jack Liverpool" veröffentlichen. Cs hätte den Müttern der so- genannten besseren Klassen auf angenehme Art die Äugen geöffnet. Als Jack noch ein Schuljunge in Oakland war, «rächten er und seine Proletarier kameraden die seltsame Entdeckung, daß die ver wöhnten, goldhaarigen Lieblinge des Luxus, die von hundert Äugen bewacht wurden, nur allzu gern« in den Büschen des Sees mit den kräftigen Faun«» ein«r verachteten Klaffe Nymphe spielten. W«r diesen Erzählungen Jack Londons gelauscht hat, be greift auch die Bitterkeit in seinem Essay: „Was das Leben für mich bedeutet." Hier berichtet er von dem Ekel, der ihm ankam, als er, der Austern- prrat und Proletarier, in die Salons der Gesell schaft eindrona: „Wurden sie »richt von der eigene»» Fäulnis, den» eigenen unreine»» Dasein am Leben erhalten, so waren sie nichts weiter als unbegrabcnc Tot« . . . Ich gebe zu, daß die Frauen prächtig gekleidet waren, doch entdeckte ich zu meinem größte»» Stau nen, daß si«, dieser Kleider beraubt, aus genau dem gleichen Lehm geformt waren, wie die Frauen, di« sch in Kellergeschossen gekannt hatte. . . Freilich plapperten dies« herrlich gekleideten schönen Frauen von süßen kleinen Idealen und einer lieben kleinen Moral, doch war das Leitmotiv ihres Lebens der Materialismus. Sie verstanden es, aus so sentimentale Art egoistisch zu sein! Sie nahmen an mehr als einer lieben kleinen wohltätigen Handlung teil, und sprachen gerne darüber, während di« Speisen, die sie indessen asten, und die Kleider, die st« trugen, mit Geld bezahlt waren, an dem Aus beutung und Prostitution klebten. . . ." Jack London träumte von einer anderen Liebe, der einer starken, freien stolzen Frau, der Gefährtin eines starken, ireicn. stolzen Mannes. Diesen Traum gab er ia »einem dritten Roman: „Eine Tochter d«S Schnees" wieder. Das Buch ist primitiv 8elt« S Geschäftsreise nach Deutschland John Ha gen deck ist mit seinen «0 Indern jetzt im Leipziger Zoologischen Garten hei- misch geworden, für drei Wochen. Dann kommen ein paar Wochen Dresden, dann ein paar Wochen Mün- chen, und dann wird die Schau wegen schlechten Wct- trrs in Europa nach Indien zurückverlegt, d. h. auf gelöst. Di« Mitglieder der Truppe kaufen sich von ihren Gagen Land, wenigstens diejenigen, die Star gagen beziehe»» und nicht zu viel Geld in den deutschen Kabaretts und Varietös zurückgclassen haben. Denn hauptsächlich um am Ende der Aus- landstournce in den Stand der Agrarier einriicken zu können, lassen sich die Inder von Herrn Hagen- beck verpflichten. Si« sind zum größten Teil Zi geuner, die daheim nichts zu verliere»» hatten. Sie gehen, familienweise und einzeln, ohne ro- mantische Erwartungen, den Kontrakt, der sie nach Europa führt, ein. Was kann ihnen Europa noch Wunderbares bieten, da sie zwischen Wundern aufge- wachsen sind und in den großen Städten ihrer Heimat ja auch europäischen Betrieb finden, wem» sie ihn suchen: Hauptbahnhöfc (viel schöner als der Leip- ziger), elektrische Dahnen, Flugzeuge und den ganze»» Zivilisationsrummel. Europa wäre absolut fade, wenn es nicht Kabaretts und Varietes hätte, in denei» nicht nur Schlange»» beschworen, Fakire gegeißelt, Elefanten dressiert werden. In solche Lokale nämlich gehen die zierlich gewachsenen, doch zähen Zigeuner »nit Leidenschaft, und hier allein lassen sie sich zu Ausdrücken der Bewunderung und Freude hinreißen. Durch anderes, was uns wichtige» erscheint, lasse»» sie sich keineswegs imponieren. Und wir fangen an, uns zu fragen, ob w i r oder s i e hier richtiger, natürlicher empfinden. Und wenn dann die Inder, di« täglich dreimal ihre Varietekünste produzieren, wieder in der Hei mat sind, dann werden sie an ihren Stammtischen, in ihren Kaffeekränzchen von ihren unverlöschlicher Eindrücke»» in Deutschlands Kabaretts erzählen, und so wird auch diese Geschäftsreise der indischen Zi geuner im Ausland neue Sympathien für Deutsch land wecken. Und Leipzig — seien wir lokal patriotisch erfreut — wird im Vergleich »nit den an deren deukschcn Städten, die berührt werden, in be sonders guter Erinnerung bleiben, da es außer den Völkcrschlachtdenkmal, dein verwirrenden Hauptbahn. hofsvorplatz und dem Reichsgericht gegenwärtig rech» gute Kabarettprogramms hat. «Um. Lötung auf Verlangen Gerichtliches Nachspiel einer Ehetragödie. Eine Ehetragödie entrollte die Verhandlung gegen den Hausdiener Eugen Kluft, der sich gestern vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte wegen Tötung sei ner Ehefrau auf deren Verlangen zu verantworten hatte. Der 60jährige Angeklagte lebte mit seiner Frau ii» ungetrübter Ehe und in guten B--''ältnissen. Ein langes Siechtum der Frau brachte ihn wirtschaftlich herunter. Cs fehlte iin Haushalte bald am Nbtwendigsten, da die Medikamente rss ver- schlangen. Kluft wurde zur Verzweiflung »getrieben, als sich herausstcllte, daß die Ehefrau sich ohne sei»» Wiss-m an ihm anvertrauten Geschäftsgeldern vergriffe,» hatte. Die Frau, die mit dem Lebe»» ab—'blossen hatte, wußte den Angeklagten so zu beeinflussen, bist cr sich bereit fand, mit ihr zusaminen zu sterben. Erst sollte er sie, dann sich selbst erschie ßen. Kluft kaufte einen Revolver und gab z n e r st drei Schüsse auf seine Fra»» ab und dann drciaufsich. Die Frau war sofort tot, er selbst aber wurde wieder ins Leber» zurückgerufen und geheilt, obwohl noch zwei Schüsse in der Brust stecken. Der Angeklagte war vollkommen gebrochen und be dauerte laut jammernd, daß er nicht auch gestorben sei. Don seinem Chef werden ihm die besten Zeug- und knabenhaft, doch verheißt es bereits Jacks künf tige Größe. Später behandelte er noch mchrnwls den Traum der vollkommenen Lieb« und Kamcrad- schast, auch dann noch, als er nicht mehr daran glaubt«. Daß cr aus unehrliche Art über erotische Dinge schreiben mußte, war die Haupturfache für die V e r- achtung der eigene»» Arbeit, di« Jack London selbst so häufig und leidenschaftlich aussprach. „Ich Hasse das Zeug, wenn ich es beendet hab«. Schreibe es nur, weil ich Geld brauche und es so aus leichte Art verdienen kann." Ich behauptet«, das Schreiben seiner besten Erzählungen, wie „Der Meerwols" und „Der Ruf der Wildnis", müßten ihm während der Arbeit Freude gemacht haben, doch wollte <r dies nicht -ugeben. Cr war «in Tatemncnsch, liebte es, ein Boot zu segeln, eine Ranch zu leiten, sür den Sozialismus -u kämpfen. Sein« wahr« Stellung der Frau gegenüber findet in „Marti,» Eden", einem autobiographischen Roman, ihren Ausdruck. Der Held spricht über das Leben sein Urteil, indem er sich eines Nachts aus der Luke eures Ozeandampfers ins Meer stürzt. Der Held dieses Romanes ist ein Proletariers»»»»««, der verzweifelt« Anstrengungen macht, sich aus Ar mut und Elend zu befreien. Das Mädchen der höheren kultivierten Welt jedoch, das er idealisiert und anbetet, läßt ihn feige im Stich. Dies ist ein Unrecht, das die verständnislos« Frau einem Manne antun kann, «in zweites ist: seine Schwächen allzu gut zu verstehen. Jacks Freunde erzählten mir, wie er von Klondyke zurückkehrte, noch erfüllt von dem Traum der primitiven Frau, der wahren Gefährtin des starken Mannes. Ein kluges junges Mädchen erkannte di« ihr gebotene Möglichkeit und spielte nun in den Salons .primitive" Frau, indem sie über Tische und Stühle sprang und auch sonst über schüssige Kraft und Energie bewies. Als sie jedoch ihr Ziel erreicht hatte, gab sie das Springen aus und wurde ehrbar. Das Ergebnis war eine Schc»- düng. „Martin Cden" ist zweifellos eines der bedeut samsten Werke Jack Londons. Cr legte in dicst^ Buch ieine ganze Seele, und die Tatsache, da'» n»enig gelesen wurde, mag ihm als üble B:t geschienen, haben, denn sie lehrte ihn daß ein kanijchex Schriftsteller, der mit seiner 'Arbeit <twa .
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